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Die Heirath im Omnibus. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Die Heirath im Omnibus - Уилки Коллинз


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zu sollen.

      Diese ergreifenden Ideen, diese geduldig gesammelten Documente, diese reizenden Visionen der idealen Welt, diese neuen Schöpfungen meines Geistes, die frisch und strahlend in die Zeilen meines ersten Buches geworfen worden, alles Dies war vorüber und verschwunden – verwelkt unter dem heißen Hauche der Sinne, verurtheilt durch eine Leidenschaft, welche der Zufall in wenigen Mußestunden hatte keimen lassen.

      Ich warf das Manuscript rasch beiseite. Meine unerwartete Unterredung mit Clara hatte die unruhigen Empfindungen des Abends beschwichtigt, aber der verhängnißvolle Einfluß der braunen Schönheit hatte mich nicht verlassen. Wie hätte ich jetzt schreiben können!

      Ich setzte mich an das« geöffnete Fenster. Es ging auf einen schmalen Garten, auf einen jener Londoner Gärten, wo die Natur so in die Enge getrieben ist, wo verkümmerte Bäume und schmachtende Blumen, zwischen hohen Ziegelmauern eingekerkert, nach der freien Luft und dem Sonnenscheine des Landes zu seufzen scheinen.

      Es war indessen wenigstens doch ein Raum, wo die Luft cirkulirte und der uns ein wenig von den geräuschvollen Straßen bannte.

      Der Mond war, von einem blaßgelben Rande umgeben, aufgegangen. Außer ihm zeigte sich kein andres Gestirn in dem unheimlich leeren Raume der Nacht, dabei aber war das dunkelblaue Firmament ohne Wolken.

      Ich weiß nicht, welche Ahnung mir sagte, daß während dieser ruhigen einsamen Nacht in mir der letzte und entscheidende Kampf stattfinden würde. Ich fühlte, daß von den zufälligen Eingebungen dieser Nacht das Leben oder der Tod meines Herzens abhängen würde.

      Je näher die Krisis heranrückte, desto entscheidender schien sie mir für die Zukunft sein zu müssen.

      Diese neue Liebe, welche in mir lebte, dieses Gefühl, welches mich adsorbierte, und welches dennoch erst diesen Morgen Wurzel in mir gefaßt hatte, war meine erste Liebe.

      Bis jetzt war ich Herr meines Herzens gewesen. Von dieser Leidenschaft, welche die alles Andere beherrschende Leidenschaft des Lebens ist, wußte ich noch Nichts. Niemals hatte ein Weib sich zwischen mich und meinen Ehrgeiz, zwischen meine Phantasien und meine Beschäftigungen gestellt. Niemals hatte mir ein Weib vorher die Gefühle eingeflößt, welche ich jetzt empfand. Indem ich den Zustand, in welchem ich mich befinde, mir selbst recht zu definiren suchte, drängte sich vor allen Dingen diese einzige Frage meinem Gemüthe auf: War ich noch stark genug, um der Versuchung zu widerstehen, welche der Zufall mir in den Weg geworfen?

      Ich hatte nur ein Mittel des Widerstandes: die Ueberzeugung, die mich befreite, daß, wenn ich unterläge, alle meine Aussichten aus die Zukunft, als Mitglied der Familie, mit Einem Schlage zerstört und vernichtet sein würden.

      Ich kannte den Charakter meines Vaters, einen absoluten Charakter, der seinem Standesvorurtheile Neigungen und Sympathieen dienstbar machte und sich mit seinen Principien identificirte.

      Auch war ich überzeugt, daß die Folgen einer nicht standesgemäßen Ehe, einer von seinem Sohne geschlossenen Mesallianz für einen von uns, ja vielleicht für beide furchtbar und entsetzlich sein würden.

      Jeder andere Fehltritt konnte von ihm früher oder später verziehen werden – ein solches Verbrechen aber konnte in seinen Augen niemals: Verzeihung erlangen, selbst wenn sein Herz darüber gebrochen wäre.

      Davon war ich in diesem Augenblicke so fest überzeugt wie von meinem Leben.

      Welche Gefühle empfand ich wirklich in Bezug auf Margarethen? Ich fuhr fort, sie so zu nennen, wenn ich an sie dachte. Ich wollte. sie analysiren, sie discutiren. Es war mir unmöglich, mir selbst klare Rechenschaft darüber zu geben.

      Die Prüfung der Vernunft erhebt sich niemals bis zur Höhe und steigt auch niemals bis in die Tiefen der stärksten und gewaltigsten Gemüthsbwegungen. Den Umfang, die Dauer derselben bemessen, heißt das Unberechenbare berechnen – es heißt einen neuen Thurm von Babel in der Absicht errichten, die Erde mit dem Himmel zu vereinigen.

      Ich liebte sie! In diesen drei Worten lag Alles, was ich fühlte, Alles, was ich über sie wußte.

      Obschon meine Leidenschaft meinen intellectuellen Fähigkeiten schaden, deren Gleichgewicht sie störte, und obschon sie das Bewußtsein meiner Pflichten gegen die Meinigen schwächte, so blieb doch nicht weniger ein sehr reines Gefühl für diese zurück.

      Wenn ich in diesem Augenblicke auf dem Sterbebett läge und überzeugt wäre, daß ich am jüngsten Tage nach der Wahrheit oder Falschheit der so eben geschriebenen Zeilen gerichtet werden würde, so würde ich doch bis zu meinem legten Hauche wiederholen: – Es ist wahr – ich behaupte es!

      Aber war diese Liebe ein genügender Grund? Wie würdig Margarethe dessen auch war, so that ich doch Unrecht daran, sie zu lieben, weil das Schicksal, dasselbe Schicksal, welches ihr einen Rang und eine Familie hätte geben können, sie in einem tief unter dem meinigen stehenden Stande hatte geboren werden lassen.

      Wäre sie von guter Geburt gewesen, so würde sie sich die Achtung und Liebe meines Vaters sofort erworben haben,»wenn ich sie ihm als meine Gattin zugeführt hätte; aber sie war Tochter eines Krämers, und nur der Zorn meines Vaters, das Unglück meines Vaters und vielleicht mein eigner Ruin war die verhängnißvolle Aussteuer, auf welche ihre Ehe mit mir ihr Anwartschaft gab.

      Und worauf beruhte dieser Unterschied? Auf einem socialen Vorurtheile. Ohne Zweifel; dieses Vorurtheil aber war in unserm Hause seit meiner Geburt und schon früher seit Jahrhunderten ein fester Grundsatz – doch, was sage ich? – ein religiöser Glaubensartikel.

      Seltsam ist jenes zweite Gesicht der Liebe, welches gleichsam in die Zukunft sieht. Ich dachte jetzt an Margarethen, schon als ob sie bereits mein Weib wäre, ehe sie noch Etwas von der Leidenschaft ahnte, welche sie mir eingeflößt hatte. Mein Herz marterte sich, ich zersann mir den Kopf und ich hatte noch kein Wort mit ihr gesprochen.

      Ich zitterte schon, als ob unsre Vermählung bald entdeckt, werden würde. – Wie unwahrscheinlich wäre dies Alles erschienen, wenn ich es in einem Buche gelesen hätte!

      Aber wie sollte ich den ungestümen Wunsch bekämpfen, sie schon den nächstfolgenden Morgen wieder zu sehen und zu sprechen?

      Sollte ich London, sollte ich England verlassen und die Versuchung meiden, indem ich, gleichviel wohin und gleichviel mit welchem Opfer, die Flucht ergriff? Oder sollte ich Zuflucht bei meinen Büchern suchen, diesen alten, ruhigen und treuen Freunden meiner ersten Nachtwachen? Besaß ich Entschlossenheit genug, um meinem Herzen durch ernsthaftes Nachdenken und ermüdende Arbeit Schweigen zu gebieten? Und wenn ich morgen früh von London abreis’te, sagte mir dann mein Gewissen mit Sicherheit, daß ich nicht übermorgen zurückkehren würde?

      Während dieser Nacht, wo ich mich bemühte, kaltblütig mit mir selbst zu Rathe zu gehen, erniedrigte sich mein Gemüth nicht ein einziges Mal, das zu denken, was viele andre Männer sicherlich an meiner Stelle gedacht haben würden.

      Warum sollte ich diese junge Dame heirathen, wenn ich weiter keinen Grund dazu hatte als daß ich sie liebte? Warum bestand ich bei dem Vermögen, welches mir zur Verfügung stand, bei dem Range, den ich einnahm, bei den Gelegenheiten, die ich mir verschaffen konnte, hartnäckig darauf, die Liebe und die Ehe in eine und dieselbe Idee zu verschmelzen? Warum diese Verlegenheiten und Befürchtungen, wo weder die einen noch die andern dazusein brauchten?

      Wenn ein solcher Gedanke, wie dieser, sich auch nur verschleiert, schüchtern und undeutlich meinem Gemüthe dargestellt hätte, so würde ich ihn mit Abscheu zurückgewiesen und mich vor mir selbst geschämt haben.

      Von welcher Art auch die neuen Bitterkeiten sein mögen, die mir noch beschieden sein können, so wird doch diese tröstende Erinnerung mir stets bleiben. Meine Liebe für Margarethe Sherwin war würdig, dem keuschesten und vollkommensten Weibe dargeboten zu werden, welches Gott jemals geschaffen!

      Die Nacht rückte weiter vor. Das schwächer werdende Geräusch der Straßen drang in selteneren Zwischenräumen und nur noch verworren bis zu mir.

      Meine Lampe verlöschte. Ich hörte den Wagen, welcher Clara vom Balle zurückbrachten; die ersten Dünste des Morgens stiegen auf und verbargen die kleiner gewordene Scheibe des Mondes, die Luft ward immer frischer; der Morgenthau badete die Erde und ich saß immer noch an meinem


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