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Der eiserne Gustav. Hans FalladaЧитать онлайн книгу.

Der eiserne Gustav - Hans  Fallada


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ihn nicht.

      »Mit heraus … in den Krieg … an den Feind! Ach, bitte, Vater!«

      »Aber, Bubi«, sagt der Vater. Er spottet und ist doch glücklich über seinen Sohn: »Du bist doch erst dreizehn! Du bist doch noch ein Kind …«

      »Ach, Vater, es geht sicher, wenn du es erlaubst! Bring mich bei deinem alten Regiment an, bei den Pasewalkern … Es gibt doch Trommlerjungen, ich weiß das!«

      »Trommlerjungen! Und so was will der Sohn von einem altgedienten Wachtmeister sein! Trommlerjungen gibt es bei uns Deutschen nicht … vielleicht bei den Rothosen …«

      »Ach, Vater!«

      »Faß mich an, Evchen, faß mich fest unter! Wir wollen machen, daß wir nach Haus kommen! Wir müssen Otto Bescheid sagen – Otto weiß doch noch von nichts! Wenn heute Mobilmachung ist, muß er sich spätestens morgen stellen! Oder heute noch … Ich weiß es nicht! Rasch, wir wollen nach Haus – ich muß das sofort in seinen Papieren nachsehen!«

      Sie gehen gegen den Strudel an, oft kommen sie nicht von der Stelle. Sie müssen sich aneinander festhalten, um nicht getrennt zu werden.

      Heinz sieht den Vater von der Seite an. »Du, Vater …«

      »Ja?«

      »Vater, sei nicht böse, aber muß nicht auch Erich zu den Soldaten?«

      »Muß …?« Der Vater antwortet ganz bereitwillig, als sei Heinz ein Großer. Er hat eben auch darüber gegrübelt. »Muß – nein. Er ist doch erst siebzehn! Aber er würde sich freiwillig stellen können …«

      »Der Erich, Vater, freiwillig …?«

      »Wieso nicht? Redest du jetzt auch schlecht von deinem Bruder, Heinz? Jetzt gibt es das nicht, jetzt müssen wir alle zusammenhalten. Jetzt weiß einer wieder, daß er zum andern gehört – der Erich auch.«

      »Ja, Vater, ich glaube es ja auch, es ist alles jetzt ganz anders!«

      »Ja, ganz anders! Paß auf, jetzt kommt der Erich auch zurück. Jetzt kommt er ganz von selbst. Er muß ja, ich habe ja seine Papiere. Die braucht er jetzt. Aber auch so … er würde auch so kommen, Bubi, er weiß ja jetzt, daß man nicht allein leben kann. Einer gehört zum anderen, alle gehören zusammen – wir Deutsche!«

      »Ja, Vater.«

      »Es hat wohl so sein sollen, daß wir ihn all diese Wochen vergeblich gesucht haben. Er hat erst lernen müssen, was das ist, wenn man ganz allein ist, niemanden hat. Jetzt gehören wir alle zusammen. Siehst du, wie die Eva mit dem Herrn lacht und spricht?! Eben haben sie sich noch nicht gekannt, und gleich kennen sie sich nicht mehr. Aber jetzt fühlen sie, daß sie zusammengehören, daß sie eine Sache haben – Deutsche! Paß auf, wenn wir nach Haus kommen, sitzt der Erich vielleicht schon bei Muttern und wartet auf uns. Dann aber soll kein Wort mehr von vergangenen Dingen gesprochen werden, Bubi, verstehst du? Alles ist vergeben und vergessen! Jetzt gibt’s so was nicht mehr. Und ihr vertragt euch gefälligst auch, verstanden, als Brüder! Jetzt sind wir alle … Halt, Eva, wo ist Eva? Dort … Eva, hier sind wir doch! Guck einer das Mädchen! Sieht gar nicht, wo wir stehen! Eva!« Er legt die Hände an den Mund. »Eva – Hackendahl! Hak-ken-dahl! Hierher!«

      Eine ganze Schar junger Männer kommt die Linden entlang, sie haben sich ineinander eingehakt, sie versuchen, so gut es eben im Gedränge geht, nach dem Takt zu marschieren. Dazu singen sie: »Siegreich wollen wir Frankreich schlagen …«

      Einer der Marschierenden faßt lachend nach der gegen den Strom ankämpfenden Eva. Sie lacht auch, sie weicht ihm aus.

      Hackendahl schüttelt den Kopf. »Weg ist sie! Ich sehe sie nicht mehr. Siehst du sie, Bubi? Nein, du bist natürlich viel zu klein … Komm, Heinz, Eva wird schon allein nach Haus finden, wir wollen uns beeilen. Otto muß Bescheid haben, und vielleicht wartet Erich …«

      3 Eva trifft einen Bekannten

      Es war Eva eigentlich ganz recht, daß sie von Vater und Bruder getrennt worden war. Sie hatte nichts dazu getan, aber als es geschah, hatte sie sich auch nicht übermäßig angestrengt, die Ihren wiederzufinden. Sie schob sich lachend mit der Menge fort, jetzt in der anderen Richtung, die Linden abwärts, dem Brandenburger Tor zu …

      Das Geschwätz der beiden hatte sie bloß gelangweilt, immer nur Erich und Otto, ewig bloß Krieg und Zusammenhalt. Pustekuchen! Jetzt sollten sie wohl noch näher aufeinanderhocken, eine einzige Verwandtschaft und Liebe – sie hatte von den letzten eingezogenen Wochen die Nase wahrhaftig voll! Und überhaupt Krieg – wieso denn Krieg? Dies war erst einmal Mobilmachung – und so viel hatte sie in letzter Zeit auch schon begriffen, daß Mobilmachung kein Krieg war.

      Aber wenn Krieg so wurde, wie heute Mobilmachung aussah, dann war er eine großartige Sache! Noch nie hatte sie die Männer so aufgekratzt gesehen, mit so leuchtenden Augen! Ein kleiner Dicker, ein Uralter, sicher schon vierzig, mit Knebelbart, faßte sie plötzlich um die Taille. »Na, Kleene?! Freuste dir ooch? Ick freu mir!«

      Und war schon weiter, ehe sie noch protestieren konnte.

      »Kriegsbraut gesucht, die mir noch schnell die Socken stopft!« rief ein junger Mann, krähend. Und alle lachten.

      Es war herrlich, sich von diesem Gewoge treiben und wiegen zu lassen, es war Feststimmung!

      Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter, eine etwas heisere Stimme fragte: »Na, Frollein, immer noch jut zuweje?«

      Sie fuhr herum, und erschrocken sah sie in ein Gesicht, das sie einmal kurze Minuten gesehen und nicht vergessen hatte, in ein bräunliches, freches Gesicht mit schwarzem Schnurrbart.

      »Was wollen Sie?« rief sie. »Ich kenn Sie gar nicht – lassen Sie mich gefälligst los!«

      Der junge Mann lächelte. Er sah sie an und sagte: »Det macht ja nischt, wenn Se mir nich kennen – denn werden Se mir eben kennenlernen!«

      »Lassen Sie mich zufrieden! Oder ich rufe einen Schutzmann!«

      »Na, rufen Se doch, Frollein, rufen Se! Ick helf Ihnen jerne rufen. Oder wollen wa zusammen zu einem jehn, wie, wat? Det macht mir jar nischt, so ein Blauer – blau is immer meine Lieblingsfarbe jewesen. Sie haben auch ein hübschet blauet Kleid an, Frollein.«

      Eva war immer eine richtige Berliner Göre gewesen, frech und vorlaut. So leicht konnte ihr niemand Angst einjagen. Aber jetzt hatte sie Angst, ihre Frechheit verging vor der Selbstsicherheit dieses Kerls, seiner kalten Großschnäuzigkeit, der unverschämten Art, mit der er ihr Kleid antippte, gerade auf der Brust. Und zwischen den Brüsten hing …

      »Bitte, lassen Sie mich gehen«, bat sie schwach. »Es muß eine Verwechslung sein …«

      »Natürlich laß ick Ihnen jehn«, antwortete er lachend. »Jehn is bei die Hitze jesund. Kommen Se man, Frollein, ick jeh ooch’n Stückchen.« Und er faßte sie ungeniert unter den Arm. »Wat die Affen sich haben«, fuhr er überlegen fort, »bringen sich um, vor Bejeisterung, bloß weil se in’n Krieg dürfen. Als wenn se det nich einfacher hätten, det Abschlachten, vorm Spiegel mit’m Rasiermesser. – Nee«, sagte er abschließend, »so was is nischt for uns – wir sind mehr für Lebeschön, wat, wie?«

      »Bitte …«, flehte sie eindringlich. »Lassen Sie mich gehen, ich kenn Sie doch gar nicht!«

      »Mächen!« flüsterte er. Plötzlich hatte sich sein lächelndes Gesicht verändert, er sah sie mit einem bösen, kalten Zorn an. »Mach mir keene Zicken! Seit vier Wochen loof ick Berlin ab nach dir, nu find ick dir endlich – denkste, ick laß dir nu wieder loofen?«

      Er sieht sie drohend an, und unter dieser Drohung erzittert sie und schweigt.

      »Denkste, ick hab dir die Sachen in deine dußlije Marchttasche gesteckt, von der det Bild an alle Litfaßsäulen klebt, damit du se behältst? Nee, Frollein, so doof sind wir nich … Det mußte mir allet fein wieder abliefern …«

      Er sah sie an, und sie, gegen ihren Willen, sie nickte …

      »Und wenn de abjeliefert hast, denn sind wir noch lange nich fertig miteinander! So eine wie dich ha’ick schon lange jesucht, frisch aus Mutters Mottenkiste,


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