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Der eiserne Gustav. Hans FalladaЧитать онлайн книгу.

Der eiserne Gustav - Hans  Fallada


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Zieh ihr’n Scheitel, mein Junge, dann sieht sie gleich schmucker aus!«

      »Jawoll, Herr Hackendahl, det sich ein Franzose in sie verliebt!«

      »Oder bei de Russen kricht se Läuse! Die jehen dann immer den Scheitel ruff un runter un singen: ›Ach, Niki, ach, Niki, wie biste doch so süß!‹«

      »Ruhe!« befiehlt Hackendahl mit Donnerstimme in das brausende Gelächter hinein. Aber auch er ist aufgeregt und vergnügt, es ist ein großer Tag für ihn. »Maul halten! – Rabause, sind jetzt alle draußen?«

      »Jawoll, Herr Hackendahl, zweiunddreißig Pferde. Elf Stuten, zwanzig Wallache und dann der Klopphengst …«

      »Den Klopphengst werden sie jedenfalls nicht nehmen …«, sagt Hackendahl nachdenklich.

      »Sie werden die mehrsten nich nehmen, Herr Chef«, meint Rabause tröstend. »Unsere Pferde sind zu leicht fürs Militär.«

      »Ein Stücker zwanzig möchte ich auch behalten. Was denkt ihr, mit was ihr hier Droschke fahren wollt? Droschke muß auch im Kriege sein.«

      »Und wo werden Sie die Kutscher hernehmen, Herr Chef? Elf Mann sind bloß noch da, die anderen sind schon alle bei den Preußen.«

      »Als Kutscher nehmen wir junge Leute!«

      »Junge Leute wird’s bald auch nich mehr geben, Herr Chef, die Jungen stellen sich doch alle freiwillig …«

      »Na, dann muß Muttern eben auf den Bock«, ruft Hackendahl lachend. »Dann müssen die Frauen fahren, wenn die Männer weg sind …«

      »Herr Chef, Herr Chef, Sie machen ja Witze!« ruft Rabause auflachend. »Wenn ick mir das so vorstelle, Ihre Frau mit Ihrem Lackpott auf dem Bock – und dann die Leine in der Hand – nee, das möchte ich wirklich noch erleben …«

      »Dann los!« befiehlt Hackendahl mit Stentorstimme. »Abmarsch! – Komm, Bubi!« ruft er zum Fenster hinauf. »Wenn du noch mit willst, wird’s Zeit!«

      Heinz verschwindet aus dem Fenster, die Mutter winkt von oben, halb weinend, halb stolz. Es ist ein nie gesehener Anblick: Alle Pferde der Tag-und Nachtschicht verlassen gemeinsam den Fuhrhof, einhundertachtundzwanzig Hufeisen klappern auf dem Steinpflaster, die Schwänze wehen, die Köpfe werden geworfen … Jawohl, es ist ein stolzer Anblick, es ist das letztemal, daß der Fuhrhof Hackendahl nach Wohlhabenheit und Fülle aussieht …

      »Warum hat denn die Eva nicht aus dem Fenster gesehen?« fragt Vater Hackendahl, etwas unzufrieden. »So was sieht das Mädchen doch nicht alle Tage!«

      »Ach, die! Die sitzt wieder in ihrem Zimmer, die ist ja komisch, Vater.«

      »Weißt du denn nicht, was mit ihr los ist, Bubi? Sie ist doch ganz verändert!«

      »Ich weiß, daß ich nichts weiß!« zitiert der Gymnasiast seinen Klassiker. »Aber mir schwant, Vater, daß sie sich einen angelacht hat – und vielleicht muß der auch in den Krieg!«

      »Die Eva? Unsinn! Das müßte ich doch wissen!«

      »Du, Vater?«

      »Wieso nicht? Was meinst du denn?«

      »Ach, gar nichts, Vater!«

      Eine Weile gehen die beiden schweigend nebeneinander. Auf der Fahrbahn der Frankfurter Allee klappern die Pferdehufe. Die Menschen auf der Straße bleiben stehen, sie schmunzeln bei dem Anblick, das ist doch noch etwas: Pferde, die in den Krieg ziehen.

      Hackendahl trägt eine Mappe mit Papieren unter dem Arm, die Gestellungsbefehle der Musterungskommission für seine Pferde. Er schreitet langsam und würdig neben seiner Truppe, bei den Straßenkreuzungen eilt er voran, um zu sehen, ob die Nebenstraßen auch frei sind. Er winkt und mahnt: »Franz, verlier den Schimmel nicht!« – »Immer Schritt halten. Hoffmann!«

      Bubi ist noch beschäftigter. An jeder Litfaßsäule bleibt er stehen, er liest die Aufrufe, stürzt hinter dem Vater her und berichtet: »Du, Vater, der Kriegszustand ist jetzt erklärt!« – »Vater, der Kaiser hat gesagt, er kennt keine Parteien mehr, nur noch Deutsche. Sind die Roten denn nun nicht mehr rot?«

      »Das wollen wir erst mal abwarten, wie die im Reichstag abstimmen. Der Kaiser hat ein viel zu gutes Herz, der denkt immer, alle sind so anständig wie er.«

      »Du, Vater, die Bevölkerung wird gewarnt, sie soll auf Spione aufpassen. Vater, woran erkennt man denn Spione?«

      »Das werden wir schon sehen! Halt nur immer die Augen offen, Bubi! So ein Verräter verrät sich gleich durch sein schlechtes Gewissen, der kann keinen grade ansehen.«

      »Komm, Vater, wir wollen mal aufpassen, wer uns entgegenkommt. Wenn die nun ausspionieren, wieviel Pferde eingezogen werden, das ist doch möglich, Vater!«

      Aber er vergißt es gleich wieder. »Vater! Vater!!«

      »Ja doch – was ist denn schon wieder, Bubi! Ich muß auf die Pferde aufpassen!«

      »Hast du das von den Goldautos gelesen, Vater? Die Russen sollen ja drei Autos mit Gold im Lande haben, und wir sollen sie anhalten. Vater, drei ganze Autos voll Gold!«

      »Die kommen nicht mehr über die Grenze!« sagt der Vater befriedigt. »Den Russen ist der Krieg erklärt! Da sind die Grenzen zu.«

      »Aber wenn die nun zu den Franzosen rüberfahren? Den Franzosen haben wir doch noch nicht den Krieg erklärt. Warum denn noch nicht, Vater? Die Franzosen sind doch der Erbfeind!«

      »Das wird schon alles der Reihe nach kommen«, erklärt Hackendahl. »Nur nicht drängeln! Die Franzosen kommen auch noch ran – und vor allem die Engländer! Die wollen uns bloß unsere Flotte und die Kolonien nehmen, die sind ja so neidisch, die Brüder …«

      Immer dichter ist das Gedränge geworden. Wenn man zu Anfang nur da und dort einen einsamen Fleischer-oder Gemüsegaul sah, den sein Herr zur Musterung führte, jetzt sieht man Pferde über Pferde. Die Brauereien bringen ihre schweren belgischen, die Tattersalls ihre leichten ostpreußischen Pferde. Herrschaftskutscher mit Backenbärten führen Hannoveraner Kutschpferde – denn 1914 glauben noch lange nicht alle feinen Leute, daß ein Automobil wirklich fein ist, sondern schwören auf ihre Equipage.

      Und in all dem Lärm und Gedränge begrüßen sich Bekannte, die Droschkenkutscher rufen ihre Kollegen an, Schultheiß-Fahrer sprechen mit den Riebeck-Leuten und machen ihnen die Gäule schlecht, die Fleischer, deren Pferde immer am aufgeregtesten sind – sie sollen einer Sage nach alle Tage Ochsenblut zu saufen bekommen und davon so feurig sein –, die Fleischer treffen schon Verabredungen untereinander: »Wenn se deinen nehmen, fahr ick dir dein Fleisch. Un wenn se meinen nehmen, fährst du mir meins!« (Sie ahnen noch nicht, wie wenig Fleisch sie in gar nicht langer Zeit zu fahren haben werden.) Auch Hackendahl sieht Bekannte genug: die kleinen Krauter, die mit ein oder zwei Droschken fahren, den Inhaber des Begräbnisinstitutes, dem er bei Hochkonjunktur mit Rappen aushilft, den Möbelfritzen von schräg gegenüber, dem seine Gäule immer so schnell pflasterlahm werden.

      »Tach, Orje, det is heute ein Betrieb …«

      »Ne Masse Schinder mang …«

      »Na, die schicken uns alle mit unsern Zossen wieder heeme. Wat sollen se denn mit uns? Sie haben erst mal ihre Anspannung.«

      »Haste schon gehört? Die Franzosen sollen Fliegerbomben auf Stuttgart geworfen haben.«

      »Ick muß mir morgen ooch stellen – mein Jeschäft ist hops.«

      »Wat denkste, wat zahlen die einem so for de Kröpels? Die müssen einem doch jewissermaßen ein Aufjeld jeben, weil man doch den Verdienstausfall hat.«

      »Du willst wohl am Kriege noch verdienen? Schäm dir wat, oller Kriegsgewinnler! Det jibt es in dissem Kriege aber nich!«

      »Und wovon soll Muttern leben?«

      Ja, Hackendahl hat zu tun, er muß auf seine Pferde aufpassen, und er muß seine Bekannten begrüßen. Er ist ein angesehener Mann in seinem Viertel und in seinem Beruf, die Leute hören ihm zu, wenn er was sagt. Sie nicken mit dem Kopf: »Jawohl, das ist richtig, was der eiserne Gustav gesagt hat, das ist ein Aufwaschen, den Engländer kloppen wir ooch noch auf de Finger. Wozu haben wir denn


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