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Geliebte Stimme. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.

Geliebte Stimme - Barbara Cartland


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mit dem Herzog zu verkuppeln, nicht zu einem raschen Abschluß kam.

      „Ich werde am Ende der Saison verheiratet sein“, flüsterte Susanna vor sich hin und unterdrückte ein Schluchzen.

      „Ich werde weggehen“, nahm sie sich vor. „Ich werde mich irgendwo verstecken.“

      Wenn sie wirklich fliehen mußte, war es ein Glück, daß sie eine Menge Geld besaß.

      Es gab niemals Schwierigkeiten, sich bei der Sekretärin ihrer Mutter mit Bargeld für die Bücher, die sie sich kaufen wollte, zu versehen. Außerdem hatte sie, seit sie in London weilte, gern Geld in der Tasche, um einem der zahlreichen Bettler, die ihr bittend die knochige Hand entgegenstreckten, etwas zustecken zu können, wenn sie eines der luxuriösen Modeateliers verließ und die Straße überquerte, um die vornehme Kutsche ihres Vaters zu besteigen.

      Sie haben so wenig, und ich habe so viel, stellte sie bei sich fest.

      Heimlich, hinter dem Rücken ihrer Mutter, pflegte sie eine 20-Shilling-Münze in eine schmutzige Hand zu drücken und vom Ausdruck unbeschreiblichen Entzückens in den stumpfen Augen einer Bettlerin abzulesen, daß sie ihr zu einem Augenblick des Glücks verholfen hatte, einem vom Schicksal benachteiligten Menschen, dem es viel schlechter ging als ihr selbst.

      „Wenn ich aber weglaufe, kann ich nicht einfach untätig herumsitzen“, überlegte sie weiter. „Das wäre unmöglich.“

      Die Vorstellung, sich irgendwo ein Zimmer zu nehmen und den ganzen Tag zu lesen, sagte ihr nicht zu. Damit würde sie ihre Probleme nicht lösen, erkannte sie, ohne jedoch recht zu wissen, wie sie das bewerkstelligen sollte.

      Auf dem Kaminhocker neben ihrem Sessel lag ein Stapel Zeitungen. Ihr Vater bezog die Times und die Morgenpost und pflegte sie am Frühstückstisch zu lesen. Die Dienstboten brachten sie später dann in sein Arbeitszimmer, wo er vor dem Abendessen darin las, wenn er Zeit dazu fand.

      Es würde eine Menge Fragen auslösen, wenn sie die Zeitungen an sich nahm, bevor er sie ausgelesen hatte. Susanna konnte sich das deutlich vorstellen. Sie beauftragte deshalb einen der Dienstboten, sie am darauffolgenden Morgen ins Schulzimmer zu bringen.

      Sie waren dann zwar schon einen Tag alt, aber das machte im Grunde nichts aus. Niemand sprach mit ihr über die neuesten Nachrichten oder erwartete, daß sie sich für etwas anderes interessierte als für Kleider und Gesellschaftsklatsch.

      Sie vertiefte sich in die gestrige Ausgabe der Times und hoffte, irgendeine Stellenanzeige zu finden, die ihr zusagte. Nicht weil sie Geld brauchte, wollte sie eine Stellung annehmen, sondern um die Zeit totzuschlagen.

      Vielleicht könnte ich in einer Bibliothek arbeiten, überlegte sie, doch dann fiel ihr ein, daß sie dort genau den Leuten begegnen könnte, vor denen sie geflohen war.

      Was ihr am besten gefallen würde, wäre eine Anstellung in einer der Gemäldegalerien, doch wenn sie sich recht erinnerte, waren die Führer in allen Galerien, die sie besichtigt hatte, männlichen Geschlechts gewesen.

      Was kann ich tun? fragte sie sich und erkannte, daß sie sich ernsthaft mit ihrem Problem auseinandersetzte.

      „Ich werde den Herzog nicht heiraten!“ schrie sie die Wand an.

      Die Lösung lag aber nicht darin, daß sie einfach davonlief, sondern daß sie sich ihren Eltern stellte und ihnen unmißverständlich klarmachte, daß sie nicht bereit war, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte.

      Doch während ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, machte sie sich klar, daß sie bei ihrem Aussehen niemals um ihrer selbst willen geliebt werden würde und daß man in den Kreisen, in denen ihre Mutter verkehrte, unter Liebe Amüsement und flüchtige Abenteuer verstand, die man nach der Vermählung suchte, nicht vorher.

      „Was soll ich tun? Oh Gott, was soll ich nur tun?“ fragte sich Susanna mutlos.

      Sie ließ die Zeitung auf die Knie sinken. Welchen Zweck hatte es, nach einer Stellung zu suchen, die nur in ihrer Einbildung existierte?

      Blicklos starrte sie auf die Zeitung und überlegte krampfhaft, welchen anderen Ausweg es noch für sie geben konnte, als sie unter „Persönliches“ eine Anzeige bemerkte.

      Sie überflog die wenigen Zeilen, ohne eigentlich zu erfassen, was sie aussagten, denn sie war mit den Gedanken nicht bei der Sache.

       Gesucht wird für temporär Erblindeten eine Vorleserin mit guten Kenntnissen in Französisch und Italienisch, die bereit ist, auch Reisen ins Ausland zu unternehmen.

       Bewerbungen um zehn Uhr vormittags und in der Mittagsstunde, Curzon Street Nr. 96.

      

      Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, was dastand, und daß es sie ansprach. Zumal sie keine Schwierigkeiten haben würde, französische oder italienische Texte vorzulesen, und von der Aussicht „Reisen ins Ausland“ anzutreten wie magisch angezogen wurde.

      Im Ausland, so sagte sie sich, würde ihre Mutter sie nicht aufstöbern können; sie würde dem Herzog nie begegnen und somit auch nicht gezwungen werden, ihn zu heiraten.

      Sorgfältig las sie die Anzeige noch einmal durch. Eigentlich ist es Wahnsinn, was du vorhast, schalt sie sich kleinmütig. Das schaffst du doch nie.

      Miss Hardings Worte kamen ihr wieder in den Sinn: „Wenn du Hilfe brauchst, wirst du sie finden.“

      Vielleicht war diese Anzeige so etwas wie ein Wink des Schicksals? Wäre es nicht töricht von ihr, einen solchen Fingerzeig zu mißachten?

      Vor Aufregung bekam sie Herzklopfen. Sie sprang aus dem Sessel auf und lief zum Fenster, als erhoffte sie sich davon, Ordnung in ihre Gedanken bringen zu können.

      Draußen regnete es. Endlos erstreckten sich die grauen Dächer der Häuser vor ihr und sahen im Nieselregen trostlos aus.

      Plötzlich stand ihr Entschluß fest. Ich gehe in die Curzon Street 96, nahm sie sich vor. Wenn ich angenommen werde, dann ist das wahrhaftig die helfende Hand, die mir entgegengestreckt wurde und auf die ich so sehnsüchtig gewartet habe. Lehnen sie mich ab, muß ich mir eben etwas anderes einfallen lassen.

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