Der Wehrwolf: Eine Bauernchronik. Löns HermannЧитать онлайн книгу.
man Würste macht, der ißt schon keine.« Dann hatte er die Gabe, alles, was er sagte, in Reime zu bringen, wenn er gerade wollte; es wurde keine Hochzeit abgehalten, bei der Ulenvater nicht seinen Vers sagte, und jedesmal einen anderen. Er hatte Augen, die hatten gar keine Farbe; wie Wasser sahen sie aus. Die wenigsten Menschen hielten ihnen stand, und wenn er einen Hund ansah, und war der auch noch so böse, er machte, daß er fortkam.
Nun stand er da, als wenn er nicht bis drei zählen konnte, griente und sagte, indem er auf das Schießgewehr wies, das Harm auf den Rücken hatte: »All wieder nach dem Saufang?« Und dann lachte er lauthals, denn der Saufang war dicht beim Ulenhofe, und wenn Harm am Saufang war, dann dauerte es nicht lange und Rose hatte vor dem Hofe zu tun.
Das war auch jetzt so. Als Wulf dort angekommen war und gesehen hatte, daß der Fang noch aufstand, steckte er drei Finger in den Mund und pfiff wie der Schwarzspecht. Es dauerte eine Weile, da hörte er hinter sich ein Geräusch; als er sich umdrehte, sah er bei einer Eiche etwas Feuerrotes, und das war ein roter Rock, und nun gab es ein Jagen um den Baum und dann ein Quieken.
»Ach, Junge,« pustete das Mädchen und ihre Brust ging auf und ab, »du bringst mich ja rein von Atem! Und schickt sich das wohl?« Aber dann ließ sie sich doch dahinziehen, wo das Moos ganz eben und trocken war, und ließ sich küssen und küßte wieder, und zählte, wie oft der Kuckuck rief, denn so lange sollte sie leben; aber er rief bloß zweimal und da sagte sie: »So ein fauler Hund!« und lachte dabei.
Vom Hofe rief es. Das Mädchen sprang in die Höhe: »Bis heute abend! Mutter ruft schon. Komm aber nicht vor dem Vesper, denn bis dahin habe ich alle Hände voll zu tun.« Sie machte sich los und Harm sah ihr lachend nach, wie sie so flink dahinging, daß der rote Rock wie eine Flamme hin und her wehte, und ihr Haar, das leuchtete wie eitel Gold unter der kleinen Mütze, um die die Bindebänder man so flogen.
Ehe sie über das Stegel stieg, sah sie sich noch einmal um; dann war sie fort und Harm war zumute, als wenn die Sonne nicht mehr so schön schien und als ob die Vögel lange nicht mehr so lustig sängen; aber dann pfiff er das Brummelbeerlied durch die Zähne und lachte wieder vor sich hin, als er über die Haide ging, und seine Augen waren so blau wie der Himmel über ihm.
Das blieben sie auch bis zur Hochzeit und auf ihr erst recht. Es war eine große Hochzeit und lustig ging es dabei her, obzwar kein einziger Mann betrunken war.
Einige Bauern redeten zwar davon, daß es immer gefährlicher im Reich aussähe, aber was fragte Harm Wulf danach, als er mit seiner jungen Frau unter Lachen und Juchen in die Dönze geschoben wurde, und nach den feurigen Männern am Himmel und dem blutenden Brot und den Pest- und Sterbevögeln? Er nahm seine Rose in den Arm und sagte: »Eine Ule habe ich gefangen, aber was für eine glatte Ule auch!« Und dann lachte er über seinen Witz.
Er blieb am Lachen bis auf den Tag, daß seine Rose zu liegen kam, aber dann lachte er noch mehr, bloß nicht so laut und mehr mit den Augen; denn ein Junge lag neben ihr, ein Junge, ein Staat von einem Jungen ein wahrer Bär von einem Jungen, einer von zehn vollwichtigen Pfunden und ein hübscher Junge von vornherein.
»Ja,« sagte er am dritten Tage zu seiner Frau, die schon wieder Farbe auf den Backen hatte, »was ist das nun eigentlich, ein Ulenküken oder ein Wolfslamm?« Und dann lachte er laut über seinen Schnack.
Er lachte, wenn er zur Arbeit ging, er lachte, wenn er von ihr kam. Er hatte früher auch ein schönes Leben gehabt, aber so, wie es jetzt war, mit solcher glatten Frau und so einem gesunden Jungen, das war doch ganz etwas anders! Er konnte sich vor Freude gar nicht bergen, so wählig war ihm zumute, und wenn ab und zu Reineke oder Marten oder einer von den anderen Ödringern sich so anstellte, wie eine Krähe, wenn der Fuchs ankommt, und erzählte, was er in Celle oder Burgdorf oder Peine gehört hatte: daß nämlich Krieg in der Welt war und es nicht mehr lange dauern werde, bis daß es auch in der Haide an zu stinken anfange, der Wulfsbauer pfiff, wenn er säete oder pflügte, das Brummelbeerlied, dachte an seine Rose und an seinen lüttjen Hermke und daran, wie gut er es doch getroffen hatte.
Hermke konnte ihm schon an der Hand seiner Mutter entgegentappeln und »Vater!« rufen, wenn Harm vom Felde kam, und es war so weit, daß er bald einen Bruder oder eine Schwester bekommen sollte, da ritt der Bauer eines Morgens nach der Stadt, um seinen Hofzins beim Amte zu bezahlen. Es war ein schöner Morgen; die Birken an den Straßen waren eben aufgebrochen, alle Finken schlugen, die Dullerchen sangen und das Bruch war von oben bis unten rot, denn der Post war am Blühen. Harm setzte sich in einen schlanken Trab, daß der Sand hinter ihm nur so mülmte, denn er dachte: »Je eher du in der Stadt bist, desto früher bist du wieder auf dem Hofe.«
Er kam aber erst am späten Abend nach Hause und er kam zu Fuße an. Als er nämlich seine Steuern bezahlt hatte und nach dem Kruge vor der Stadt ging, wo er seinen Falben eingestellt hatte, um das Torgeld zu sparen, da war dort ein wildes Leben. Ein Mansfelder Feldhauptmann mit einem Trupp Kriegsvolk war angekommen und es ging hoch her. Die Kerle hatten alle rote Köpfe von Bier und Schnaps und nun schrien sie und bölkten und kriejöhlten und machten sich mit den verlaufenen Frauensleuten, die sie bei sich hatten, allerlei Kurzweil, daß es eine Schande war, das anzusehen. Die Töchter des Wirts und die Mägde waren übel dran; sogar die Wirtsfrau, die doch gewiß kein Ansehen mehr hatte, konnte sich vor den Lümmeln nicht bergen.
Als der Wulfsbauer um das Haus nach dem Stalle gehen wollte, kam ihm ein Kerl entgegen, der eine rote Feder auf dem Hute und einen gefährlichen pechschwarzen Schnauzbart unter seiner langen Nase hatte. Als er den Bauern sah, juchte er laut auf, nahm ihn in den Arm, küßte ihn auf beide Backen, daß Harm der Schnapsgeruch um die Ohren schlug, faßte ihn an die Schultern, hielt ihn von sich ab, lachte über sein ganzes gelbes Gesicht, nahm ihn wieder in den Arm und brüllte: »Brudderhärz mainiges! Wie lange habben wirr uns nicht gesähenn? Aberr die Freide, die Freide! Auf das wollen wirr aberr einen trrinkenn!« Er zog den Bauern, der gar nicht wußte, was er davon halten sollte, unter das Fenster und schrie: »Frau Wirrtinn, zwei Birr fürr mainen Freind und mich, wo ich so lange nicht gesähenn habbe.«
Die Großmagd brachte das Bier, aber als der fremde Kerl sie in den Arm kniff, machte sie Wulf mit den Augen Zeichen, denn sie war eine Häuslingstochter aus Ödringen, und als der Reiter das Bier hinnehmen wollte, juchte sie auf und ließ beide Krüge fallen. Der fremde Mensch schimpfte Mord und Brand, aber da rief der Hauptmann und er mußte fort. Als Harm schnell machte, daß er weiter kam, winkte ihn Trine Reineke auf die Diele: »Wulfsbauer,« sagte sie, »um Christi Blut und Wunden, daß du bloß den Ludervölkern nicht Bescheid tust! Wer Bescheid tut, der ist angeworben. Kiek, da ist Krischan Bolle, den haben sie schon eingeseift, den Döllmer! Mit jedwedem hat er auf Bruderschaft angestoßen und nun hat er den bunten Lappen um den Arm und kann sich morgen für Gott und den Deubel totschießen lassen.«
Ängstlich sah ihn das hübsche Mädchen, das auf dem Wulfshofe als Lütjemagd angefangen hatte, in die Augen: »Sieh man bloß zu, daß du weiter kommst! Je eher daß du fortkommst, je besser ist das für dich. Das sind ja keine Menschen nicht, das ist das reine Vieh. O Gotte!« Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und weinte los.
»Na, Deern,« beruhigte Harm sie, indem er ihr auf die Schulter schlug, »das ist alles man ein Übergang. Aber recht hast du, wer hier nichts verloren hat, soll sich nicht weiter aufhalten.« Er bezahlte die beiden Krüge Bier, gab dem Mädchen ein Bringgeld und ging nach den Ställen. Da war es noch toller als vor dem Hause. Sieben Roßknechte, einer noch schlimmer aussehend als der andre, hielten einen alten Trödeljuden zum besten, spuckten ihm in die Hände, warfen ihm seine Waren durcheinander und wollten ihn zwingen, Schweinewurst zu essen. Drei andere stachen eine Sau ab, einer machte sich mit einem Taternmädchen das knapp zwölf Jahre alt sein konnte, zu schaffen, ein anderer lag besoffen auf dem Mist und noch einer hatte einen Hahn in den Händen und drehte ihm den Hals ab.
»Gottes Wunder,« dachte der Bauer, »was ist das für eine Zucht und Wirtschaft!« Er drückte sich an den betrunkenen Völkern vorbei und ging in den Pferdestall. Sein Falber war da, hatte aber ein herrschaftliches Geschirr um und zwei Mantelsäcke