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Das Dekameron. Giovanni BoccaccioЧитать онлайн книгу.

Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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alles Göttliche, ebenso den Ritus betreffende kirchliche oder geistliche Dinge, sie mochten Namen haben, wie sie wollten, und mochten zu Kirchen oder zu Pfründen gehören, für Geld erkauften und feilhielten und einen größeren, einträglicheren Handel damit trieben, und mehr Makler und Zwischenhändler dazu gebrauchten als in Paris der Tuchhandel oder andere Geschäfte, und dass sie die offenbarste Simonie mit dem Namen Prokuration und ihre Völlerei mit dem Namen Refektion bemäntelten, als wenn Gott sich um solche Wortklaubereien bekümmerte, die bösen Absichten verkehrter Gemüter nicht kenne und sich wie die Menschen durch die Namen der Dinge hintergehen ließe! Alles dieses und manches andere, was wir lieber verschweigen, missfiel dem Juden als einem ehrbaren und schlichten Manne, und wie er glaubte, genug gesehen zu haben, entschloss er sich zur Rückreise und kam wieder nach Paris. Jeannot hatte kaum seine Ankunft erfahren, als er auch schon zu ihm ging und sich mit ihm des Wiedersehens herzlich erfreute; doch fiel es ihm nicht im Geringsten ein, dass sein Freund ein Christ werden würde. Nachdem dieser nun einige Tage ausgeruht hatte, fragte ihn Jeannot, wie er den Papst und die anderen Herren am Hofe gefunden hätte.

      „Böse habe ich sie gefunden“, gab ihm der Jude hastig zur Antwort, „und Böses vergelte ihnen Gott! Das ist alles, was ich dir sagen kann, denn wo ich recht gesehen habe, so gibt es dort weder Frömmigkeit noch Andacht, noch irgendein gutes Werk oder Beispiel, oder sonst etwas Löbliches bei irgendeinem, der zum geistlichen Stande gehört, sondern eitel Wollust, Geiz, Schwelgerei, Betrug, Neid, Hochmut und mehr dergleichen und noch schlimmere Dinge, wenn man sie noch schlimmer denken kann. Dies alles glaube ich in solchem Maße bei ihnen gefunden zu haben, dass ich Rom eher für eine Werkstatt teuflischen als göttlichen Wirkens halte. Und wie es mir scheint, so arbeitet euer Oberhirt, und folglich alle Übrigen, mit Macht daran, die christliche Religion zuschanden zu machen und sie von der Welt zu vertilgen, da sie doch billig ihr Grund- und Eckstein und ihre Stütze sein sollten. Da ihnen nun dieses nicht gelingt, wonach sie streben, sondern da eure Religion sich täglich mehr und mehr ausbreitet, und immer heller und reiner glänzt, so glaube ich mit Recht zu schließen, dass der Heilige Geist selbst der Grund und Pfeiler dieser Religion sein muss und dass sie alle andern an Wahrheit und Heiligkeit übertrifft. Deswegen, so steif und fest ich mich auch bisher deiner Proselytenmacherei widersetzt habe und kein Christ werden wollte, so will ich dir frei gestehen, dass mich nunmehr nichts in der Welt länger abhalten kann, die christliche Religion anzunehmen. Komm mit mir in die Kirche und lass mich dort nach der Vorschrift eurer heiligen Religion taufen.“

      Jeannot, der sich eines ganz entgegengesetzten Entschlusses von ihm versehen hatte, war der vergnügteste Mensch von der Welt, wie er ihn so reden hörte. Er eilte mit ihm in die Kirche Unserer Frauen in Paris und bat die Geistlichen, seinen Freund Abraham zu taufen, was sie auch unverzüglich taten, wie sie hörten, dass er selbst es begehre. Jeannot ward sein Pate und gab ihm den Namen Jean. Er ließ ihn durch große Schriftgelehrte vollkommen in unserer Religion unterrichten, mit welcher er sich auch in kurzer Zeit bekannt machte und hernach als ein trefflicher Mann ein erbauliches Leben führte.

       DRITTE NOVELLE

      Der Jude Melchisedech zieht sich durch eine Geschichte von drei Ringen aus einer gefährlichen Schlinge, die ihm Saladin gelegt hat.

      Nachdem Neifilens Erzählung unter allgemeinem Beifall beendigt war, begann Filomena, dem Willen der Königin gemäß, folgendermaßen zu reden:

      Neifilens Erzählung bringt mir die gefährliche Lage ins Gedächtnis, in welcher sich einst ein Jude befand; und da wir bisher von Gott und von der Wahrheit unserer Religion viel gute Reden gehört haben, so können wir nun auch wohl zu den Schicksalen und Handlungen der Menschen uns herablassen, und ich will versuchen, euch davon einiges zu erzählen, das euch vielleicht veranlassen wird, bedächtiger als zuvor auf die Fragen zu antworten, die man euch vorlegt. Ihr müsst wissen, meine lieben Gespielinnen, so wie die Torheit oft manchen um sein Glück bringt und ihn in tiefes Elend stürzt, so zieht den Weisen sein Verstand aus den augenscheinlichsten Gefahren und gewährt ihm vollkommene Ruhe und Sicherheit. Wie wahr es sei, dass die Torheit den Menschen aus dem Glück ins Elend stürzt, davon sieht man häufige Beispiele, bei denen wir uns jetzt nicht aufhalten wollen, weil wir sie täglich zu Tausenden vor Augen haben. Dass aber der Verstand uns oft zum großen Heile gereicht, davon will ich euch, wie ich versprach, durch eine Geschichte überführen. Saladin, der so hochgemut und tapfer war, dass er nicht nur aus einem geringen Manne zum Sultan von Babylon ward, sondern auch außerdem noch manche Siege über die sarazenischen und christlichen Fürsten erfocht, hatte teils in verschiedenen Kriegen, teils durch großen Aufwand und Pracht einst seinen ganzen Schatz erschöpft. Es traf sich eben, dass er plötzlich einer ansehnlichen Summe bedurfte, die er nirgends so schnell aufzutreiben wusste, als er sie nötig hatte. In dieser Verlegenheit erinnerte er sich eines reichen Juden namens Melchisedech, der in Alexandrien gegen Wucherzinsen zu leihen pflegte; er vermeinte, dieser könne ihm helfen, wenn er wolle. Der Jude war aber so geizig, dass er es aus freien Stücken nimmer hätte getan, und offenbare Gewalt wollte Saladin nicht brauchen. Weil ihn jedoch die Not drängte, so sann er auf ein Mittel, den Juden unter einem scheinbaren Vorwande zu zwingen, seinen Beutel aufzutun. Er ließ ihn zu sich rufen, ihn freundlich neben sich setzen und sagte: „Trefflicher Mann, ich habe von verschiedenen Leuten gehört, dass du weise bist und in geistlichen Dingen sehr erfahren. Darum möchte ich gern von dir wissen, welche von den drei Lehren du für die wahre und wahrhafteste hältst, die jüdische, die mohammedanische oder die christliche.“

      Der Jude, der in der Tat ein kluger Mann war, merkte sehr gut, dass ihn Saladin mit seinen Worten zu fangen suchte, um Händel mit ihm anzufangen. Er glaubte daher, dass er keine von den drei Religionen mehr als die andere loben dürfe, damit Saladin seinen Zweck nicht erreiche. Da es auf eine schnelle Antwort ankam, wodurch er sich keine Blöße gäbe, so kam ihm auf der Stelle sein Scharfsinn zu rechter Zeit zustatten, und er sagte: „Herr, Ihr habt mir da eine wichtige Frage vorgelegt, um Euch aber zu sagen, wie ich darüber denke, so bitte ich Euch, vorher eine kleine Geschichte von mir anzuhören. Wenn ich nicht irre, so hat man mir oft erzählt, dass einst ein reicher, vornehmer Mann war, der unter anderen kostbaren Kleinoden, die sich in seinem Besitze befanden, einen sehr schönen und köstlichen Ring besaß, den er wegen seines Wertes und seiner Schönheit besonders in Ehren gehalten wissen und ihn auf immer seiner Nachkommenschaft erhalten wollte, und darum befahl er, dass derjenige unter seinen Söhnen, dem er diesen Ring hinterlassen würde, als sein Erbe angesehen werden sollte, und alle seine anderen Brüder sollten ihn als das Haupt der Familie ehren und hochachten. Derjenige, der den Ring erbte, beobachtete gegen seine Nachkommen dasselbe Verfahren und folgte dem Beispiele seines Ahnherrn. So ward der Ring vom Vater auf den Sohn durch viele Geschlechter vererbt, bis ihn endlich einer bekam, der drei liebenswürdige und tugendhafte Söhne hatte, welche dem Vater alle gleich gehorsam waren und deswegen alle drei von ihm gleich geliebt wurden. Die Jünglinge wussten, was es mit dem Ringe auf sich hatte. Jeder wünschte, vor den anderen ausgezeichnet zu sein. Sie strebten um die Wette, den Ring zu bekommen, und jeder von ihnen bat den Vater, der schon alt war, ihm nach seinem Tode den Ring zu vermachen. Der gute Vater, der seine Söhne gleich lieb hatte und selbst keine Wahl unter ihnen zu treffen wusste, versprach einem jeden, ihm den Ring zu geben, und ersann ein Mittel, sie alle drei zufriedenzustellen. Er ließ deswegen bei einem geschickten Meister heimlich zwei andere Ringe machen, die dem ersten so völlig glichen, dass er selbst, der sie hatte anfertigen lassen, kaum imstande war, den echten von den unechten zu unterscheiden. Auf seinem Sterbebette gab er jedem seiner Söhne insgeheim einen von den drei Ringen. Nach seinem Tode wollte nun jeder von den Söhnen der Erbe sein und den Vorrang vor seinen Brüdern behaupten. Um diesen den anderen streitig zu machen, zog ein jeder, dem hergebrachten Brauche gemäß, seinen Ring hervor. Da war aber ein Ring dem anderen so ähnlich, dass es nicht möglich war, den echten zu erkennen, und die Frage, wer der rechte Erbe des Vaters wäre, blieb unentschieden, und bleibt unentschieden bis auf diesen Tag und alle Tage. Und eben dieses sage ich Euch, Herr, von den drei Religionen, die Gott der Vater den drei Völkern gegeben hat, wegen welcher Ihr mich befragt. Ein jedes glaubt, sein Erbteil, seine Lehre und seine Gesetze unmittelbar von ihm empfangen zu haben. Von welchem unter ihnen aber sich dieses mit Wahrheit behaupten lasse, das bleibt (wie bei den drei Ringen) noch dahingestellt.“

      Saladin sah wohl ein, dass der Jude sich gut aus der Schlinge


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