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Das Dekameron. Giovanni BoccaccioЧитать онлайн книгу.

Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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ihr Abschied.

      So ward die Dame, weil sie sich nicht vorsah, mit wem sie scherzte, besiegt, indem sie zu siegen meinte. Liebe Mädchen, wenn ihr gescheit seid, hütet ihr euch, Pfeile der Bosheit abzusenden, die ihre Spitzen gegen euch kehren könnten.

      Die Sonne neigte sich schon zum Untergange, und die Hitze hatte sich ziemlich gelegt, als die Erzählungen der jungen Damen und der drei Kavaliere zu Ende waren. Darum sagte die Königin voller Anmut: „Jetzt, meine lieben Gespielinnen, bleibt mir als Regentin für den heutigen Tag nichts mehr übrig, als euch eine neue Königin zu geben, die nach ihrem Belieben für den morgigen Tag alles so anordnet, dass sie und wir alle uns wieder auf eine geziemende Weise vergnügen; und obwohl uns, wie es scheint, bis zum Schlafengehen noch ziemlich viel Zeit bleibt, so denke ich doch, wer sich nicht mit Muße vorbereitet, der kann nicht alles mit Bequemlichkeit für den folgenden Tag beschicken; damit nun alles, was die neue Königin für den morgigen Tag für nötig erachtet, zu rechter Zeit angeschafft werden könne, so sollten wir (deucht mich) in der Folge beständig um diese Zeit unsere neue Tagesordnung anfangen. Demnach soll zur Ehre dessen, durch den alles lebt, was ist, und zu unserem gemeinschaftlichen Besten die verständige Filomena am kommenden zweiten Tage als unsere Königin das Regiment führen.“

      Mit diesen Worten stand sie auf, nahm den Lorbeerkranz von ihrem Kopfe und setzte ihn Filomenen mit Ehrerbietung auf, indem sie zuerst, und hernach alle übrigen Mädchen und Jünglinge, sie als Königin begrüßten und sich ihrer Herrschaft fröhlich unterwarfen. Filomena errötete anfänglich ein wenig über ihre königliche Bekrönung, erinnerte sich aber an die Worte, die Pampinea erst kürzlich geredet hatte, und um nicht einfältig zu erscheinen, fasste sie sich wieder, bestätigte zuerst jedermann in den Ämtern, die ihnen Pampinea angewiesen hatte, verordnete demnächst alles, was zum morgigen Mittag- und Abendessen an demselben Orte, wo sie sich befanden, zugerichtet werden sollte und hielt alsdann folgende Anrede:

      „Liebste Gespielinnen, obwohl Pampinea mich zu eurer Königin ernannt hat, mehr aus Artigkeit, als wegen meiner Verdienste, so bin ich nicht willens, in der Wahl unseres Zeitvertreibs bloß meinem eigenen Urteil zu folgen, sondern mich mit euch allen zu beraten. Und damit ihr meine Meinung wisset und nach eurem Belieben das Eurige hinzusetzen oder verändern könnt, so will ich euch in wenigen Worten meinen Entwurf mitteilen: Wenn ich von Pampineas heutigen Einrichtungen recht urteile, so habe ich sie in allen Stücken löblich und angenehm gefunden, und deswegen wünsche ich auch nichts daran zu ändern, solange ihre Fortsetzung uns nicht durch die lange Dauer, oder sonst aus einem anderen Grunde, Langeweile macht. Sobald wir demnach alles Angefangene völlig angeordnet haben, wollen wir uns auf eine kurze Zeit von hier entfernen, um uns die Zeit zu verkürzen, und gegen Sonnenuntergang essen wir hier zu Nacht. Wenn wir nach der Tafel einige Lieder gesungen und uns sonst belustigt haben, wird es Zeit sein, schlafen zu gehen. Morgen stehen wir dann zeitig auf und wählen uns einen Ort, wo wir uns, ein jeder nach seinem Belieben, ergötzen können. Um die gewöhnliche Stunde kehren wir, wie heute, zurück zum Mittagessen; nach dem Tanz und der Mittagsruhe versammeln wir uns hier wieder zum Erzählen, das meiner Meinung nach das meiste Vergnügen und zugleich Nutzen gewährt. Eine Einrichtung wünsche ich noch dabei zu machen, an die Pampinea nicht Zeit hatte zu denken, weil sie erst spät zur Regierung erwählt ward, nämlich unseren Erzählungen einen gewissen Zweck zu geben und euch ihr Thema vorher aufzugeben, damit ein jeder sich anschicken könne, eine dem Gegenstande angemessene hübsche Geschichte zu erzählen. Da nun die Menschen von Anbeginn der Welt her mancherlei Glückswechseln unterworfen gewesen sind und bis ans Ende der Welt unterworfen sein werden, so soll morgen ein jeder eine Geschichte von solchen Personen erzählen, die von mancherlei Unglücksfällen angefochten worden und wider alle Hoffnung glücklich durchgekommen sind.“ Die Damen und Herren bezeigten ihre Zufriedenheit mit dieser Einrichtung und versprachen, ihr Folge zu leisten. Dioneo allein sagte, wie alle anderen bereits schwiegen: „Madonna, ich finde so wie alle Übrigen die Einrichtung ganz gut und angenehm, die Ihr getroffen habt; allein ich muss Euch bitten, mir aus besonderer Gefälligkeit eine Erlaubnis zu geben, die sich auf die ganze Zeit unserer gesellschaftlichen Vereinigung erstreckt, nämlich, dass ich dem Gesetze nicht mit unterworfen sei, mich an den aufgegebenen Gegenstand zu binden, wenn es mir nicht selbst gefällt, sondern zu erzählen, was ich will. Und damit niemand glaube, dass ich um diese Nachsicht bitte, weil es mir etwa an Geschichten gebräche, so bin ich zufrieden, künftig immer der Letzte im Erzählen zu sein.“

      Die Königin, welche ihn als einen munteren und aufgeweckten Kopf kannte, sah wohl ein, dass er diese Bitte aus keiner anderen Ursache vorbrachte, als um die Gesellschaft, wenn sie der Einförmigkeit der Erzählungen etwa müde würde, durch eine lustige Geschichte aufzuheitern, und gab ihm gern, mit Bewilligung der anderen, die erbetene Erlaubnis. Hierauf wandelten die Mädchen mit langsamen Schritten durch ein schattiges Tal zwischen schroffen Felsen und blumigen Matten zu einem kristallhellen Bache, der sich von einem Hügel herabstürzte. Hier plätscherten sie mit entblößten Armen und Füßen im Wasser und schäkerten miteinander auf mancherlei Art. Als die Abendstunde kam, kehrten sie nach dem Palaste zurück und hielten mit Vergnügen ihre Abendmahlzeit. Wie nach dem Essen die Instrumente gebracht wurden, befahl die Königin Lauretta, einen Tanz anzuführen, und Emilia, ein Lied, von Dioneo mit der Laute begleitet, dazu zu singen. Lauretta begann augenblicklich den Tanz anzuführen, zu welchem Emilia mit innigem Ausdruck folgendes Lied sang:

      So sehr kann meine Schönheit mich entzücken,

      dass keine and‘re Liebe

      imstande ist, mich jemals zu beglücken.

      Ich find in ihr, sooft ich mich betrachte,

      für meinen Geist den Grund im höchsten Glücke.

      Nichts Neues reizt mich, dass ich‘s höher achte;

      kein Bild der Vorzeit denk‘ ich mir zurücke,

      das diesen Eindruck bei mir schwächer machte.

      Und welche neue Liebe

      vermöcht‘ es denn, mich jemals zu beglücken?

      Sie flieht mich nie, sooft ich auch begehre,

      durch ihren Anblick mein Gemüt zu laben,

      und welche Freude sie mir auch gewähre,

      das zu beschreiben, kann nicht Worte haben,

      kann nicht empfinden, was er selbst entbehre,

      wen nicht (wie mich) die Liebe

      zu seinem eig‘nen Bilde kann beglücken.

      Und ich, die ich mich stündlich mehr entzünde,

      je mehr ich auf mein Bild die Blicke hefte,

      ich gebe mich ihm gänzlich hin und finde

      auf dieser Welt kein seliger Geschäfte,

      weil ich das Vorgefühl damit verbinde,

      es werd‘ einst dieser Liebe

      mit nie empfund‘ner Wonne mich beglücken.

      Als dies Tanzlied geendigt war, in das alle mit vieler Fröhlichkeit eingestimmt hatten, obwohl die Worte des Liedes manchen Anlass zum Nachdenken gaben, wurden noch einige Reihen getanzt, und wie bereits ein Teil der kurzen Nacht vergangen war, gefiel es der Königin, den ersten Tag zu beschließen. Sie ließ demnach die Fakkeln anzünden und empfahl einem jeden, sich bis zum folgenden Morgen zur Ruhe zu begeben. Dies geschah, wie sie wünschte, und jeder ging in sein Zimmer.

      Es schließt der erste Tag des Dekameron.

       ES BEGINNT DER ZWEITE TAG DES DEKAMERON

      Es wird unter Filomenas Regierung von solchen Personen erzählt, die von mancherlei Unglücksfällen angefochten wurden und sie dennoch wider alle Hoffnung überstanden.

      Schon hatte die Sonne überall den neuen Tag mit ihrem Strahl verbreitet, und die Vögel des grünen Hains verkündeten ihn dem Ohr durch ihren süßen Gesang, als die Mädchen alle und die drei Jünglinge sich ebenfalls


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