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Das Dekameron. Giovanni BoccaccioЧитать онлайн книгу.

Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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so wie wir Männer oft in unseren Wünschen ausschweifen, auch ihr, meine lieben Damen, euch in einem gewissen Stücke zu weit vergeht, indem ihr so sehr nach Schönheit trachtet, dass ihr euch nicht einmal mit der begnügt, die euch die Natur verliehen hat, sondern sie noch durch die ausgesuchtesten Künste zu erhöhen sucht, so will ich euch erzählen, wie unglücklich einst eine schöne Sarazenin ward, indem ihre leidige Schönheit sie in einer Zeit von vier Jahren neunmal einem neuen Besitzer in die Arme warf.

      Vor geraumer Zeit herrschte in Babylon ein Sultan namens Beminedab, dem in seinen Tagen manches nach Wunsch gelang. Er hatte viele Söhne und Töchter, unter anderen auch eine Tochter namens Alatiel, die nach dem Zeugnis aller, die sie gesehen hatten, damals die schönste Frau der Welt war. Und weil in einer großen Schlacht, die er einst einem großen Heer Araber liefern musste, das ihn überfallen hatte, der König von Algarbien ihm sehr beistand, so hatte er sie diesem auf seine besondere Bitte zur Gemahlin versprochen. Er ließ sie demnach mit einem stattlichen Gefolge von Damen und Herren und mit vielen reichen und köstlichen Gerätschaften versehen, ein wohl ausgerüstetes und wohl bewaffnetes Schiff besteigen und empfahl sie Gott, indem er sie ihrem Gemahl sandte. Mit dem ersten günstigen Winde zogen die Schiffsleute die Segel auf und stachen aus dem Hafen von Alessandria in See, fuhren auch einige Tage mit gutem Wetter und waren schon an Sardinien vorbeigesegelt, sodass sie glaubten, dem Ziele ihrer Reise bald sehr nahe zu kommen, als plötzlich an einem Tage verschiedene Windsbräute aufsprangen, die mit solch unglaublichem Ungestüm das Schiff hin und her warfen, dass die Dame und selbst die Seeleute mehr als einmal fürchteten, zugrunde zu gehen. Sie arbeiteten jedoch, als gute Seefahrer, mit Kunst und Kraft zwei Tage lang den wütenden Wogen entgegen. Wie seit dem Anfange des Sturmes schon die dritte Nacht anbrach und das Ungewitter noch nicht nachließ, sondern immer heftiger ward, sie weder wussten noch durch Beobachtung oder Berechnung ausfindig machen konnten, wo sie waren, weil die Wolken und die Nacht den Himmel in tiefste Finsternis begruben, stieß plötzlich ihr Schiff – es musste in der Gegend von Majolika gewesen sein – auf Grund. Da sie nun kein Mittel sahen, das Schiff zu retten, und jeder nur trachtete, sein eigenes Leben davonzubringen, setzten sie das Rettungsboot aus. Die Schiffsherren, die sich diesem lieber als dem lecken Schiffe anvertrauen wollten, sprangen zuerst hinein, und ihnen folgten in der größten Eile die übrigen Schiffsleute, einer nach dem anderen bis auf den letzten Mann, obwohl die Ersten, die sich eingeschifft hatten, es ihnen mit Säbeln und Messern zu verwehren suchten, und sprangen solchergestalt dem Tode in den Rachen, dem sie zu entgehen suchten. Denn weil das Boot bei so schwerem Wetter nicht so viele Menschen tragen konnte, so schlug es um, und alle ertranken. Das Schiff, das sehr leck und fast schon halb voll Wasser war und auf dem sich keine Seele mehr befand außer der Prinzessin und ihren Frauen, die, von dem Ungestüm des Meeres und von der Furcht betäubt, wie leblos umherlagen, ward von den Wellen emporgehoben und lief an einem Ufer der Insel Majolika mit solcher Gewalt auf den Strand, dass es einen Steinwurf vom Lande ganz fest im Sande stecken blieb und, von Wind und Wellen bekämpft, die ganze Nacht hindurch unbeweglich stand. Als der Tag anbrach und der Sturm sich ein wenig legte, richtete die Dame, die fast halbtot war, ihr Haupt auf und fing an, mit schwacher Stimme bald diesen, bald jenen von ihren Leuten zu rufen. Allein sie rief umsonst, die Gerufenen waren leider zu weit entfernt. Da ihr niemand antwortete und niemand kam, richtete sie sich auf, so gut sie konnte, und sah ihre eigenen und die übrigen Frauen, die mit ihr gekommen waren, auf dem Verdeck liegen. Und wie sich nach langem Rufen erst diese, dann eine andere bewegte, fand sie nur wenige, in denen noch einiges Leben war. Die meisten waren vor Seekrankheit und vor Angst gestorben, worüber sich die Prinzessin noch mehr entsetzte.

      Weil sie sich aber von den Übrigen verlassen fand und nicht wusste, wo sie war, so zwang sie die Not, diejenigen, in denen noch einiges Leben zu sein schien, so lange zu rütteln, bis sie sie auf die Beine brachte. Da ihr nun diese auch nicht zu sagen wussten, wohin die Mannschaft gekommen war, und sie fand, dass das Schiff ganz voll Wasser auf dem Strande saß, so fing sie mit ihren Frauen bitterlich zu weinen an. Schon kam die neunte Stunde heran, und noch hatte sich weder nahe am Ufer noch in der Ferne ein Mensch sehen lassen, von dem sie sich Mitleid oder Hilfe versprechen konnten. Endlich kam um die neunte Stunde ein Edelmann namens Pericone da Visalgo mit verschiedenen seiner Diener zu Pferde auf dem Rückweg von einem seiner Landgüter vorbei, der das Schiff gewahr wurde und gleich erriet, wie es darum stände. Unverzüglich befahl er einem seiner Diener, womöglich an Bord zu gehen und ihm Nachricht zu bringen, wer sich auf dem Wrack befände. Dem Diener gelang es mit Mühe, hinaufzukommen, und er fand die Schöne mit ihren wenigen Gefährtinnen, die sich unter dem Verdeck verborgen hatten. Als sie ihn sahen, fingen sie an zu weinen und ihn um Barmherzigkeit zu bitten. Sie merkten bald, dass er ihre Worte nicht verstand, und versuchten durch Gebärden, ihm ihre Not zu klagen. Der Diener bestrebte sich, nachdem er alles in Augenschein genommen, seinem Herrn genaue Nachricht zu geben, wie er alles auf dem Schiffe vorgefunden hatte. Als dieser die Frauen und sonst das Wertvollste, soweit man es erreichen konnte, von Bord hatte holen lassen, begab er sich mit ihnen nach einem seiner Schlösser, wo er ihnen Speisen und Erquickung reichen ließ, und an dem köstlichen Gerät sowie an der Ehrerbietung, welche die übrigen Frauen der Alatiel bewiesen, bald erkannte, dass sie eine Person von vornehmem Stande sein musste. So blass und abgespannt sie auch von dem Ungemach, das sie auf der See ausgestanden hatte, war, so fand Pericone dennoch ihre Gestalt außerordentlich schön und ward in seinen Gedanken schon mit sich einig, sie zur Gemahlin zu nehmen, wenn sie noch unverheiratet wäre, oder, wenn das nicht anginge, sie zu seiner Geliebten zu machen. Dieser Pericone war ein Mann von wildem Aussehen und starkem Gliederbau. Nachdem er nun die Dame eine Zeitlang aufs Beste hatte bedienen lassen und sie, als ihre Kräfte völlig wiederhergestellt waren, über alle Begriffe schön fand, war es ihm sehr peinlich, dass er sie weder verstehen, noch sich ihr verständlich machen, und folglich nicht erfahren konnte, wer sie war. Weil er sich aber nichtsdestoweniger ganz von ihrer Schönheit hingerissen fühlte, so gab er sich alle Mühe, sie durch ein gefälliges und liebkosendes Betragen zu bewegen, sich ihm ohne Widerstand zu ergeben. Allein es war alles umsonst, und sie versagte ihm durchaus jede Vertraulichkeit, wodurch indessen seine Begierden nur noch mehr erregt wurden. Wie sie dieses bemerkte und nach einem Aufenthalt von mehreren Tagen aus manchen Gebräuchen, die sie beobachtet hatte, schloss, dass sie sich unter Christen befände, in einem Lande, wo es ihr nichts helfen würde, wenn sie auch Mittel fände, sich jemandem zu entdecken, und wie sie glaubte, dass sie am Ende, sei es aus Zwang oder aus Liebe, dahin würde gebracht werden, den Wünschen des Pericone nachzugeben, so fasste sie den heldenmütigen Entschluss, ihrem harten Schicksal mutig die Stirne zu bieten. Sie empfahl demnach ihren Frauen, deren ihr nur noch drei übrig geblieben waren, keinem Menschen zu offenbaren, wer sie wären, wenn sie nicht etwa an einen Ort kommen sollten, wo sie sich ganz gewiss Hilfe versprechen könnten, um ihre Befreiung zu erwirken. Zugleich empfahl sie ihnen aufs Angelegentlichste, ihre Keuschheit zu bewahren, und versicherte, dass sie selbst sich gewiss keinem Menschen, außer ihrem rechtmäßigen Gemahl, überlassen würde. Die guten Frauen lobten ihren Entschluss und versprachen, ihren Befehlen zu folgen, so gut sie könnten.

      Pericone, dessen Leidenschaft immer stärker aufflammte, und zwar desto mehr, da er ihren Gegenstand täglich vor Augen hatte und ihn immer widerspenstiger fand, entschloss sich, weil er sah, dass er durch Bitten nichts ausrichten konnte, List und Kunst zu versuchen, und wenn auch diese nicht helfen wollten, am Ende Gewalt zu gebrauchen. Als er einst bemerkte, dass die Dame den Wein liebte, den sie nicht gewohnt war, weil ihre Religion seinen Genuss untersagte, so nahm er sich vor, sie durch diesen Kuppler der Venus zu fangen. Er stellte sich, als ob er nicht mehr nach dem trachte, was sie ihm so hartnäckig verweigerte, und veranstaltete an einem Abend ein herrliches Gastmahl, bei dem auch die Dame erschien, und wie es dabei auf mancherlei Art sehr fröhlich herging, befahl er dem Schenken, der sie bediente, ihr verschiedene Weine durcheinander gemischt zu trinken zu geben. Dieser richtete es auch sehr geschickt ein, und weil sie nichts davon argwöhnte, so nahm sie, durch den Wohlgeschmack verführt, mehr davon zu sich, als ihrer Sittsamkeit zuträglich war. Sie vergaß darüber all ihre Trübsal und wurde ganz ausgelassen, und wie sie einige Weiber nach majolikanischer Weise tanzen sah, fing sie auch an, auf alexandrinisch zu tanzen. Als Pericone dies sah, glaubte er dem Ziele seiner Wünsche nähergekommen zu sein. Er verlängerte die Abendmahlzeit bis tief in die Nacht. Nach aufgehobener Tafel führte er sie in eine Kammer. Vom Wein berauscht und erhitzt, begann sie sich hemmungslos vor Pericone auszuziehen, als wäre er eines ihrer Kammermädchen, und legte


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