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Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих ШиллерЧитать онлайн книгу.

Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays - Фридрих Шиллер


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(die an sich selbst bei weitem zu schwach sind, um einen so wichtigen Schritt zu motivieren) nur selbst zu hintergehen sucht – weil er sich die eigentliche Ursache nicht zu gestehen wagt. Einen weit wahreren Aufschluß über den damaligen Zustand seines Gemüths gibt eine andere Stelle, woraus deutlich erhellt, daß es Augenblicke müsse gegeben haben, in denen er mit sich zu Rathe ging, ob er seinen Freund nicht geradezu aufopfern sollte? Es stand bei mir, sagt er zu der Königin,

      »– einen neuen Morgen

       »Herauszuführen über diese Reiche.

       »Der König schenkte mir sein Herz. Er nannte

       »Mich seinen Sohn. Ich führe seine Siegel,

       »Und seine Alba sind nicht mehr« u. s. f.

      »Doch geb’ ich

       »Den König auf. In diesem starren Boden

       »Blüht keine meiner Rosen mehr. Das waren

       »Nur Gaukelspiele kindischer Vernunft,

       »Vom reifen Manne schamroth widerrufen.

       Den nahen hoffnungsvollen Lenz sollt’ ich

       Vertilgen, einen lauen Sonnenblick

       »Im Norden zu erkünsteln? Eines müden

       »Tyrannen letzten Ruthenstreich zu mildern,

       »Die große Freiheit des Jahrhunderts wagen?

       »Elender Ruhm! Ich mag ihn nicht. Europens

       »Verhängniß reift in meinem großen Freunde.

       »Auf ihn verweis’ ich Spanien. Doch wehe!

       »Weh mir und ihm, wenn ich bereuen sollte!

       »Wenn ich das Schlimmere gewählt! Wenn ich

       »Den großen Wink der Vorsicht mißverstanden,

       »Der mich, nicht ihn, auf diesem Thron gewollt.« –

      Also hat er doch gewählt, und um zu wählen, mußte er also ja den Gegensatz sich als möglich gedacht haben. Aus allen diesen angeführten Fällen erkennt man offenbar, daß das Interesse der Freundschaft einem höheren nachsteht, und daß ihr nur durch dieses letztere ihre Richtung bestimmt wird. Niemand im ganzen Stück hat dieses Verhältniß zwischen beiden Freunden richtiger beurtheilt als Philipp selbst, von dem es auch am ersten zu erwarten war. Im Munde dieses Menschenkenners legte ich meine Apologie und mein eignes Urtheil von dem Helden des Stückes nieder, und mit seinen Worten möge denn auch diese Untersuchung beschlossen werden.

      »Und wem bracht’ er dies Opfer?

       »Dem Knaben, meinem Sohne? Nimmermehr,

       »Ich glaub’ es nicht. Für einen Knaben stirbt

       »Ein Posa nicht. Der Freundschaft arme Flamme

       »Füllt eines Posa Herz nicht aus. Das schlug

       »Der ganzen Menschheit. Seine Neigung war

       »Die Welt mit allen kommenden Geschlechtern.«

       Inhaltsverzeichnis

      Aber, werden Sie sagen, wozu diese ganze Untersuchung? Gleichviel, ob es unfreiwilliger Zug des Herzens, Harmonie der Charaktere, wechselseitige persönliche Nothwendigkeit für einander, oder von außen hinzugekommene Verhältnisse und freie Wahl gewesen, was das Band der Freundschaft zwischen diesen Beiden geknüpft hat – die Wirkungen bleiben dieselben, und im Gange des Stückes selbst wird dadurch nichts verändert. Wozu daher diese weit ausgeholte Mühe, den Leser aus einem Irrthum zu reißen, der ihm vielleicht angenehmer als die Wahrheit ist? Wie würde es um den Reiz der meisten moralischen Erscheinungen stehen, wenn man jedesmal in die innerste Tiefe des Menschenherzens hineinleuchten und sie gleichsam werden sehen müßte? Genug für uns, daß alles, was Marquis Posa liebt, in dem Prinzen versammelt ist, durch ihn repräsentiert wird, oder wenigstens durch ihn allein zu erhalten steht, daß er dieses zufällige, bedingte, seinem Freund nur geliehene Interesse mit dem Wesen desselben zuletzt unzertrennlich zusammenfaßt, und daß alles, was er für ihn empfindet, sich in einer persönlichen Neigung äußert. Wir genießen dann die reine Schönheit dieses Freundschaftsgemäldes als ein einfaches moralisches Element, unbekümmert, in wie viel Theile es auch der Philosoph noch zergliedern mag.

      Wie aber, wenn die Berichtigung dieses Unterschieds für das ganze Stück wichtig wäre? – Wird nämlich das letzte Ziel von Posas Bestrebungen über den Prinzen hinaus gerückt, ist ihm dieser nur als Werkzeug zu einem höhern Zwecke so wichtig, befriedigt er durch seine Freundschaft für ihn einen andern Trieb, als nur diese Freundschaft, so kann dem Stücke selbst nicht wohl eine engere Grenze gesteckt sein – so muß der letzte Endzweck des Stückes mit dem Zwecke des Marquis wenigstens zusammenfallen. Das große Schicksal eines ganzen Staats, das Glück des menschlichen Geschlechts auf viele Generationen hinunter, worauf alle Bestrebungen des Marquis, wie wir gesehen haben, hinauslaufen, kann nicht wohl Episode zu einer Handlung sein, die den Ausgang einer Liebesgeschichte zum Zweck hat. Haben wir einander also über Posas Freundschaft mißverstanden, so fürchte ich, wir haben es auch über den letzten Zweck der ganzen Tragödie. Lassen Sie mich sie Ihnen aus diesem neuen Standpunkte zeigen; vielleicht, daß manche Mißverhältnisse, an denen Sie bisher Anstoß genommen, sich unter dieser neuen Ansicht verlieren.

      Und was wäre also die sogenannte Einheit des Stückes, wenn es Liebe nicht sein soll und Freundschaft nie sein konnte? Von jener handeln die drei ersten Akte, von dieser die zwei übrigen; aber keine von beiden beschäftigt das Ganze. Die Freundschaft opfert sich auf, und die Liebe wird aufgeopfert; aber weder diese, noch jene ist es, der dieses Opfer von der andern gebracht wird. Also muß noch etwas Drittes vorhanden sein, das verschieden ist von Freundschaft und Liebe, für welches beide gewirkt haben, und welchem beide aufgeopfert worden – und wenn das Stück eine Einheit hat, wo anders, als in diesem Dritten, könnte sie liegen?

      Rufen Sie sich, lieber Freund, eine gewisse Unterredung zurück, die über einen Lieblingsgegenstand unsers Jahrzehends – über Verbreitung reinerer sanfterer Humanität, über die höchstmögliche Freiheit der Individuen bei des Staats höchster Blüthe, kurz, über den vollendetsten Zustand der Menschheit, wie er in ihrer Natur und ihren Kräften als erreichbar angegeben liegt – unter uns lebhaft wurde und unsere Phantasie in einen der lieblichsten Träume entzückte, in denen das Herz so angenehm schwelgt. Wir schlossen damals mit dem romanhaften Wunsche, daß es dem Zufall, der wohl größere Wunder schon gethan, in dem nächsten Julianischen Cyklus gefallen möchte, unsre Gedankenreihe, unsere Träume und Ueberzeugungen, mit eben dieser Lebendigkeit und mit eben so gutem Willen befruchtet, in dem erstgebornen Sohn eines künftigen Beherrschers von — oder von — auf dieser oder der andern Hemisphäre wieder zu erwecken. Was bei einem ernsthaften Gespräche bloßes Spielwerk war, dürfte sich, wie mir vorkam, bei einem solchen Spielwerk, als die Tragödie ist, zu der Würde des Ernstes und der Wahrheit erheben lassen. Was ist der Phantasie nicht möglich? Was ist einem Dichter nicht erlaubt? Unsere Unterredung war längst vergessen, als ich unterdessen die Bekanntschaft des Prinzen von Spanien machte; und bald merkte ich diesem geistvollen Jüngling an, daß er wohl gar Derjenige sein dürfte, mit dem wir unsern Entwurf zur Ausführung bringen könnten. Gedacht, gethan! Alles fand ich mir, wie durch einen dienstbaren Geist, dabei in die Hände gearbeitet; Freiheitssinn mit Despotismus im Kampfe, die Fesseln der Dummheit zerbrochen, tausendjährige Vorurtheile erschüttert, eine Nation, die ihre Menschenrechte wieder fordert, republikanische Tugenden in Ausübung gebracht, hellere Begriffe im Umlauf, die Köpfe in Gährung, die Gemüther von einem begeisterten Interesse gehoben – und nun, um die glückliche Constellation zu vollenden, eine schön organisierte Jünglingsseele am Thron, in einsamer unangefochtener Blüthe unter Druck und Leiden hervorgegangen. Unglücklich – so machten wir aus – müßte der Königssohn sein, an dem wir unser Ideal in Erfüllung bringen wollten.

      »Sein Sie

       »Ein Mensch auf König Philipps Thron! Sie haben

       »Auch Leiden kennen lernen –«

      Aus


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