Gesammelte Werke. Henrik IbsenЧитать онлайн книгу.
sahst auch Du –?
Ejnar.
Was?
Agnes (ohne ihn anzusehen und die Stimme dämpfend, als ob sie in einer Kirche wäre.)
Wie er wuchs, indes er sprach!
(Sie geht den Berg hinab. Ejnar folgt ihr.)
Brand (wird oben auf dem Steig sichtbar, kommt ihn herab, bleibt aber mitten auf dem Wege an einem vorspringenden Felsstück stehen und blickt in die Tiefe nieder.)
Ja, ich kenn' mich wieder aus!
Boots- um Bootsplatz, Haus um Haus,
Bergrutschhügel, Birkenstände,
Alter Kirche braun Gewände,
Erlgebüsch zu Baches Seiten. –
Alles wie vor alten Zeiten!
Aber, glaub' ich, grauer doch,
Enger jede Mauer noch;
Und des Berges Schneedach hängt noch
Tiefer auf den kleinen Ort,
Schnitt dem armen Volk der Täler
Seinen Himmelsteil noch schmäler,
Drohet, lastet, schattet, – drängt noch,
Stiehlt noch mehr der Sonne fort.
(Setzt sich und sieht in die Ferne.)
War der Fjord auch dazumal
Schon so häßlich, eng und kahl?
Wie der Regen fegt! Da fliegt
Ein Raasegel breit zum Lande!
Dort ans Grau der Felswand liegt –
Hinter Boot und Steg im Sande –
Rotbraun ein Gehöft geschmiegt;
's ist der Witwe Hof am Strande.
Alter Hof! Du sahst mich jung!
Fülle der Erinnerung!
Dort, am Strand voll nackter Steine,
War mein Kinderherz alleine. –
Über mir liegt's dumpf und klamm,
Liegt's wie Last, in einem Stamm
Heim zu sein, des Geist die Erde
Suchte, statt, was aus uns werde.
Was ich Herrliches gewollt,
Nun wie ferner Donner rollt.
Mut und Macht war nur Gebärde,
Herz und Faust verzagt dem Stoß.
Hab' ich mich mir selbst verloren,
Zu viel Heimat aufbeschworen? –
So erwacht gezähmt, geschoren,
Simson in der Metze Schoß.
(Blickt wieder hinab in die Tiefe.)
Sieh, welch Leben und Begeben?
Überall aus Tür und Tor
Strömen Weiber, Männer vor.
Zwischen Erd- und Felsenhängen
Sieht man sich die Reihen drängen,
Bald bergab und bald empor; –
Und die Kirche scheint ihr Streben.
(Steht auf.)
O, wie Euch mein Blick durchdringt,
Schlaffe Seelen, schlaffe Sinne!
Eurem Vaterunser wohnt
Ja nur so viel Willen inne,
Ja nur so viel Ernst und Wahrheit,
Daß zu dem, der droben thront,
Mit des Klanges voller Klarheit
Nur die vierte Bitte klingt.
Die ist Eure Losung ja
Nun geworden und geblieben.
Als die einzige der sieben
Allen Herzen eingeschrieben,
Liegt sie nun, ein sturmvertrieben
Wrack des ganzen Glaubens da.
Fort! Es brütet wie der Fluch
Dumpfer Grabluft auf Euch allen!
Hier kann keiner Fahne Tuch
Frei vor frischen Winden wallen.
(Wendet sich zum Gehen; ein Stein fliegt von oben her und rollt den Steig herab, bis dicht vor seine Füße.)
Brand (ruft hinauf:)
Heda! Wer wirft da Steine?
(Gerd, ein Mädchen von fünfzehn Jahren, läuft oben auf dem Kamm, die Schürze voller Steine.)
Gerd. Ha!
Ich traf! Er schrie!
(Wirft abermals.)
Brand. Was machst Du da!
Gerd.
Dort wippt er sich in sichrer Rast
Auf einem windgebrochnen Ast!
(Wirft zum dritten Mal und schreit:)
Da kommt er wieder! Böses Tier!
Zu Hilfe! Hu! Er hackt nach mir!
Brand.
In Gottes –
Gerd. Pst! Wer bist Du dort?
Steh still, steh still; jetzt fliegt er fort.
Brand.
Wer?
Gerd. Sahst du nicht den Fürchterlichen!
Brand.
Nein, nichts.
Gerd. Den Habicht voller Wut,
Den Schopf flach in die Stirn gestrichen,
Die Augenränder rot wie Blut!
Brand.
Wo geht Dein Weg?
Gerd. Zur Kirche.
Brand. Nun,
Den können wir zusammentun.
Gerd.
Wir? Nein, ich muß hier aufwärts.
Brand (weist nach unten.) Ja, –
Die Kirche liegt doch da!
Gerd (sieht ihn höhnisch lächelnd an und weist hinab.)
Wo? Da?
Brand.
Nun freilich; komm nur!
Gerd. Nein, mir graut!
Brand.
Dir graut? Wovor?
Gerd. Die ist zu klein.
Brand.
Sahst Du schon größere gebaut?
Gerd.
Schon größere? Das muß wohl sein.
Leb' wohl!
(Steigt aufwärts.)
Brand. Geht dort Dein Kirchenpfad?
Der führt ja nach dem wilden Grat.
Gerd.
Die Kirche, Mann, zu der ich geh',
Ist auferbaut aus Eis und Schnee.
Brand.
Aus Eis und Schnee! Jetzt komm' ich drauf!
Vernahm ich doch von Kindheit auf,
Da drinnen bärg' der Gipfel Flucht
Die Wunder einer Gletscherschlucht,
Eiskirche, glaub' ich, zubenannt.
Davon erzählt man viel im Land.