Der Liebesschwur. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.
entfernt wurde. Aber Giseldas Hände waren zart, sie ging sehr vorsichtig vor. Auch hatte sie keinerlei Hemmungen, ihn als Mann zu behandeln. Gewöhnlich gab es keine weiblichen Krankenpfleger. Und schon oft hatte der Graf gedacht, daß die Verwundeten, die in die Kloster geschafft wurden, zu beneiden waren im Gegensatz zu denen, die von den rauhen Militär-Pflegern behandelt wurden.
„Wo hast du so viel Erfahrung gesammelt?“ fragte er das Mädchen.
„Ich habe viele Wunden verbinden müssen“, antwortete Giselda.
„In deiner Familie?“
Sie antwortete nicht, sondern zog das Laken über sein Bein. Dann schüttelte sie die Kissen auf.
Sie lächelte ihn eigenartig an und sagte dann: „Ich glaube, Mylord, wir sollten über interessantere Dinge sprechen. Ist Ihnen bekannt, daß der Duke of Wellington herkommen wird, um die neuen Festsäle zu eröffnen?“
„Der Duke!“ rief der Graf aus. „Wer hat dir das erzählt?“
„Die ganze Stadt spricht davon. Er war selbstverständlich schon vorher hier, jedoch nicht seit Waterloo. Die ganze Stadt wird ihm zu Ehren erleuchtet sein, und auf der Hauptstraße wird ein großer Triumphbogen für ihn errichtet werden.“
„Ich habe schon viele Triumphbögen gesehen“, sagte der Graf. „Aber ich würde gerne den Duke sehen.“
„Er wird in Colonel Riddells Haus wohnen. Das ist nicht weit von hier.“
„Dann wird er sicher hier auftauchen, um mich zu sehen“, sagte der Graf erfreut. „Ich nehme an, daß du auch gerne einmal den großen Helden treffen möchtest.“
Giselda wandte sich ab.
„Nein“, antwortete sie. „Ich habe nicht den Wunsch ... den Duke zu sehen.“
Erstaunt sah der Graf sie an.
„Nicht den Wunsch, den Duke zu sehen!“ wiederholte er ihre Worte. „Ich habe immer geglaubt, daß jede Frau in England Nacht für Nacht auf den Knien beten würde, daß sie dem Held ihrer Träume eines Tages gegenüberstehen dürfe. Warum machst du eine Ausnahme?“
Giselda antwortete nicht.
„Ich bin sicher, daß du auf eine einfache Frage eine einfache Antwort geben kannst.“ Die Stimme des Grafen klang erregt. „Ich frage dich, Giselda, warum willst du den Duke nicht sehen?“
„Soll ich sagen... daß ich meine Gründe dafür habe?“ antwortete Giselda.
„Eine so verdammt alberne Antwort habe ich noch nie in meinem Leben gehört“, schnaubte der Graf wütend. „Darf ich dich darauf aufmerksam machen, Giselda, daß es meiner Gesundheit absolut abträglich ist, wie ein dummes Kind behandelt zu werden, das die Wahrheit nicht vertragen kann. Was ist die Wahrheit, Giselda?“
„Ich glaube, das Dinner wird in einigen Minuten serviert werden, Mylord. Ich möchte gerne in mein Zimmer gehen und mir die Hände waschen, nachdem ich Ihr Bein behandelt habe.“
Bevor der Graf antworten konnte, hatte Giselda das Zimmer verlassen.
Zuerst sah er ihr einige Minuten wütend nach, dann jedoch mußte er lachen.
„Was ist denn nur ihr Geheimnis?“ fragte er laut. Dann öffnete sich die Tür, sein Kammerdiener trat ein.
„Hast du Neuigkeiten für mich, Batley?“
„Ich fürchte nicht, Mylord“, antwortete dieser. „Ich hatte eine kleine Unterhaltung mit der Haushälterin. Aber wie sie Ihnen schon berichtet hat, hat sie die junge Dame ohne jede Referenz eingestellt.“
Es entging dem Grafen nicht, daß Batley, der für seine gute Menschenkenntnis bekannt war, von Giselda als einer Dame sprach. Er kannte den Unterschied in Batleys Stimme, wenn er von einer Person oder einen jungen Frau sprach.
Aber das bestätigte nur seinen eigenen Eindruck. Es war auch interessant, daß Batley nichts dagegen zu haben schien, daß Giselda jetzt einen Teil seiner Pflichten übernommen hatte. Gewöhnlich war Batley sehr eifersüchtig, wenn irgendjemand sich zwischen ihn und seinen Herrn zu drängen schien. Umso erstaunlicher war es, daß Giselda ohne Widerstand akzeptiert wurde.
„Du mußt versuchen, etwas über sie zu erfahren, Batley“, sagte der Graf zu ihm. Und mit einem Zwinkern in den Augen fügte er hinzu: „Es sieht uns gar nicht ähnlich, daß wir irgendetwas nicht herausfinden sollten, was uns interessiert.“
Er erinnerte den Diener an ihre gemeinsame Zeit in Portugal, wo sie durch Betören der Frauen erfahren hatten, wo die Kaufleute den Wein versteckt hatten. Aber der Diener winkte ab und meinte, dies sei nicht zu vergleichen mit der jetzigen Situation.
Der Graf wußte, daß er sich auf Batley jederzeit verlassen konnte. Er hatte ihn schon immer gut beraten, wenn es galt, Menschen richtig einzuschätzen. Deshalb fragte er jetzt: „Was hältst du von unserer neuen Errungenschaft, Batley?“
„Wenn Sie von Miss Chart sprechen, Mylord“, erwiderte der Diener, „dann muß ich sagen, daß sie eine Lady ist. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Aber da ist irgendetwas, was sie verbirgt, Mylord, und das macht ihr große Sorgen. Ich verstehe jedoch nicht, warum.“
„Und gerade das müssen wir in Erfahrung bringen, Batley“, erwiderte der Graf.
Während er dies sagte, dachte er gleichzeitig, daß er sich auf das Essen mit Giselda freute, so sehr diese auch ihre Ablehnung gezeigt hatte.
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