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Vom glücklichen Leben. Lucius Annaeus SenecaЧитать онлайн книгу.

Vom glücklichen Leben - Lucius Annaeus  Seneca


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potentieller Verschwörer und Unschuldiger gefördert hatte. Die Hinrichtungswelle spiegelte Neros Maßlosigkeit wider. Ein Testament durfte Seneca nicht verfassen. Selbstmordgedanken hatten den Philosophen jedoch schon früh begleitet und waren auch Gegenstand seiner Schriften, besonders der Briefe an Lucilius.

      Der Befehl zum Selbstmord erreichte Seneca beim Abendessen in seinem Landhaus vor Rom. Nach dem Vorbild von Platons Phaidon, der Schilderung von Sokrates’ Tod, stellte Tacitus den freiwilligen und würdigen Tod Senecas im Kreise von Freunden dar (Tac. Ann. 15,60), denen er, da er sie im Testament nicht bedenken durfte, das Einzige und Wertvollste hinterlassen wollte, was er besaß: ein Bild seines Lebens. Senecas zweite Frau Pompeia Paulina hatte die Absicht, mit ihm zusammen zu sterben. Beide ließen sich die Pulsadern aufschneiden, Seneca dann auch noch die Adern an Fersen und Kniekehlen, wobei Paulina in ein anderes Zimmer gebracht und später auf Neros Befehl hin am Sterben gehindert wurde. Senecas Abschiedsrede wurde von seinen Freunden aufgeschrieben und veröffentlicht, ist aber leider nicht erhalten. Da der Tod nicht eintreten wollte, ließ sich Seneca schließlich noch einen Giftbecher verabreichen und stieg in ein heißes Bad, um den Blutkreislauf zu beschleunigen. Am Ende erstickten ihn Neros Soldaten. So sehr Senecas Lebensführung bisweilen von seinen ethischen Forderungen abgewichen war, so sehr stellte doch sein Tod in Tacitus’ Überlieferung eine Bekräftigung seiner eigenen Philosophie dar. Für das Verständnis und den heutigen Wert der Philosophie Senecas ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ideal und Wirklichkeit allerdings zweitrangig.

      Senecas philosophische Leistung besteht vor allem in der praktischen Darlegung der stoischen Ethik anhand konkreter Lebensfragen und Lebenslagen. Wegen seiner unprätentiösen Sprache, seiner Konzentration auf den philosophischen Teilbereich Ethik und seiner Praxisnähe wurde ihm der Rang eines Philosophen bisweilen auch abgesprochen. Nach seinem Verständnis jedoch bezieht die Philosophie ihren Wert aus dem Nutzen, den sie den Menschen zu bieten hat (vgl. z.B. Ad Lucilium 16,4), sodass zwischen seinem Interessenschwerpunkt und dem Rang eines Philosophen kein Widerspruch besteht.

      Senecas philosophische Schule, die Stoa, entstand um 300 v. Chr. in Athen und existierte neben Platons Akademie, Aristoteles’ Schule Peripatos, den Kynikern und der Schule Epikurs. Ihr Begründer war Zenon von Kition aus Zypern. Benannt ist sie nach der Stoa poikile, einer Wandelhalle in Athen, in welcher der Unterricht stattfand. Sie geht auf drei Wurzeln zurück: Sokrates, Heraklits Logos-Lehre und die Güterlehre der Kyniker. Die Stoiker teilten die Philosophie in drei Teildisziplinen, die bildhaft entweder durch einen Garten ausgedrückt wurden – dabei bildete die Logik (Erkenntnislehre) die Mauer des Gartens, die Physik (Natur- bzw. Welterklärung) entsprach den Bäumen des Gartens und die Ethik (etwa: Verhaltenslehre) den Früchten an den Bäumen – oder durch das Bild eines Tieres, dessen Knochen und Sehnen der Logik entsprachen, das Fleisch der Ethik und die Seele der Physik. Über den inneren Zusammenhang der Teildisziplinen wurde bei den Stoikern diskutiert, doch im Idealfall sollten sich die Thesen der jeweils nächsten Teildisziplin aus denen der vorigen logisch ergeben und die beiden erstgenannten der Ethik dienen.1 Zur Logik gehören Dialektik, Rhetorik, Poetik, Grammatik und vor allem die Erkenntnistheorie. Der Dialektik kam dabei die Aufgabe zu, durch vernünftige Beweisführung Erkenntnisse herbeizuführen und Irrtümer auszuschalten. Eine wichtige Rolle spielt auch die Grammatik, da die Stoiker der Sprache eine enorme Bedeutung beimaßen und eine eigene Aussagelogik entwickelten.

      Zeitlich unterscheidet man nach den Schulvorstehern und den prägenden Philosophen die Ältere (um 300 – um 130), die Mittlere (um 130 – um 50 v. Chr.) und die Jüngere Stoa (1. und 2. Jh. n. Chr.).

      Im 2. Jh. v. Chr. hielt mit der militärischen Eroberung Griechenlands durch die Römer und der kulturellen Eroberung Roms durch die Griechen die Stoa ihren Einzug in Rom. Dabei wurden einige Schärfen und Extreme der griechischen Version dieser Lehre gemildert. So gab es nun außer den guten und schlechten Faktoren auch noch gleichgültige. Eine besondere Rolle bei der Vermittlung der Stoa nach Rom spielten Panaitios von Rhodos (geb. 185 in Lindos, gest. 109 in Athen) und Poseidonios (geb. um 135 in Apameia, gest. um 51 auf Rhodos). Entsprechend der praktischen Art der Römer interessierten sie sich auch bei der Stoa vor allem für die richtige Lebensweise mit dem Ziel eines glücklichen Lebens, was sich im Schwerpunkt von Senecas Schriften deutlich zeigt, ebenso bei dem anderen römischen Stoiker, Kaiser Marc Aurel. Die Aufnahme der Stoa in der römischen Welt wurde erleichtert durch die Übereinstimmung ihrer ethischen Vorschriften mit vielen altrömischen Tugenden (constantia – Beständigkeit, continentia – Mäßigkeit, dignitas – Würde, pietas – Pflichtbewusstsein, virtus – Tapferkeit), durch die Zustimmung zur vita activa im Staat sowie durch ausgeprägten Ordnungssinn und die naturrechtlichen Vorstellungen.

      Die zentralen Einsichten der stoischen Philosophie, die auch Senecas Aussagen in den vorliegenden Texten zugrunde liegen, lassen sich so zusammenfassen:

       Die menschliche Seele ist unsterblich und am Anfang bei Gott, zu dem sie am Ende des Lebens zurückkehrt.

       Die Seele ist sowohl rational als auch materiell und durchdringt den Körper vollständig.

       Zur Stoa gehört daher auch ein umfassender Humanitätsbegriff, der die Gleichheit aller Menschen als Träger der Seele mit einem Anteil an der göttlichen Weltseele definiert.

       Bei Seneca ergibt sich daraus die grundsätzliche Gleichstellung von Freien und Sklaven. Nicht übertragen wird die Idee auf Frauen; was sie betrifft, bewegt sich Senecas Geringschätzung stattdessen ganz im Geist der Zeit: Er bezeichnet Frauen als ein »an sich verstandesloses Geschöpf, und wenn ihr nicht Kenntnisse zugeführt werden und ihre Bildung sorgsam gepflegt wird, nichts als ein wildes Tier, das seiner Begierden nicht Meister ist.« (Von der Unerschütterlichkeit des Weisen 14). Die einzigen greifbaren Ausnahmen bildeten für Seneca dabei Marcia und seine Mutter Helvia, an welche er Trostschriften richtet, ebenso seine Tante.

       Bei der Geburt ist die Seele ein unbeschriebenes Blatt (tabula rasa). Äußere Wahrnehmung prägt sich in sie ein wie in eine Wachstafel.

       Durch die Wahrnehmungen entstehen Vorstellungen, die von der Vernunft geprüft werden müssen. Wenn die Vernunft richtig prüft, stellen die als wahr erkannten Vorstellungen sicheres Wissen dar. Wenn die Prüfung durch die Vernunft nicht funktioniert, führt dies zu Begierden und Affekten.

       In der Stoa galt die Lehre vom logischen Schluss, ähnlich wie bei Aristoteles. Alles geht auf geschlossene Kausalketten zurück, auch soweit diese für die Menschen nicht erkennbar sind.

       Der Logos (Vernunft) regiert den lebendigen Kosmos (die Welt), die aus den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft besteht, die ständig ineinander übergehen. Der Kosmos ist sinnvoll, vollkommen und zweckmäßig.

       Er stammt aus dem Urfeuer, das nacheinander in die anderen Elemente verwandelt wird, und kehrt am Ende in dieses zurück und entsteht daraus neu.

       Um den Kosmos, ein in sich geschlossenes Ganzes, herum befindet sich ein unbegrenztes Vakuum.

       Erste Ursache und Schöpfer ist Gott, der je nach Zusammenhang als Gott, Götter, das Göttliche, Geist, Vorsehung oder Schicksal bezeichnet wird und den sich die Stoiker als etwas Materielles innerhalb des Kosmos vorstellen.

       Die Natur ist von der Vernunft geprägt. Sie ist durch sie erklärbar und zielgerichtet.

       Die strenge Kausalität und die Vorsehung des Logos ergeben eine Zielgerichtetheit, die sich dem menschlichen Willen entzieht. Diese Vorsehung und die Rationalität des Kosmos mit der Existenz des Übels und dem freien Willen und der persönlichen Verantwortung in Einklang zu bringen, blieb stets eine wichtige Aufgabe der stoischen Philosophen.

       Zweck des Kosmos ist der Mensch. Er ist der Mikrokosmos, der dem Makrokosmos Welt entspricht.

       Neben


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