Kurt Tucholsky - Gesammelte Werke - Prosa, Reportagen, Gedichte. Kurt TucholskyЧитать онлайн книгу.
was? Die findest du nett? Na, dein Geschmack … Ich frage mich wirklich manchmal, was du eigentlich an mir hast … Na, ich bin ja dein Irrtum. Das ist mal sicher. Blond bin ich nicht, schöne Beine habe ich auch nicht, sagst du immer – bitte, ich hab sehr gute Beine!
So schöne, wie deine Putti noch allemal! Von Dickchen gar nicht zu reden. Und Musch? Hat Musch vielleicht schöne Beine? Spitze Schuhe hat sie; kein Mensch trägt mehr … Daddy, hast du zu Hause das Licht ausgemacht? Na, denn ist gut. Was steht da?
Daddy, dabei fällt mir ein, ich muß mir mal von der Käte das Rezept für die Rohkostsuppe aufschreiben lassen – wir haben sie neulich bei Mühlbergs gegessen, wunderbar, ganz schwer, wie Krebssuppe also, das hat einen ausgesprochnen Krebsgeschmack, ist aber ganz vegetarisch … Hast du das gesehn? Hast du das gesehn? Wie die das Pferd rumgerissen hat? Doll. Was? Was spielen die da? Krenek? Mag ich gar nicht. Magst du das? Ich war voriges Jahr da mit Hornemann … du, der Hornemann ist jetzt nach Südamerika gegangen … Er schreibt, da tragen die Frauen alle wundervolle Waschseide.
Daddy, du könntest mir eigentlich mal – nein, kauf mir lieber eine Brücke für die Wohnung, weißt du, so eine echte Perserbrücke. Na, Daddy, du kannst nicht sagen, daß ich dich mit Wünschen belästige. Ich möchte mal sehn, was du andern Frauen schenkst … Natürlich kriege ich die Wohnung. Das heißt: der Wirt legt noch Berufung ein, weil wir doch Kette tauschen; also Willachs in der Augsburger Straße geben ihre Wohnung gegen einen Abstand an Bernhardt, und Bernhardt tauscht mit Willer, wenn Marie einverstanden ist, heißt das, sie ist aber nicht einverstanden, weil sie sich scheiden lassen will, sie ist jetzt mit Bromberg, sie wird sich aber nicht scheiden lassen, da wäre sie ja schön dumm, und wenn ich nun mit Josenstein über Hippels weg tausche und der Wirt vorher stirbt und wenn Romel seine Wohnung an mich abgibt –: dann kriege ich die Wohnung.
Laß man: der liebe Gott wird Lottchen schon nicht verlassen. Ich kenne den Mann. Was? Wie? Es ist komisch: Männer verstehn nie, was man ihnen erklärt – Männer verstehn überhaupt …
Aus. Schon aus? Das war alles? Ja, wahrhaftig: die Leute stehen schon auf. Daddy, jetzt sag mir aber mal eins – das hab ich nicht kapiert:
Warum heißt der Film: Die Jungfrau von Orleans –?«
Schloß Gripsholm
Wir können auch die Trompete blasen
und schmettern weithin durch das Land;
doch schreiten wir lieber in Maientagen,
wenn die Primeln blühn und die Drosseln schlagen,
still sinnend an des Baches Rand.
Storm
Nachwort des Verlegers zum Vorwort des Autors
Tucholsky wollte seine damalige Liaison mit Lisa Matthias nicht publik machen, daher widmete er die Geschichte nicht ihr, sondern ihrem Auto. Der Leser beachte das Nummernschild.
Erstes Kapitel
Ernst Rowohlt Verlag
Berlin W 50
Passauer Straße 8/9
Lieber Herr Tucholsky,
schönen Dank für Ihren Brief vom 2. Juni. Wir haben Ihren Wunsch notiert. Für heute etwas andres.
Wie Sie wissen, habe ich in der letzten Zeit allerhand politische Bücher verlegt, mit denen Sie sich ja hinlänglich beschäftigt haben. Nun möchte ich doch aber wieder einmal die »schöne Literatur« pflegen. Haben Sie gar nichts? Wie wäre es denn mit einer kleinen Liebesgeschichte? Überlegen Sie sich das mal! Das Buch soll nicht teuer werden, und ich drucke Ihnen für den Anfang zehntausend Stück. Die befreundeten Sortimenter sagen mir jedesmal auf meinen Reisen, wie gern die Leute so etwas lesen. Wie ist es damit?
Sie haben bei uns noch 46 RM gut – wohin sollen wir Ihnen die überweisen?
10. Juni
Lieber Herr Rowohlt,
Dank für Ihren Brief vom 8. 6.
Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch? Dann schon lieber eine kleine Sommergeschichte.
Die Sache ist nicht leicht. Sie wissen, wie sehr es mir widerstrebt, die Öffentlichkeit mit meinem persönlichen Kram zu behelligen – das fällt also fort. Außerdem betrüge ich jede Frau mit meiner Schreibmaschine und erlebe daher nichts Romantisches. Und soll ich mir die Geschichte vielleicht ausdenken? Phantasie haben doch nur die Geschäftsleute, wenn sie nicht zahlen können. Dann fällt ihnen viel ein. Unsereinem …
Schreibe ich den Leuten nicht ihren Wunschtraum (»Die Gräfin raffte ihre Silber-Robe, würdigte den Grafen keines Blickes und fiel die Schloßtreppe hinunter«), dann bleibt nur noch das Propplem über die Ehe als Zimmer-Gymnastik, die »menschliche Einstellung« und all das Zeug, das wir nicht mögen. Woher nehmen und nicht bei Villon stehlen?
Da wir grade von Lyrik sprechen:
Wie kommt es, daß Sie in § 9 unseres Verlagsvertrages 15 % honorarfreie Exemplare berechnen. Soviel Rezensionsexemplare schicken Sie doch niemals in die Welt hinaus! So jagen Sie den sauren Schweiß Ihrer Autoren durch die Gurgel – kein Wunder, daß Sie auf Samt saufen, während unsereiner auf harten Bänken dünnes Bier schluckt. Aber so ist alles.
Daß Sie mir gut sind, wußte ich. Daß Sie mir für 46 RM gut sind, erfreut mein Herz. Bitte wie gewöhnlich an die alte Adresse. Übrigens fahre ich nächste Woche in Urlaub.
Ernst Rowohlt Verlag
Berlin W 50
Passauer Straße 8/9
Lieber Herr Tucholsky,
vielen Dank für Ihren Brief vom 10. d. M.
Die 15 % honorarfreie Exemplare sind – also das können Sie mir wirklich glauben – meine einzige Verdienstmöglichkeit. Lieber Herr Tucholsky, wenn Sie unsere Bilanz sähen, dann wüßten Sie, daß es ein armer Verleger gar nicht leicht hat. Ohne die 15 % könnte ich überhaupt nicht existieren und würde glatt verhungern. Das werden Sie doch nicht wollen.
Die Sommergeschichte sollten Sie sich durch den Kopf gehen lassen.
Die Leute wollen neben der Politik und dem Aktuellen etwas haben, was sie ihrer Freundin schenken können. Sie glauben gar nicht, wie das fehlt. Ich denke an eine kleine Geschichte, nicht zu umfangreich, etwa 15–16 Bogen, zart im Gefühl, kartoniert, leicht ironisch und mit einem bunten Umschlag. Der Inhalt kann so frei sein, wie Sie wollen.
Ich würde Ihnen vielleicht insofern entgegenkommen, daß ich die honorarfreien Exemplare auf 14 % heruntersetze.
Wie gefällt Ihnen unser neuer Verlagskatalog? Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Urlaub und bin mit vielen Grüßen
Lieber Meister Rowohlt,
auf dem neuen Verlagskatalog hat Sie Gulbransson ganz richtig gezeichnet: still sinnend an des Baches Rand sitzen Sie da und angeln die fetten Fische. Der Köder mit 14 % honorarfreier Exemplare ist nicht fett genug – 12 sind auch ganz schön. Denken Sie mal ein bißchen darüber nach und geben Sie Ihrem harten Verlegerherzen einen Stoß. Bei 14 % fällt mir bestimmt nichts ein – ich dichte erst ab 12 %.
Ich schreibe diesen Brief schon mit einem Fuß in der Bahn. In einer Stunde fahre ich ab – nach Schweden.