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Seiten nicht fündig werden. Wer aber wissen möchte, warum und in welchen kulturellen Kontexten solche Ängste in besonderer Weise virulent werden, wie sie in Literatur und Film umgesetzt werden, und wann sie offenbar eine besonders große Zahl von Menschen ansprechen, wird in den folgenden Kapiteln eine Reihe interessanter Fakten finden. Und natürlich sind die realen Geheimbünde, Mysterienkulte und Orden mit Arkandisziplin mit ihrem kulturwissenschaftlich sichtbaren Einfluss auch an und für sich interessant, nicht nur als Gegenstand gesellschaftlicher Projektionen. Ausschließlich politisch motivierte Geheimgesellschaften, die keine religiösen oder sonst außerpolitischen Absichten in ihrer Programmatik aufweisen und deren Geheimhaltung nur auf widrigen äußeren Umständen beruht, sind dagegen nicht Gegenstand dieses Buches. Manche andere Gruppe hätte mit gleichem Recht besprochen werden können: Die Auswahl ist exemplarisch und in gewissem Maße auch willkürlich. Das ist freilich bei einem Buch deutlich begrenzten Inhaltes nicht zu vermeiden.
Da dies nur eine kurze, auf Lesbarkeit angelegte Studie sein kann, die in das Thema einführen soll, muss auf eine ausführliche Dokumentation verzichtet werden. Doch wird in jedem Einzelfall der Grundsatz verfolgt, so weit es irgend möglich ist, aus den Quellen selbst zu schöpfen, sofern diese zugänglich sind, und diese auch zu benennen. Daher enthält jedes Kapitel Literaturangaben, bei denen der Schwerpunkt auf seriösen Arbeiten und Quellen liegt, und die eine sinnvolle Weiterarbeit ermöglichen sollten. Ich habe lange überlegt, ob ich eine grundsätzliche Trennung zwischen »seriösen« und »unseriösen« Büchern in irgendeiner Form durchführen soll, mich dann aber gegen eine solche Simplifikation entschieden. Die Frage, was eine Darstellung »unseriös« (nicht einfach: falsch!) macht, habe ich an anderer Stelle versucht, einer Klärung näherzuführen (Marco Frenschkowski, Literaturführer Theologie und Religionswissenschaft. Paderborn 2004, 363-378). In den allgemeineren Literaturangaben habe ich mich meist auf deutsch- und englischsprachige Bücher beschränkt und gelegentlich angegeben, aus welchen Darstellungen ich meine, am meisten zur Sache gelernt zu haben. Eine ausführlichere Dokumentation ist an dieser Stelle nicht möglich. Eine kommentierte Bibliographie zum Thema (wie es sie für Ausschnitte wie die Freimaurergeschichte bereits in verschiedenen Formen gibt) wäre ein Desiderat. Ich schließe mit einer Widmung: This little book is dedicated to the memory of James Webb (1946-1980) – who would have been the century´s greatest scholar of rejected knowledge – had he but lived.
Marco Frenschkowski
Hofheim (Ts.), im August 2007
1. Geheimbünde und geheime Gesellschaften: eine Typologie
Eine kulturphänomenologische Typologie
Es empfiehlt sich, mit einer kleinen Typologie zu beginnen, die möglichst wenige theoretische oder heuristische Vorgaben impliziert, sondern sich an sehr schlichten äußerlichen Unterscheidungskriterien orientiert. Wir haben nicht das allgemein kulturelle und religiöse Phänomen der Geheimhaltung im Blick, sondern speziell Gruppen – abgrenzbare, sich als zusammengehörig erfahrende Gemeinschaften von Menschen – in deren Struktur Geheimhaltung wichtig ist. Diese Geheimhaltung kann sich freilich auf ganz verschiedene Dinge beziehen. So kann es sein, dass sich Mitglieder zwar untereinander kennen, aber nicht als solche in der Öffentlichkeit auftreten und also nicht als solche identifizierbar sein wollen (das Geheimnis liegt also in der Mitgliedschaft). Bei Freimaurern ist es seit Anbeginn üblich, Aussagen über die Mitgliedschaft anderer nur zu machen, wenn der Betreffende das ausdrücklich autorisiert hat. Gruppen, die in bestimmten Staaten gesellschaftlich angefochten oder diskreditiert sind oder öffentlichen Verdächtigungen unterliegen, handhaben dies im allgemeinen ähnlich, in Deutschland z.B. die Scientology-Kirche e.V., ebenso auch manche neomagischen Gruppen. In diesen Fällen ist die Geheimhaltung nicht strukturell bedingt, sondern folgt aus gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Andere Gruppen treten nicht öffentlich auf und geben keine Informationen über Mitgliedschaften; in einigen seltenen Fällen sind Mitglieder durchaus identifizierbar, die Ordenleitungen dagegen für Außenstehende anonym oder pseudonym.
Andererseits kann sich die Geheimhaltung auf Inhalte, Ziele und Rituale beziehen. Diese sind dann arkan, d.h. nicht-öffentlich. In Bünden und Gruppen mit einer gestaffelten Einweihungsstruktur sind öfters nur die oberen Einweihungsinhalte wirklich geheim, zuweilen auch nur Inhalte, die gesellschaftlich missverständlich oder anstößig erscheinen könnten (wie die sexualmagischen Lehren und Rituale mancher neomagischer Orden). Oft bezieht sich die Geheimhaltung nur auf sehr begrenzte Details (Passwörter, geheime Erkennungszeichen und Handschläge u.ä.), auch wenn die Rituale nicht öffentlich sind. Das gilt vor allem, wenn eine Geheimgesellschaft schon lange existiert hat und ihre Interna – oft durch ehemalige Mitglieder – im Großen und Ganzen publik gemacht worden sind. So gibt es im Grunde genommen rein äußerlich gesehen keine wirklichen freimaurerischen »Geheimnisse« mehr; jedenfalls in der regulären Freimaurerei (doch s. sofort zur grundsätzlichen Aussagbarkeit von Geheimnissen). Sehr häufig wird uns ein Zwischentyp begegnen, nämlich die Unterstellung, Projektion oder Behauptung, eine an und für sich bekannte Gesellschaft oder Gruppe habe in Wahrheit ganz andere geheime Ziele und Inhalte, als sie nach außen vorgibt, oder zumindest ein innerer Kern dieser Gesellschaft. Gruppen, die in diesem Sinn Gegenstand erheblicher imaginativer Energien gewesen sind, waren z.B. die Freimaurer, die Jesuiten, Opus Dei oder natürlich – in einem weiteren Sinn – die Juden. Daneben tritt die Geheimgesellschaft als esoterischer Orden, der seine Mitglieder durch Initiationen und Prüfungen rekrutiert und noble Ziele der Verbesserung der Gesellschaft pflegt oder diese zumindest auf seine Fahne schreibt. Auch in diesem Fall kann das »Geheimnis« aus einer Außenperspektive ganz andere Dimensionen annehmen als für die Mitglieder selbst. Projektionsphänomene, Unterstellungen und Legendenbildungen werden unsere steten Wegbegleiter auf unserem Weg durch die Welt der Geheimbünde sein.
Umgekehrt ist auch der Fall denkbar, dass sich die Geheimhaltung auf Sachverhalte oder eher Erfahrungen bezieht, die ohnehin kaum oder gar nicht in Worten mitgeteilt werden können. Dies gilt v.a. für die Struktur von Mysterieneinweihungen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit bestand eines der zentralen Rituale der antiken eleusinischen Mysterien im Vorzeigen einer Getreideähre: Darauf wird nur äußerst verschlüsselt angespielt. Das »Geheimnis« besteht hier in einer außerhalb des Kontextes kaum zu übermittelnden mystischen Einsicht. Allerdings vermitteln die antiken Mysterien religiöse Erfahrungen, ohne wirkliche »Geheimbünde« zu begründen; die Eingeweihten bilden im allgemeinen keine eigenen, sozial stabilen Gruppen oder Verbände (Ausnahme sind die Isiaci der Isis und auch die Anhänger des Mithraskultes; dazu ausführlich in Kap. 3.) Die »Geheimhaltung« ist hier ein Schutz vor Profanierung; sie verdeckt nicht einen kognitiven Inhalt. Alle diese verschiedenen Fälle und Typen von Geheimhaltung werden uns vielfach begegnen, und wir werden dabei nach ihren sehr unterschiedlichen Funktionen fragen müssen. Geheimhaltung kann Schutz vor »Anderen« sein, aber auch einfach vor Profanierung.
Der leider früh verstorbene Hans Biedermann (1930-1989), u.a. Verfasser eines klugen Buches über die Freimaurer, schreibt über die eher »harmlosen« Aspekte der Geheimhaltung bzw. grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit von Ritualen: »Mit der Geheimhaltung oder – vielleicht besser – Diskretion ist hingegen noch immer die Mitgliedschaft von Mitbrüdern zu behandeln, die sich nicht selbst öffentlich als Bundesbrüder zu erkennen geben. Dies erklärt sich einfach aus der historisch bedingten Tatsache, dass das Freimaurertum in vielen Ländern als suspekt gilt und dem Mitglied Nachteile erwachsen könnten, wenn seine Mitgliedschaft öffentlich bekannt würde. Schließlich wird der Großteil der Logenrituale mit dem Schleier des Mysteriösen umgeben; der Aufseher der Loge hat die Pflicht, bei ihrer Eröffnung zu untersuchen, ob die tempelartige Bauhütte »nach innen und außen gehörig gedeckt ist«, ob also wirklich kein Profaner die »Arbeit« miterleben kann. Dafür gibt es kaum andere Gründe als den, dass die Ritualteilnehmer unter sich sein wollen und befürchten, bei den – für Außenstehende oft pathetisch und schwülstig wirkenden, für sie selbst jedoch tief bedeutungsvollen – Ritualen hämisch begafft und lächerlich gemacht zu werden. Was für den in die »Bruderkette« Eingebundenen ergreifend wirkt, sieht für den »Profanen« nicht selten antiquiert und gewollt gravitätisch aus. Oft hört der Chronist Äußerungen der Verwunderung darüber, dass »erwachsene Männer sich einschließen, Lieder singen, sich an den Händen halten, eine Zeremonialtracht tragen und