Metaphysik: Das Grundlegende aller Wirklichkeit. AristotelesЧитать онлайн книгу.
würden sich ja auch dabei wieder einstellen. Es würde einen Himmel geben neben dem Himmel, nur daß er nicht getrennt für sich, sondern in demselben Räume existierte, und das ist nur noch undenkbarer.
Das sechste Problem
Ist es nun betreffs dieser Punkte eine überaus schwierige Frage, welche Annahmen man dazu machen hat, um sich der Wahrheit zu bemächtigen, so gilt dasselbe auch von der Frage nach den Prinzipien. Soll man als Prinzipien und Elemente der Dinge die Gattungen betrachten, und nicht vielmehr die letzten Bestandteile, aus denen sich die Dinge zusammensetzen? So möchte man z.B. beim Tone geneigt sein, seine Elemente und Prinzipien in dem zu suchen, woraus alle Töne als aus ihren letzten Bestandteilen bestehen, aber nicht in dem Ton als dem Allgemeinen, und als Elemente der geometrischen Figuren bezeichnen wir etwas dann, wenn die Beweise dafür in den Beweisen für die anderen, für alle oder doch für die meisten, mit enthalten sind. Was aber die Körper anbetrifft, so bezeichnen ebensowohl diejenigen, die mehrere Elemente derselben, wie die, die nur eines annehmen, als Prinzipien der Körper das, woraus sie bestehen und woraus sie entstanden sind. So nennt Empedokles Feuer und Wasser und was zwischen beiden in der Mitte liegt, Elemente als Bestandteile dessen was ist, aber nicht als Gattungen der Dinge. Und so auch sonst bei den anderen Dingen, z.B. bei einer Bettstelle: wenn einer ihr Wesen durchschauen will, so erkennt er es dann, wenn er weiß, aus welchen Teilen sie besteht und wie die Teile angeordnet sind.
Diesen Erwägungen gemäß dürfte man die Gattungen der Dinge nicht für ihre Prinzipien halten. Andererseits wieder müßten, sofern die Begriffsbestimmung das Mittel ist, durch das wir jeglichen Gegenstand erkennen, die Gattungen aber die Prinzipien der Begriffsbestimmungen sind, die Gattungen auch die Prinzipien der durch den Begriff zu bestimmenden Dinge sein. Und wenn eine Erkenntnis der Dinge gewinnen so viel heißt, wie eine Erkenntnis von den Arten gewinnen, nach denen die Dinge ihren Namen erhalten, so bilden die Gattungen wiederum die Prinzipien für die Arten.
Augenscheinlich nehmen denn auch manche von denen, die das Eine und das Sein oder das Groß-und- Kleine als Elemente der Dinge bezeichnen, eben diese zugleich im Sinne von Gattungen. Aber die Prinzipien in dieser doppelten Bedeutung zu nehmen, ist gleichfalls nicht zulässig. Denn der Begriff der Wesenheit ist ein einheitlicher; die Begriffsbestimmung vermittelst der Gattungen aber würde etwas anderes sein als die Begriffsbestimmung vermittels der Bestandteile.
Das siebente Problem
Außerdem, gesetzt auch, die Gattungen hätten noch so sehr die Bedeutung von Prinzipien, wie dann? Soll man die obersten Gattungen als Prinzipien setzen oder die niedrigsten, wie sie von den Einzelwesen ausgesagt werden? Das ist doch auch ein sehr fragwürdiger Punkt. Ist nämlich jedesmal das Allgemeinere auch in höherem Grade Prinzip, so ist es offenbar das höchste Allgemeine auch im höchsten Grade, denn dieses wird von allem ausgesagt. Es würde dann also ebensoviele Prinzipien der Dinge geben, als es oberste Gattungen gibt, und so würden dann das Sein und das Eins Prinzipien und selbständige Wesenheiten sein; denn das wird am meisten von allem ausgesagt. Und doch ist es ausgeschlossen, daß das Sein und das Eins eine Gattung der Dinge sei. Denn den Artunterschieden einer jeden Gattung muß notwendig das Sein zukommen, und ebenso muß jeder einer sein; es ist aber unmöglich, entweder die Arten der Gattung oder die Gattung ohne ihre Arten von den zugehörigen Artunterschieden als Prädikat auszusagen.Wenn also das Eins oder das Sein die Bedeutung der Gattung hat, so könnte kein Artunterschied weder Eins noch Seiendes sein; wenn sie aber die Bedeutung der Gattung nicht haben, so sind sie auch nicht Prinzipien, wenn doch den Gattungen der Rang zukommen soll, Prinzipien zu sein. Überdies wird auch das, was zwischen den höchsten und den niedersten Gattungen in der Mitte liegt, zusammen mit den Unterschieden bis herab zu den letzten nicht weiter einzuteilenden Arten, zu den Gattungen zu rechnen sein; man möchte aber eher glauben, daß das wohl für einige gelte, für andere aber nicht. Dazu kommt, daß dann die Artunterschiede weil allgemeiner auch in höherem Grade Prinzip wären als die Gattungen.Wenn aber auch diese Unterschiede Prinzipien sind, so wird die Zahl der Prinzipien geradezu unendlich groß, insbesondere dann, wenn man von der obersten Gattung ausgehend herabsteigt.
Nehmen wir nun den anderen Fall. Man schreibt dem Eins die Bedeutung des Prinzips in höherem Grade zu; Eins aber ist das Unteilbare, und unteilbar ist etwas der Quantität nach oder der Art nach. Dann ist die Teilung der Art nach das Vorgehende, und die Gattungen sind noch in Arten teilbar; es würde also die letzte der Arten, die nur noch Individuen unter sich befaßt, in eigentlicherem Sinne ein Eines sein als die höheren Gattungen. So ist »Mensch« keine Gattung, der noch Arten von Menschen subordiniert wären.
Ferner, in solchen Reihenfolgen, wo es vorausgehende und nachfolgende Glieder in fester Ordnung gibt, da ist es undenkbar, daß das, was diesen übergeordnet ist, auch noch neben ihnen existiere. Z.B. wenn die Zwei der Ursprung der Zahlen ist, so wird nicht eine Zahl noch neben den Arten der Zahlen, und ebensowenig wird eine Figur noch neben den Arten der Figuren existieren.Wenn es aber in diesen Fällen sich so verhält, so werden kaum in den anderen Fällen die Gattungen neben den Arten existieren; denn dort könnte man noch am ehesten annehmen, daß es solche Gattungen gibt. Nun gibt es hier bei den letzten Arten allerdings weder ein Vorausgehendes noch ein Nachfolgendes; aber da, wo es ein Höherstehendes und ein Niedrigerstehendes gibt, ist das Höherstehende auch immer das Prius; also würde es danach auch hier keine Gattung neben den Arten geben können.
Demzufolge wäre augenscheinlich die Art, die nur noch Individuen umfaßt, in eigentlicherem Sinne Prinzip als die Gattungen. Andererseits aber läßt sich nicht leicht sagen, in welchem Sinne man jene als Prinzip auffassen soll. Denn was Prinzip und Grund ist, das muß auch neben den Gegenständen, für die es Prinzip ist, bestehen und das Vermögen haben, von ihnen gesondert für sich zu sein. Wie aber sollte irgend jemand auf die Annahme geraten, daß etwas derartiges wirklich Hebenden Einzelwesen existiere, wenn nicht deshalb, weil es als ein Allgemeines gilt und von einer Gesamtheit ausgesagt wird? Wenn aber dies den Grund bildet, so müßte man, was in höherem Grade allgemein ist, auch als das gelten lassen, was in höherem Sinne Prinzip ist, und mithin müßten es dann wieder die obersten Gattungen sein, die die Bedeutung von Prinzipien haben.
Das achte Problem
Nun hängt aber damit eine Schwierigkeit zusammen, die unter allen die ernsteste und für eine sorgfältige Erwägung die dringlichste ist; von ihr zu handeln ist jetzt der Augenblick gegeben. Wenn es nämlich nichts Weiteres neben den Einzelwesen gibt, die Einzelwesen aber ins Unendliche verlaufen: wie ist es da möglich, eine Erkenntnis dieses Unendlichen zu gewinnen? Erkennen wir alles doch nur insofern, als es darin Einheit und Identität gibt und insofern ein Allgemeines vorliegt. Andererseits aber, wenn dies sich notwendig so verhält, und wenn es demnach neben den Einzelwesen noch etwas weiteres geben muß, so würde mit Notwendigkeit folgen, daß, was neben dem Einzelnen existiert, die Gattungen sind, seien es nun die niedrigsten oder auch die obersten. Eben aber haben wir durch unsere Überlegungen ausgemacht, daß das unmöglich ist.
Weiter aber, gesetzt auch, es sei ausgemacht, daß neben dem Zusammengesetzten, also neben dem, was Materie mit der von ihr ausgesagten Bestimmung ist, noch etwas Weiteres existiert, wie dann? Muß es, wenn es dergleichen gibt, ein solches neben allem geben, oder wohl neben einigem und neben anderem nicht, oder auch neben gar keinem? Wenn es nichts außer den Einzelwesen gibt, so gäbe es auch nichts, was Gegenstand des Denkens wäre; alles wäre Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung, und eine Erkenntnis von irgend etwas wäre unmöglich, wofern man nicht so weit geht, schon die sinnliche Wahrnehmung für eine Erkenntnis auszugeben. Damit gäbe es dann auch nichts Ewiges, nichts Unbewegtes. Denn was sinnlich wahrgenommen wird, das ist alles vergänglich und in beständiger Bewegung. Andererseits, wenn es nichts Ewiges gibt, dann wird auch alles Entstehen undenkbar. Denn damit etwas entstehe, muß es ein Seiendes geben, das wird und aus dem etwas wird, und das letzte Glied der Reihe muß dem Entstehen entnommen sein, wenn es in der Ableitung des einen aus dem andern nach rückwärts ein Letztes gibt, und es doch unmöglich ist, daß etwas aus Nichts geworden sei. Weiter aber, wenn es ein Entstehen und eine Bewegung gibt, dann muß es dafür auch ein Endglied nach vorwärts geben. Denn ohne Ende vollzieht sich keine Bewegung, sondern jede hat ein Ziel, und daß etwas entstehe, dessen Entstandensein