Das Narrenschiff. Sebastian BrantЧитать онлайн книгу.
sie nicht zieht,
dem selbst zuletzt viel Leid geschieht.
6. Von rechter Kinderlehre – In guter Zucht
wer es verachtet, daß sein Kind
in guter Zucht man unterweist,
und sich insonderheit befleißt,
daß er sie irrgehn läßt ohn’ Strafe,
wie ohne Hirten gehn die Schafe;
der ihrem Übermut nicht wehrt
und sie zu strafen nicht begehrt,
dieweil er meint, sie sei’n zu jung,
es hafte nicht Erinnerung
in ihrem Ohr, nicht Straf’ noch Lehre. –
O großer Tor, merk auf und höre:
Der Jugend ist nichts zu geringe,
sie merket wohl auf alle Dinge.
Der neue Topf hält vom Gericht
Geschmack und Duft und läßt ihn nicht.
Ein junger Zweig sich dreht und schmiegt,
doch wenn man einen alten biegt,
so knackt und bricht er bald entzwei. –
Gerechte Straf’ bringt kein Geschrei,
der Rute Zucht vertreibt ohn’ Schmerzen
die Narrheit aus des Kindes Herzen.
Ohn’ Strafe selten man belehrt,
das Übel wächst, dem man nicht wehrt.
Eli war brav und lebte rein,
doch straft’ er nicht die Kinder sein,
drum straft’ ihn Gott, daß er mit Klage
samt ihnen starb an einem Tage.
Weil man der Kinder Zucht nicht will,
drum trifft man Catilinen30 viel.
Es stände besser um manches Kind,
gäb’ man ihm Lehrer wohlgesinnt,
wie Phönix, den einst aufgesucht
Peleus zu des Achilles Zucht.
Philipp durchsuchte Griechenland,
bis er dem Sohn den Meister fand:
Dem größten König31 in der Welt
ward Aristoteles zugesellt,
der hörte Plato manches Jahr,
dem Sokrates einst Lehrer war.
Jedoch die Väter unsrer Zeit,
die gehen blind vor Geiz
so weit und nehmen solchen Lehrer schon,
der ihnen zum Narren macht den Sohn,
und schickt ihn wieder heim nach Haus
halb närrischer, als er kam daraus.
Drum ist zu wundern nichts daran,
wenn närrische Kinder ein Narr gewann.
Der alte Krates sprach, wenn ihm
es zuständ, wollt’ mit lauter Stimm’
er schreien: Narren unbedacht!
Um Gut zu sammeln, habt ihr acht
und achtet nicht auf euer Kind,
für das ihr doch auf Reichtum sinnt.
Aber euch wird zuletzt der Lohn,
wenn in den Rat soll gehn der Sohn
und trachten Zucht und Ehre nach,
dann ist zu solchem Ding’ ihm jach,
das man von Jugend ihn gelehrt;
dann wird des Vaters Leid gemehrt,
der sich verzehrt, weil er ohn’ Nutzen
erzogen einen Winterbutzen32.
Die einen gehn zu der Buben Rott’
und lästern dort und schmähen Gott;
die andern hängen sich an Säcke33,
die dritten verspielen Ross’ und Röcke;
die vierten prassen Tag und Nacht.
Das wird aus solchen Kindern gemacht,
die man nicht in der Jugend zieht
und mit einem Meister wohl versieht.
Denn Anfang, Mittel, Schluß der Ehre
entspringt allein aus guter Lehre.
Ein löblich Ding ist Adligsein,
doch hast du’s nicht erworben allein:
es kommt von deinem Elternpaar;
ein köstlich Ding ist Reichtum gar,
aber er ist des Glücks Zufall,
das auf und ab tanzt wie ein Ball;
der Ruhm der Welt sich schön anläßt:
doch schwankt er und ist voll Gebrest;
ein schöner Leib steht hoch in Acht
und währt etwa bis über Nacht;
so ist Gesundheit uns sehr lieb
und stiehlt sich weg doch wie ein Dieb;
der Stärke Größe, die man schätzt,
schwindet vor Krankheit und Alter zuletzt:
Drum ist unsterblich nichts so sehr
und unvergänglich als gute Lehr’.
Einst fragte Gorgias34, ob wohl Heil
ward Persiens großem Herrn zuteil.
Drauf Sokrates: »Ich weiß noch nicht,
ob er gelernt der Tugend Pflicht!«
Als spräch’ er, was Gewalt und Gold
ohne Tugendlehre nützen sollt’?
Wer zwischen Stein und Stein sich legt
und viel Leut’ auf der Zunge trägt,
den Trübsal bald und Schaden schlägt.
7. Von Zwietrachtstiftern – Lügen und Hassen
daß er verwirren jedermann
und bürsten kann dies Haar auf das,
daraus dann Feindschaft kommt und Haß.
Mit Afterred’ und Lügen groß
gibt er gar manchem einen Stoß,
den der erst lang nachher empfindet,
wenn