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Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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die zur Aufdeckung des Mordes führen könnte, gründlichst zu verwischen. Deshalb schrieb ich den Brief an jene Redaktion in Berlin und erfand zwei Bootsunfälle, um Sie abzuschrecken. Gewiß – ich hätte mich Ihnen anvertrauen können. Das wollte ich aber nicht, denn mein Onkel Erwin ist ganz fraglos zu diesem Verbrechen nur verführt worden. Ich wollte, falls Bollschwing und ich die Wahrheit an den Tag gebracht hätten, in aller Stille mit dem Paare abrechnen, um die gräfliche Familie nicht bloßzustellen, wollte eine Scheidung zwischen den beiden erzwingen, um dieses intrigante Weib nicht länger die Nachfolgerin meiner Tante sein zu lassen. – Mein Verdacht entstand damals sofort, als ich erfuhr, daß der Graf behauptete, seine erste Gattin wäre bei Nacht und Nebel davongelaufen und dann mittags darauf bei Köslin mitverunglückt, wo er sie nur an einem Brillantring an der linken, sonst halb verkohlten Hand wiedererkannt haben wollte. Ich bin überzeugt, er hat diesen Ring jener Leiche, die gerade am allermeisten durch das Feuer der brennenden Wagen gelitten hatte, nur übergestreift und auch ebenso dann in die Brandtrümmer, die noch glimmten, den Ehering und ein paar andere Schmucksachen hineingeworfen, um es noch glaubhafter zu machen, daß die sonst völlig unkenntlichen Reste die seiner Gattin wären. Gerade damals hatte er nämlich seine Geliebte hier in Malchin als Sommergast einquartiert, und ich habe festgestellt, daß er am Morgen nach der angeblichen Flucht meiner Tante aus dem Schlosse sehr bleich hierhin zu seiner Geliebten gefahren und nach Bekanntwerden der Eisenbahnkatastrophe und ihrer Einzelheiten – Köslin liegt ja nur zwei Stationen entfernt – sehr eilig nach Szentowo zurückkehrte, dann abermals hier nach Malchin kam und nun erst überall erzählte, er fürchte, seine Frau wäre bei der Katastrophe vielleicht mitverunglückt.«

      Harst war jetzt anscheinend ein sehr unaufmerksamer Zuhörer. Irgend etwas Neues schien seine Gedanken völlig abzulenken. – »Ich wünschte, ich hätte meinen Stutzflügel hier,« sagte er jetzt, als Blenkner schwieg. »Ich spiele sehr gern Klavier. Und beim Phantasieren über Wagnermotive – ich liebe Wagner über alles – sind mir schon als Staatsanwaltschaftsasserssor stets die besten Gedanken gekommen. – Bei diesem Morde stimmt etwas nicht, meine Herren. Soeben ist mir eingefallen, daß Marie den Grafen mir ebenfalls – bis auf seine Liebschaft mit der Mulack – als einen untadeligen, gutmütigen Ehrenmann geschildert hat, der für jedermann eine offene Hand hatte und der sich früher größter Beliebtheit erfreute. – Wie sind Sie eigentlich gerade darauf gekommen, daß die Leiche Ihrer Tante in dem See versenkt worden sein soll, Herr von Blenkner?«

      »Weil Bollschwing in jener Nacht, als Tante Hildegard aus Szentowo verschwand – überhaupt verschwand, kurz vor Tagesanbruch auf Anstand auf einen Rehbock ging und in der Dunkelheit auf dem See das hellgestrichene Ruderboot, das zum Schlosse gehört, mit einer einzelnen männlichen Gestalt darin auf dem See gesehen hat – ziemlich dicht an der kleinen Anlegebrücke vor der Schloßterrasse, und weil er, bevor er es bemerkte, einen lauten Schrei ebenfalls vom See her hörte. Er kann aber nicht genau sagen, ob der Schrei aus weiblicher Kehle kam. Es war auch mehr ein Ruf, irgend ein Name, der sehr laut geschrien wurde, meint er. Er hat damals diesen Beobachtungen keine Bedeutung beigemessen, und erst als –«

      »Schon gut – danke,« unterbrach Harst ihn, fragte dann: »Trauen Sie Ihrem Onkel Erwin einen Mord zu?« – »Offen gestanden: nein! Wenn nicht so vieles gegen ihn spräche –« – »Also nicht, Herr von Blenkner. Das genügt mir, – Ich bin jetzt überzeugt, Ihre Tante ist nicht ermordet worden. Sie befinden sich auf falscher Fährte, genau wie ich, der ich Sie erst für den Dieb des Familienschmuckes hielt und dann ebenfalls einen Mord annahm. – Der Charakter des Grafen und der Schrei sind das ausschlaggebende Moment hier.« Er rauchte ein paar schnelle Züge. »Was halten Sie überhaupt von diesem Diebstahl?« – »Er hat nie stattgefunden, Herr Harst. Ich behaupte, die jetzige Frau des Grafen hat ihren Mann dazu zu bestimmen gewußt, ihn zu erfinden, um die Juwelen heimlich in Berlin verkaufen zu können ohne Schädigung des Ansehens ihres Gatten. Bollschwing war es, der im Winter die jetzige Gräfin in Berlin einmal heimlich verfolgt und in einem Goldwarengeschäft hat verschwinden sehen, dessen Inhaber sich dann weigerte anzugeben, was die Dame soeben bei ihm gewollt hätte. Dabei lag aber auf dem Verkaufstisch eine Perlenkette mit einem antiken Verschluß, die nach Bollschwings Beschreibung sehr wahrscheinlich aus dem Familienschmuck stammte.« – »Das klingt durchaus glaubhaft, zumal doch der Graf anscheinend in letzter Zeit stets stark in Geldverlegenheit war. – Ah – der Aufseher mit einer Depesche. – Aus Berlin – an den Amtsrichter? – Das ist die erwartete Antwort. – Sie gestatten, daß ich vorlese: »Treffe im Auto nachmittags ein. – Wettgegner. Im Auftrage – Kammler!« – Das ist nämlich der Kommerzienrat Kammler, meine Herren, der eigentliche Urheber der Millionenwette. Er soll an Ort und Stelle erfahren, was es mit dem Geheimnis des Sees auf sich hat und soll, so hoffe ich, genau auch wie Sie beide noch heute – die Leiche der Gräfin Hildegard Lippstedt sehen. – Bitte, fragen Sie nichts mehr, meine Herren. Finden Sie sich um zehn Uhr abends am Ausgange der Stadt auf der Chaussee hinter dem Bahnhof ein.« –

      »Ziehen Sie sich die Schuhe aus, meine Herren. Es geht nicht anders. Wir müssen jedes Geräusch vermeiden.« So sprach Harst vor der Seitenmauer des Erbbegräbnisses im Park von Szentowo und kletterte dann als erster durch das Fenster in die Kapelle hinein. Mörner, Bollschwing, Blenkner, Kammler und Schraut-Schüler folgten. Sie alle nahmen sich sehr in acht, und so gelangten sie lautlos bis auf die in die Erbgruft hinabführende Steintreppe. Unter ihnen schimmerte Licht. Man hörte metallisches Klirren, lautes Keuchen, das Knirschen einer Stahlsäge, schließlich eine weibliche Stimme:

      »Erwin – ich vergehe vor Grauen. Laß doch die Tote, wo sie ist, – ich flehe dich an! Glaube mir, Du hast zu große Angst, daß dieser Harst uns schaden könnte. Wie soll er wohl auf die Vermutung kommen, daß die Tote gerade unten im Zinksarge liegt! – Mein Gott – dieses hier übersteigt meine Kräfte. Ich – ich –«

      »Schweig – schweig!! Hast Du nicht den ganzen Plan ersonnen, hast Du mich nicht elend – zum Verbrecher gemacht?! Und jetzt, wo wir die Leiche von hier fortschaffen müssen, da dieser Harst fraglos schon in irgend einer Verkleidung hier herumspioniert – wenn ich nur wüßte, in welcher! – willst Du von Grauen und Angst sprechen, Du – Du, die ich jetzt als meinen bösen Geist verfluche, die mich noch zum Selbstmord treiben wird –«

      Da hielt Harst die Zeit für gekommen. Absichtlich räusperte er sich laut, betrat nun die Gruft. Die anderen drängten nach. – Ein gellender Aufschrei der Gräfin. Der Graf selbst stand regungslos neben dem Sarge, schaute den Eindringlingen mehr überrascht als erschrocken entgegen.

      »Herr Graf,« begann Harst, indem er auf den Zinksarg deutete, »schon gestern Nacht verriet mir Ihre begonnene Arbeit da, daß Ihre erste Gattin sehr wahrscheinlich mit der unechten Gräfin diese letzte Ruhestätte teilte. Die Gräfin Hildegard hat sich aus Kummer über ihre unglückliche Ehe in jener Nacht im See ertränkt. Sie eilten ihr nach, riefen laut ihren Namen, konnten aber den Selbstmord nicht mehr verhindern, fischten die Leiche heraus, die wohl im flachen Wasser gelegen haben wird, verbargen sie, fuhren zu Ihrer Geliebten nach Malchin, die Ihnen dann den Gedanken eingab, die Eisenbahnkatastrophe dazu zu benutzen, den Selbstmord zu verheimlichen und einen Versicherungsbetrug in Szene zu setzen, da die Versicherungsgesellschaft bei Selbstmord die 100 000 Mark nicht auszuzahlen brauchte. – Sie sind dann, als das Leuchten auf dem Seegrunde sich zeigte, häufig nachts im Boot auf dem See gewesen, um diese Erscheinung selbst zu untersuchen, die Sie bei Ihrem belasteten Gewissen beunruhigt haben wird. Anderseits wollten Sie aber auch nicht die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf dies seltsame Phänomen lenken, damit nicht etwa Schloß Szentowo und der See der Mittelpunkt Ihnen sehr ungelegener Nachforschungen würden. – Da Sie zu alledem schweigen, nehme ich an, daß ich meine Aufgabe hier restlos erfüllt habe.«

      Graf Lippstedt verbeugte sich knapp, wandte sich dann an den Amtsrichter Mörner: »Wir, jene Frau und ich stehen zu Ihrer Verfügung.« –

      Eine Woche später starb er im Gefängnis an plötzlichem rapiden Kräfteverfall, nachdem er noch zugegeben, daß seine zweite Gattin ihn zum heimlichen Verkauf des Familienschmuckes gleichfalls zu bestimmen gewußt hatte.

      Als Harald Harst dies durch einen Brief Blenkners erfuhr, war er bereits mit der Lösung seiner neuen Aufgabe beschäftigt, die ihm seine Wettgegner gestellt hatten. Der Brief interessierte ihn kaum noch, denn seine Gedanken waren vollständig durch die schwierigen


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