Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter. Max WeberЧитать онлайн книгу.
/>
Max Weber
Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter
Books
- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1072-5
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung.
I. Römisches und heutiges Recht.
Societas und offene Handelsgesellschaft.
Angebliche Ansätze zur Wandlung der römischrechtlichen Grundsätze.
Gang der Untersuchung. Verhältnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte.
II. Die seehandelsrechtlichen Sozietäten.
1. Die Kommenda und die Bedürfnisse des Seehandels.
3. Geographisches Gebiet der Kommendaverhältnisse.
4. Vermögensrecht der Seesozietäten.
5. Die Landkommenda und die Kommanditen.
III. Die Familien- und Arbeitsgemeinschaften.
IV. Pisa. Sozietätsrecht des Constitutum Usus.
VI. Die juristische Literatur. Schluß.
Vorbemerkung.
Dogmatisch ist der grundsätzliche Unterschied zwischen der societas des römischen Rechts und der wichtigsten Gruppe der modernen Gesellschaftsformen, der handelsrechtlichen, speziell der offenen Handelsgesellschaft, oft erörtert und genügend aufgeklärt. Historisch ist die Entwicklung der modernen Grundsätze aus dem Verkehrsleben der Mittelmeerländer, speziell Italiens, von wo aus der internationale Handelsverkehr sie als für sich praktikabel allgemein übernahm, in den Hauptzügen klargestellt.
Wie aber, besonders in den früheren Entwicklungsstadien, sich im einzelnen die Rechtsbildung gestaltet hat, – ob hier ganz neue Rechtsgedanken, aus den schnell sich vervielfältigenden Bedürfnissen des Tages erwachsen, durch Uebergang in den Handelsgebrauch und von da in das Handelsgewohnheitsrecht, sich Anerkennung verschafften, oder ob und inwiefern eine Anknüpfung an vorgefundene Rechtsinstitute stattfand, ist vielfach noch nicht außer Zweifel gestellt, und da das von Lastig2 in Aussicht gestellte umfassende Werk über die Handelsgesellschaften, welches, nach den bisherigen Proben zu schließen, auf einer Fülle uns unzugänglichen urkundlichen Materials zu fußen in der Lage sein wird, noch auf sich warten läßt, darf der Versuch immer noch als lohnend gelten, im Anschluß an die bisherigen Arbeiten, auf Grund des gedruckten Materials eine konkretere Vorstellung von den hier für die Entwicklung wesentlichen Motiven zu gewinnen. Nach Lage des mir zugänglichen Quellenmaterials kann hiernach, wie vorweg zu bemerken ist, die Illusion nicht aufkommen, als ob die hier zu gewinnenden Ergebnisse nicht selbst in den Hauptpunkten wesentliche Korrekturen auf Grund mir unzugänglichen, insbesondere handschriftlichen Materials, zu gewärtigen hätten3.
Daß die nachstehende, aus Erweiterung und Umarbeitung einer seiner Zeit im Seminar des Herrn Geheimrat Goldschmidt in Berlin vorgelegten Arbeit entstandene Untersuchung sich nicht als Geschichte der offenen Handelsgesellschaft, sondern als Beitrag zur Geschichte der Handelsgesellschaften überhaupt bezeichnet, wird der Inhalt rechtfertigen. Nur einzelne Institute des Vermögensrechtes sowohl der offenen als der Kommanditgesellschaft sind hier zu beleuchten versucht. Allerdings nehme ich an, daß dieselben besonders geeignet sind, den Gegensatz beider historisch klarzustellen. Benutzt ist, wie bemerkt, nur gedrucktes Material und auch dies nur, soweit es in der Berliner Bibliothek und dem Privatbesitz des Herrn Geheimrat Goldschmidt, welcher mir die Benutzung seiner reichen Bibliothek gütigst gestattete, zugänglich war. Weniger neue Gesichtspunkte, als vielleicht eine Korrektur und konkretere Umgrenzung der bereits gewonnenen können hiernach das Ergebnis bilden.
I. Römisches und heutiges Recht.
Societas und offene Handelsgesellschaft.
Auf welche Rechtssätze es bei der nachfolgenden Untersuchung in erster Linie ankommt, erhellt leicht, wenn man sich die wesentlichsten Gegensätze der römischen societas und der modernen offenen Handelsgesellschaft vergegenwärtigt.
Die Gegenüberstellung beider bedarf zunächst, damit wirkliche Vergleichspunkte gewonnen werden, der näheren Begrenzung.
Die offene Handelsgesellschaft kann nicht füglich der römischen societas überhaupt entgegengestellt werden, da sie der letzteren gegenüber zunächst einen Spezialfall darstellt; sondern sie kann nur mit einem Fall der societas verglichen werden, in welchem dieselbe dem gleichen Zwecke dient, wie die heutige offene Handelsgesellschaft, – denn ein Charakteristikum des römischen Sozietätsbegriffes ist es eben, daß er für die verschiedenen faktischen Gestaltungen nicht auch verschiedene Rechtssätze zur Verfügung stellt, sondern eine allgemein anwendbare Schablone darstellen will.
Wenn also der offenen Handelsgesellschaft wesentlich ist: einmal der Zweck des Erwerbes durch Handel und ferner, wie HGB. Art. 85 es ausdrückt, daß bei keinem der Gesellschafter die Beteiligung auf Vermögenseinlagen beschränkt ist, endlich, im Gegensatz zur »Gelegenheitsgesellschaft«, daß jener Zweck durch dauernde gemeinsame gewerbsmäßige Tätigkeit, nicht durch Zusammenwirken zu einzelnen, gelegentlich unternommenen Geschäften erreicht werden soll, – so werden wir uns eine entsprechende Spezialgestaltung einer römischen societas vorzustellen haben, um kommensurable Größen zu gewinnen.
Alsdann nun läßt sich die Differenz im wesentlichen etwa wie folgt formulieren:
Nach römischem Recht entstehen durch den Abschluß einer derartigen societas unter den Kontrahenten Obligationen, sie sind einander zu den zur Erreichung des Sozietätszweckes