Father Brown - Krimis. Гилберт Кит ЧестертонЧитать онлайн книгу.
Die völlig unveränderte Stimme und Haltung verliehen der unerwarteten Wendung des Gespräches etwas eigenartig Gewalttätiges. Aber der Hüter der Reliquie wandte nur den Kopf um ein winziges. Er schien noch immer ein etwas albernes Gesicht den Sternen zuzuwenden. Vielleicht hatte er nicht begriffen. Oder vielleicht auch hatte er begriffen und saß nun starr vor Schrecken.
»Ja,« sagte der große Priester mit derselben leisen Stimme und immer noch derselben Haltung, »ja, ich bin Flambeau.« Dann nach einer Pause fügte er hinzu: »Nun also, wollen Sie mir das Kreuz herübergeben?«
»Nein,« erwiderte der andere und das Wort hatte einen eigenartigen Klang. Flambeau ließ plötzlich seine ganze priesterliche Maske fallen. Der große Räuber lehnte sich auf seinem Sitze zurück und lachte leise, aber lange.
»Nein,« rief er, »Sie wollen es mir nicht geben, Sie kleiner zölibatärer Einfaltspinsel? Soll ich Ihnen sagen, weshalb Sie es mir nicht geben werden? Weil ich es schon in meiner Brusttasche habe.«
Der kleine Mann aus Essex wandte im Dämmerlichte sein wie es schien verdutztes Gesicht und meinte mit furchtsamer Neugierde:
»Sind – sind Sie sicher?«
Flambeau krähte vor Vergnügen.
»Wirklich, Sie sind so gut wie eine Dreiakter-Komödie,« rief er aus. »Ja, du Kohlkopf, ich bin ganz sicher. Ich hatte die Idee, von dem richtigen Paket ein Duplikat zu machen, und jetzt, mein Freund, haben Sie das Duplikat und ich die Juwelen. Ein alter Kniff, Father Brown. ein sehr alter Kniff.«
»Ja,« sagte Father Brown und fuhr immer noch mit derselben eigentümlichen, unbestimmten Weise sich mit der Hand durchs Haar.
»Ja, ich habe davon gehört.«
Der Verbrecher beugte sich mit einer Art plötzlich erwachten Interesses nach dem kleinen Landgeistlichen hinüber.
»Sie haben davon gehört?« fragte er. »wo haben Sie davon gehört?«
»Well, ich darf Ihnen natürlich seinen Namen nicht nennen,« sagte der kleine Mann einfach. »Er war ein Beichtkind, Sie verstehen. Er hatte mit Erfolg an die zwanzig Jahre allein von Duplikaten brauner Papierpakete gelebt. Und als ich anfing, Verdacht zu schöpfen, dachte ich daran, wie es der arme Bursche gemacht hatte, und machte es gleich nach.«
»– begannen Verdacht zu schöpfen?« wiederholte der Geächtete mit vermehrter Spannung. »Hatten Sie wirklich die Grütze, Verdacht zu schöpfen, nur weil ich Sie nach diesem verlassenen Teile der Heide gebracht habe?«
»Nein, nein,« sagte Brown in entschuldigendem Tone. »Sie kamen mir verdächtig vor, schon als ich Sie zum ersten Male sah. Es ist jene kleine Anschwellung oben am Ärmel, wo ihr das Stachelarmband tragt.«
»Wie, beim Tartarus,« schrie Flambeau, »haben denn Sie vom Stachelarmband gehört?«
»O, unsere Pfarrkinder, Sie verstehen,« sagte Father Brown, seine Augenbrauen hochziehend. »Als ich Kurat in Hartlepool war, hatte ich drei von ihnen mit Stachelarmbändern. Und da ich Sie somit von Anfang an in Verdacht hatte, sehen Sie, da sorgte ich dafür, daß das Kreuz auf alle Fälle in Sicherheit käme. Unglücklicherweise habe ich Sie beobachtet, ja. Und so sah ich Sie schließlich die Pakete vertauschen. Dann, Sie verstehen, habe ich sie wieder zurückgetauscht. Und dann ließ ich das richtige zurück.«
»– ließen Sie das richtige zurück?« wiederholte Flambeau, und zum ersten Male war ein anderer Ton in seiner Stimme außer dem des Triumphes.
»Well, ich habe das so gemacht,« sagte der kleine Priester in derselben ungekünstelten Weise. »Ich ging zu jenem Zuckerbäckerladen zurück und fragte, ob ich nicht ein Paket liegen gelassen hätte, und gab eine genaue Adresse an für den Fall, daß es gefunden würde. Well, ich wußte, ich hatte keines liegen gelassen, aber ich tat es, als ich wegging. Und anstatt mit jenem wertvollen Pakete hinter mir herzulaufen, haben sie es direkt an einen meiner Freunde in Westminster geschickt.« Dann fügte er etwas traurig hinzu: »Ich habe das auch von einem armen Burschen in Hartlepool gelernt. Er pflegte das mit Handtaschen zu tun, die er auf den Bahnhöfen stahl, aber er ist jetzt in einem Kloster. O, man erfährt das eben so,« fügte er hinzu, indem er sich mit derselben Art verzweifelten Sichentschuldigens den Kopf rieb. »Wir können nichts dafür, wir sind nun einmal Priester. Die Leute kommen und sagen uns diese Dinge.«
Flambeau zog ein Paket von braunem Papier aus seiner inneren Tasche und riß es auf. Es war nichts als Papier und Bleistücke darin. Mit einer riesenhaften Bewegung sprang er auf die Füße und schrie:
»Ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube nicht, daß ein Bauerntölpel wie Sie all das zustande bringt. Ich glaube, Sie tragen das Zeug noch bei sich – und wenn Sie es nicht herausgeben – nun, wir sind ganz allein und ich werde es mir mit Gewalt nehmen!«
»Nein,« sagte Father Brown einfach und stand ebenfalls auf. »Sie werden es nicht mit Gewalt nehmen. Erstens weil ich es wirklich nicht mehr habe, und zweitens, weil wir nicht allein sind.«
Flambeau stockte in seiner Vorwärtsbewegung.
»Hinter jenem Baume,« sagte Father Brown darauf deutend, »sind zwei starke Polizisten und der bedeutendste lebende Geheimpolizist. Wie die hierherkommen, fragen Sie? Nun, ich brachte sie her, natürlich! Wie ich das gemacht habe? Gut, ich will es Ihnen sagen, wenn Sie es wissen wollen! Mein Gott, wir müssen tausenderlei solcher Dinge wissen, wenn wir unter der Verbrecherklasse arbeiten! Also, ich war nicht sicher, ob Sie ein Dieb seien, und es ginge niemals an, Skandal gegen jemanden aus unserem eigenen Klerus zu machen. Deshalb habe ich Sie geprüft, um zu sehen, ob irgend etwas Sie verraten würde. Gewöhnlich macht ein Mensch eine kleine Szene, wenn er Salz in seinem Kaffee findet; wenn er es nicht tut, hat er einen Grund, sich ruhig zu verhalten. Ich tauschte das Salz und den Zucker aus und Sie blieben stille. Gewöhnlich erhebt ein Mensch Einwendungen, wenn seine Rechnung dreimal zu hoch ist. Wenn er sie bezahlt, hat er einen Grund, unbeachtet bleiben zu wollen. Ich änderte die Rechnung und Sie bezahlten sie.«
Die Welt schien darauf zu warten, daß Flambeau wie ein Tiger losstürze, aber er wurde wie durch einen Zauber zurückgehalten; die ungeheure Neugierde betäubte ihn.
»Well,« fuhr Father Brown mit schwerfälliger Deutlichkeit fort, »da Sie selbst keine Spur für die Polizei hinterlassen wollten, mußte das natürlich jemand anderer besorgen. An jedem Orte, wo wir hinkamen, sorgte ich dafür, etwas zu tun, das mindestens für den Rest des Tages von uns reden machen würde. Ich habe nicht viel Schaden angestellt, einen Flecken an der Wand, verschüttete Äpfel, ein zerbrochenes Fenster, aber ich brachte das Kreuz in Sicherheit, wie denn das Kreuz immer in Sicherheit sein wird. Es ist jetzt in Westminster. Ich wundere mich einigermaßen, daß Sie es nicht mit der ›Eselspfeife‹ aufhielten.«
»Womit?« fragte Flambeau.
»Es freut mich, daß Sie nie davon gehört haben.« sagte der Priester. »Es ist eine faule Sache. Ich bin sicher, Sie sind dafür ein viel zu guter Mensch. Ich hätte es nicht einmal mit den ›Spots‹ mehr aufhalten können; ich bin nicht stark genug auf den Beinen.«
»Wovon in aller Welt sprechen Sie?« fragte der andere.
»Nun, ich glaube nicht, daß Sie wissen, was man unter den Spots versteht,« sagte Father Brown angenehm überrascht. »O, Sie können nicht so tief gesunken sein.«
»Aber wie um’s Himmels willen wissen denn Sie von all diesen Schrecknissen?« schrie Flambeau.
Der Schatten eines Lächelns huschte über das runde, einfache Gesicht seines geistlichen Gegenübers.
»O, wenn man ein zölibatärer Einfaltspinsel ist, vermute ich,« erwiderte er. »Ist es Ihnen niemals aufgefallen, daß ein Mensch, der so gut wie nichts tut als anderer Leute wirkliche Sünden anzuhören, wahrscheinlich in menschlicher Schlechtigkeit nicht ganz unerfahren ist? Übrigens, um die Wahrheit zu gestehen, eine andere Seite meines Berufes gab mir die Sicherheit, daß Sie kein Priester seien.«
»Was?« fragte der Dieb, beinahe starr vor Staunen.
»Sie griffen die Vernunft an.« sagte Father Brown.