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Schloss Gripsholm. Kurt TucholskyЧитать онлайн книгу.

Schloss Gripsholm - Kurt  Tucholsky


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man nur se­hen, und die Spei­sehüh­ner, die man auch es­sen kann. Dies sind Ge­sichts­hüh­ner. Finns­te die Na­tur hier?« – »Et­was dünn, um die Wahr­heit zu sa­gen. Wenn man nicht wüss­te, dass es Dä­ne­mark ist und wir gleich nach Schwe­den hin­über­fah­ren –«

      Und da hat­te sie nun recht. Denn nichts lenkt den Men­schen so von sei­nem ge­sun­den Ur­teil ab wie geo­gra­fi­sche Orts­na­men, ge­la­den mit al­ter Sehn­sucht und be­packt mit tau­send Ge­dan­ken­ver­bin­dun­gen, und wenn er dann hin­kommt, ist es al­les halb so schön. Aber wer traut sich denn, das zu sa­gen –!

      Hel­sin­gör. Wir te­le­gra­fier­ten an Tichau­er. Wir stie­gen auf die klei­ne Fäh­re.

      Un­ten im Schiffs­re­stau­rant sa­ßen drei Ös­ter­rei­cher; of­fen­bar wa­ren es al­tad­li­ge Her­ren, ei­ner hat­te eine ganz ab­re­gier­te Stim­me. Er kniff gra­de die Au­gen so merk­wür­dig zu, wie das ei­ner tut, der mit der Zi­gar­re im Mund zah­len muss. Und dann hör­te ich ihn mur­meln: »Ein g’schäi­ter Bu­u­ursch (mit drei lan­gen u) – aber et­was me­dio­ker …« Ich bin ge­gen den An­schluss.

      Oben stan­den wir dann am Schiffs­ge­län­der, at­me­ten die rei­ne Luft und blick­ten auf die bei­den Küs­ten – die dä­ni­sche, die zu­rück­b­lieb, und die schwe­di­sche, der wir uns nä­her­ten. Ich sah die Prin­zes­sin von der Sei­te an. Manch­mal war sie wie eine frem­de Frau, und in die­se frem­de Frau ver­lieb­te ich mich im­mer aufs neue und muss­te sie im­mer aufs neue er­obern. Wie weit ist es von ei­nem Mann zu ei­ner Frau! Aber das ist schön, in eine Frau wie in ein Meer zu tau­chen. Nicht den­ken … Vie­le von ih­nen ha­ben Bril­len auf, sie ha­ben es im ei­gent­li­chen Sin­ne des Wor­tes ver­lernt, Frau zu sein – und ha­ben nur noch den dün­nen Ch­ar­me. Hol ihn der Teu­fel. Ja, wir wol­len wohl ein biss­chen viel: klu­ge Ge­sprä­che und Lo­gik und gu­tes Aus­se­hen und ein biss­chen Treue und dann die­ser nie zu un­ter­drücken­de Wunsch, von der Frau wie ein Beefs­teak ge­fres­sen zu wer­den, dass die Kinn­ba­cken kra­chen … »Hast du schwe­di­schen Gel­des?« frag­te die Prin­zes­sin träu­me­risch. Sie führ­te gern einen ge­bil­de­ten Ge­ni­tiv spa­zie­ren und war dem­zu­fol­ge sehr stolz dar­auf, im­mer »Rats« zu wis­sen. »Ja, ich habe schwe­di­sche Kro­nen«, sag­te ich. »Das ist ein hüb­sches Geld – und des­halb wer­den wir es auch nur vor­sich­tig aus­ge­ben.« – »Geiz­vet­tel«, sag­te die Prin­zes­sin. Wir be­sa­ßen eine ge­mein­sa­me Rei­se­kas­se, an der hat­ten wir sechs Mo­na­te her­um­ge­rech­net. Und nun wa­ren wir in Schwe­den.

      Der Zoll zoll­te. Die Schwe­den spre­chen an­ders deutsch als die Dä­nen: die Dä­nen hau­chen es, es klingt bei ih­nen fe­der­leicht, und die Kon­so­nan­ten lie­gen etwa einen hal­b­en Me­ter vor dem Mund und ver­ge­hen in der Luft, wie ein Ge­zirp. Bei den Schwe­den wohnt die Spra­che wei­ter hin­ten, und dann sin­gen sie so schön da­bei … Ich protz­te furcht­bar mit mei­nen zehn schwe­di­schen Wör­tern, aber sie wur­den nicht ver­stan­den. Die Leu­te hiel­ten mich si­cher­lich für einen ganz be­son­ders ver­track­ten Aus­län­der. Klei­nes Früh­stück. »Die Bouil­lon«, sag­te die Prin­zes­sin, »sieht aus wie Was­ser in Halb­trau­er!« – »So schmeckt sie auch.« Und dann fuh­ren wir gen Stock­holm.

      Sie schlief.

      Der, der einen Schla­fen­den be­ob­ach­tet, fühlt sich ihm über­le­gen – das ist wohl ein Über­bleib­sel aus al­ter Zeit, viel­leicht schlum­mert da noch der Ge­dan­ke: er kann mir nichts tun, aber ich ihm. Die­ser Frau gab der Schlaf we­nigs­tens kein dümm­li­ches Aus­se­hen; sie at­me­te fest und ru­hig, mit ge­schlos­se­nem Mund. So wird sie aus­se­hen, wenn sie tot sein wird. Dann liegt der Kopf auf ei­nem Brett – im­mer, wenn ich an den Tod den­ke, sehe ich ein un­ge­ho­bel­tes Brett mit klei­nen Holz­fä­ser­chen; dann liegt sie da und ist wachs­gelb und wie uns an­de­ren scheint, sehr ehr­furcht­ge­bie­tend. Ein­mal, als wir über den Tod spra­chen, hat­te sie ge­sagt: »Wir müs­sen alle ster­ben – du frü­her, ich spä­ter« – in die­sem Kopf war so viel Mann. Der Rest war, Gott sei’s ge­lobt, eine gan­ze Frau.

      Sie wach­te auf. »Wo sind wir?« – »In Rü­des­heim an der Rüde.« Und da tat sie et­was, wo­für ich sie be­son­ders lieb­te, sie tat es gern in den merk­wür­digs­ten, in den psy­cho­lo­gi­schen Au­gen­bli­cken: sie leg­te die Zun­ge zwi­schen die Zäh­ne und zog sie rasch zu­rück: sie spuck­te blind. Und da­für be­kam sie einen Kuss – auf die­ser Rei­se schie­nen wir im­mer in lee­ren Ab­tei­len zu sit­zen –, und gleich wand­te sie einen frisch ge­lern­ten dä­ni­schen Fluch an: »Der Teu­fel soll dich hell­ro­sa be­sti­cken!« und nun fin­gen wir an zu sin­gen.

       »In Ko­ken­hu­sen

       singt eine Nach­ti­gall

       wohl an der Düna Strand.

       Und die Nach­ti­gall

       mit dem sü­ßen Schall

       legt ein Krin­gel­chen in mei–­ne Hand –!«

      Und gra­de, als wir im bes­ten Sin­gen wa­ren, da tauch­ten die ers­ten Häu­ser der großen Stadt auf. Wei­chen knack­ten, der Zug schep­per­te über eine nied­ri­ge Brücke, hielt. Komm raus! Die Kof­fer. Der Trä­ger. Ein Wa­gen. Ho­tel. Gu­ten Tag. Stock­holm.

      »Was ma­chen wir nun?« frag­te ich, als wir uns ge­wa­schen hat­ten. Der Him­mel lag blau über vier Schorn­stei­nen – das war es, was wir zu­nächst von Stock­holm sehn konn­ten. »Ich mei­ne so«, sag­te die Prin­zes­sin, »wir neh­men uns erst mal einen Dol­met­scher – denn du sprichst ja sehr schön schwe­disch, sehr schön … aber es muss alt­schwe­disch sein, und die Leu­te sind hier so un­ge­bil­det. Wir neh­men uns einen Dol­met­scher, und mit dem fah­ren wir über Land und su­chen uns eine ganz bil­li­ge Hüt­te, und da sit­zen wir still, und dann will ich nie wie­der einen Ki­lo­me­ter rei­sen.«

      Wir spa­zier­ten durch Stock­holm.

      Sie ha­ben ein schö­nes Rat­haus und hüb­sche neue Häu­ser, eine Stadt mit Was­ser ist im­mer schön. Auf ei­nem Platz gurr­ten die Tau­ben. Der Ha­fen roch nicht ge­nug nach Teer. Wun­der­schö­ne jun­ge Frau­en gin­gen durch die Stra­ßen … von ei­nem gra­de­zu lo­cken­den Blond. Und Schnaps gab es nur zu be­stimm­ten Stun­den, wo­durch wir un­bän­dig ge­reizt wur­den, wel­chen zu trin­ken – er war klar und rein und tat kei­nem et­was, so­lan­ge man nüch­tern blieb. Und wenn man ihn ge­trun­ken hat­te, nahm der Kell­ner das Gläs­chen rasch wie­der fort, wie wenn er et­was Un­pas­sen­des be­güns­tigt hät­te. In ei­nem Schau­fens­ter der Va­sa­ga­tan lag eine schwe­di­sche Über­set­zung des letz­ten Ber­li­ner Schla­gers. Eh – und sonst ha­ben Sie nichts von Stock­holm ge­sehn? Was? Der Na­tio­nal­cha­rak­ter … wie? Ach, lie­ben Freun­de! Wie ein­för­mig sind doch uns­re Städ­te ge­wor­den! Fahrt nur nach Mel­bour­ne – ihr müsst erst lan­ge mit den Kauf­leu­ten kon­fe­rie­ren und dis­pu­tie­ren; ihr müsst, wenn ihr sie wirk­lich ken­nen­ler­nen wollt, ihre Töch­ter hei­ra­ten oder Ge­schäf­te mit ih­nen ma­chen oder, noch bes­ser, mit ih­nen er­ben; ihr müsst sie über das aus­hor­chen, was in ih­nen ist … se­hen könnt ihr das nicht auf den ers­ten Blick. Was seht ihr? Über­all klin­geln die Stra­ßen­bah­nen, he­ben die Schutz­leu­te ihre weiß­be­hand­schuh­ten Hän­de, über­all pran­gen die bun­ten Pla­ka­te für Ra­sier­sei­fe und Da­men­st­rümp­fe … die Welt hat eine abend­län­di­sche Uni­form mit ame­ri­ka­ni­schen Auf­schlä­gen an­ge­zo­gen. Man kann sie nicht mehr be­sich­ti­gen, die Welt – man muss mit ihr le­ben


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