Butler Parker Jubiläumsbox 5 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Botnam drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, steckte die Waffe zurück ins Holster und verließ das Apartment. Als er unten durch die Halle ging, sah er einen Wagen, der gerade vor dem Eingang hielt.
Zwei Männer stiegen aus. Sie waren neutral gekleidet und sahen sehr zivil aus.
Dennoch zuckte Botnam zurück. Mit dem untrüglichen Instinkt des Gangsters für Gefahr spürte er, daß ihm Unheil drohte. Schleunigst zog er sich zurück, lief in den Lift und fuhr nach oben. Im 1. Stock stieg er aus und rannte zur Feuertreppe, die am Ende des Korridors lag. Hinweisschilder wiesen ihm den Weg.
Auf den bloßen Verdacht hin, die beiden Männer könnten es auf ihn abgesehen haben, öffnete er die verklemmte Tür zur Bühne der Feuerleiter und stieg nach unten. Die Leiter endete in einem dunklen Hinterhof, in dem ganze Batterien von Müllkästen standen.
Aufatmend landete er im Hof, fand einen Torweg, der hinaus auf die Straße führte. Bevor Botnam zu seinem weiter unten abgestellten Buick lief, prägte er sich noch schnell das Kennzeichen des Wagens ein, der die beiden Männer ausgespuckt hatte. Er wollte herausfinden, welche Leute sich für Ganters und ihn interessierten. Daß dieser Besuch ihm galt, stand fest, für ihn.
Seine innere Unruhe steigerte sich noch, als er einen echten Zivilwagen entdeckte. Ein Polizeifahrzeug wäre ihm wesentlich lieber gewesen. Botnam fürchtete sich vor Männern aus seiner Branche mehr als vor Kriminalbeamten. Die hielten sich nämlich immerhin an gewisse Spielregeln. Gangster aber schossen sofort und stellten keine Fragen.
Als Botnam in seinem Buick saß, spürte er seine trockene Kehle. Er beschloß, in seiner Stammkneipe einen Schluck zu nehmen. Bei einem Drink konnte er sich die weiteren Schritte besser durch den Kopf gehen lassen. Er kam überhaupt nicht auf den Gedanken, sich mit den 5000 Dollar zu begnügen. Er wollte großes Geld machen und gerissener sein als sein Chef Canters.
Er ahnte nicht, daß er bald in den Genuß kam, einen gewissen Butler Josuah Parker kennenzulernen …!
*
Die Kellerbar war eine bessere Räuberhöhle.
Vor der langen Theke standen trinkfeste Kunden und schütteten billigen Schnaps und Bier in sich hinein. Statt der Mixer arbeiteten freigiebig dekolletierte Bardamen hinter der Theke. Der Boden war mit Zigarettenstummeln und Asche bedeckt. Hinter der Registrierkasse saß Nelson Haynes, der Inhaber der Kneipe. Klein, mager, mit Luchsaugen verfolgte er jede Bewegung in seiner Kellerbar.
Als Parker den niedrigen, verqualmten Raum betrat, wurde es schlagartig still. Seine Erscheinung paßte keineswegs in diese Umgebung. Der Butler verzichtete grundsätzlich darauf, Maske anzulegen und sich dem jeweiligen Schauplatz anzupassen. Er war und blieb Parker, wenngleich er insgeheim und zu Hause bereits gewisse Experiment gemacht und sich Sach- und Fachbücher über die Kunst des Anlegens einer Maske gekauft hatte.
Schwarz war sein altväterlich geschnittener Covercoat, schwarz seine Melone. Über dem linken Unterarm hing sein Universal-Regenschirm aus ebenfalls schwarzer Seide. Seine kräftigen Hände staken in pechschwarzen Zwirnhandschuhen.
Mit der gelassenen und selbstverständlichen Würde eines anglikanischen Erzbischofs schritt er die Treppe herunter und wandte sich der Theke zu.
Gauner und Ganoven der unteren Preisklasse tuschelten miteinander und wußten nicht, was sie von Parker halten sollten. Solch eine Erscheinung hatten sie noch nie gesehen.
Nelson. Haynes, der seine Stammkunden kannte, witterte Unheil. Er konnte sich sehr gut vorstellen, daß dieser seltsam gekleidete Besucher schon bald zum Ziel rauher Späße wurde. Das wollte er verhindern. Schon in Anbetracht der Flaschen und Gläser.
Schnell glitt er von seinem Drehsitz herunter, lief um die Theke und baute sich vor Parker auf.
»Sie müssen sich verlaufen haben«, sagte er zu Parker. »An Ihrer Stelle würde ich gehen.«
»Ohne triftigen Grund können Sie mir ein Glas sicher nicht verweigern«, antwortete Josuah Parker. »Sie können es mir dort drüben an den Tisch bringen.«
»Mann, hauen Sie ab, gleich wird ein toller Wirbel losgehen.« Haynes schwitzte bereits und beobachtete abschätzend die Theke. »Sie gehören nicht hierher, wollen Sie das nicht begreifen?«
»Ich fühle mich ausgezeichnet in Ihrem Lokal.« Parker sah sich wohlgefällig nach allen Seiten um. »Wenn Sie jetzt bitte an das Bier denken wollen. Nicht zu kalt, bitte …!«
»Na ja, schließlich sind es Ihre Knochen.« Haynes zuckte die Schultern und gab die Bestellung auf. Parker nahm in einer kleinen Nische Platz und legte seinen Regenschirm quer über den Tisch. Die Spitze wies in das Lokal hinein.
Ein stark angetrunkener Schläger an der Theke starrte wie hypnotisiert auf Parkers Melone. Er hatte sie nicht abgenommen. Es hätte dem Stil des Hauses doch zu sehr widersprochen. Dieser Angetrunkene nun ergötzte sich innerlich an der Vorstellung, diesem seltsamen Vogel, wie er Parker insgeheim nannte, die Melone tief über die Ohren zu treiben. Er nahm noch einen ermunternden Schluck aus dem Glas und schwankte dann auf Parkers Nische zu. Er überhörte die Warnrufe Haynes’ und achtete nur auf die Zurufe seiner Freunde.
»Was kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Parker höflich, als der Angetrunkene schwankend und sabbernd vor dem Tisch stehenblieb.
»Was haste denn da aufm Kopf?« fragte der muskelbepackte Mann und wies auf Parkers Melone.
»Scher dich zurück an die Theke«, zischte Haynes ihm zu. Er lieferte das bestellte Bier bei Parker ab.
Der Angetrunkene reagierte sauer. Er warf den Kneipenwirt mit einer abrupten Handbewegung durch den Raum. Haynes landete leicht erschüttert vor der Theke, schüttelte sich und beeilte sich, zu dem abgebrochenen Baseball-Schläger zu kommen, der unter der Kasse griffbereit lag und für Betrunkene gedacht war.
»Was haste denn da auf’m Kopf?« wiederholte der Angetrunkene mit grölender Stimme seine Frage. Seine blutunterlaufenen Augen glitzerten böse. Er streckte die Hand aus und nahm Maß.
»Falls Sie es noch nicht begriffen haben, möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, daß Sie stören.« Parker schüttelte verweisend den Kopf. Er liebte es nicht, von der Seite angesprochen zu werden.
»Ach nee …!«
Der angetrunkene Schläger fühlte sich prompt beleidigt. Er verzichtete auf weitere Einleitungen und holte mit der Faust zum Schlag aus. In diesem Augenblick drückte der Butler auf einen verborgenen Knopf am Schirm. Bruchteile von Sekunden später schnellte aus dem unteren Teil des Universal-Regenschirms die federnde Klinge eines Stockdegens. Parker hatte die Entfernung genau berechnet. Die zitternde und wippende, rasiermesserscharfe Degenspitze blieb genau vor dem Leib des Angetrunkenen stehen.
»Sie werden sich verletzen«, warnte Parker.
Der Schläger stutzte, sah hinunter und wurde blaß. Er sah die drohend auf ihn gerichtete Degenspitze, schnaufte und warf sich ängstlich zurück. Sein Pech, daß er dabei ausglitt. Er landete krachend auf dem schmutzigen Boden.
Erneut wurde es sehr still in der Kellerbar. Die Stammkunden kannten diesen Schläger. Sie ahnten, was jetzt kommen würde. Sie rechneten damit, daß der seltsam gekleidete Gast nun in seine Einzelbestandsteile zerlegt wurde.
Langsam erhob sich der Schläger. Mit dem Handrücken fuhr er sich über den breiten Mund. Die Lippen zeigten kein Grienen mehr. Sie preßten sich zu einem schmalen Strich zusammen.
Parker hob das Glas und nahm einen kleinen Schluck. Den Schläger übersah er vollkommen. Er schien für ihn überhaupt nicht zu existieren. Der Stockdegen war übrigens längst wieder zurück in den Regenschirm gekrochen.
Der Angetrunkene schielte auf den Schirm, machte einen kleinen Bogen und warf sich dann plötzlich auf Butler Parker. Dabei stieß er ein fast unmenschliches Brüllen aus.
Einige besonders zartbesaitete Gäste senkten den Blick. Sie wollten sich den häßlichen Anblick ersparen, wenn Parker durch die Luft gewirbelt wurde.
Andere