Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-SternbergЧитать онлайн книгу.
Abschluß der Verhandlungen zu entdecken, die ihretwegen stattgefunden hatten. Er war sogar im Zweifel, ob er nicht den ganzen Plan aufgeben, die Gesandten mit abschlägiger Antwort zurücksenden sollte; auf der andern Seite war der Antrag zu schmeichelhaft. Die Aussicht, mit Ludwig XIV. in Verbindung zu treten, der damals für alle Höfe als Ideal eines Herrschers, wie er sein sollte, galt; die Ehre, einem Hofe anzugehören, wo die feinste Sitte, der vornehmste Adel, die schönsten Frauen regierten, hatte für einen Kurfürsten von der Pfalz etwas so Blendendes, daß er im Moment darauf wieder fest bei seinem Entschluß beharrte; nur wollte er jemand anders beauftragen, ihn der Prinzessin kundzumachen. Die Raugräfin entzog sich einem Auftrage, dem sie sich nicht gewachsen fühlte und der ihr, wie sie fürchtete, die Liebe und das Zutrauen des Mädchens auf immer entziehen könnte. So war denn niemand da als Frau von Rathmannshausen, die mit der Frau von Hörling zusammen die Erziehung der Prinzessin geleitet hatte, und die ihr jetzt nach Heidelberg gefolgt war. Es war eine stille, freundliche Frau und von der Prinzessin aufrichtig geliebt.
Eine Stunde darauf, als der Kurfürst gegangen, das Porträt jedoch auf dem Tische hatte liegen lassen, zeigte sich die Frau von Rathmannshausen am Eingange der Laube.
Die Prinzessin war in tiefe Gedanken versunken und merkte anfangs den Eintritt der ältlichen Dame nicht, die Frau Rätin näherte sich ihr mit einem Briefe in der Hand.
»Ach, seid Ihr da, liebe Frau?« sprach die Prinzessin.
»Ich bringe ein Schreiben aus Hannover,« sagte die Rätin, »es ist von Frau von Hörling und einen Gruß der Frau Kurfürstin schließt es ein.«
Charlotte nahm den Brief, öffnete ihn und legte ihn dann beiseite. »Ich kann nicht lesen!« rief sie, den Kopf wieder auf den Arm gestützt. »Mein Auge ist trübe, der Papa ist hiergewesen und hat mir so wunderliche Dinge gesprochen. Es ist eine traurige Zeit heutzutage. Junge Leute läßt man nicht jung und glücklich sein!«
»Welch ein schöner Mann,« rief die Rätin, das Porträt betrachtend.
»Der Vater hat es hier liegenlassen!« sagte die Prinzessin unmutig und dem Weinen nahe. »Geh, bringe es ihm zurück.«
»Weißt du auch, wer es ist, liebes Lottchen!« fragte die Rätin in dem Tone vertraulicher Rede, der ihr vergönnt war.
»Mir gleich!« entgegnete Liese.
»So rate einmal!« fuhr die ältliche Dame fort.
»Ich kann es nicht. Es ist ein Mensch, der sich mir nähern will!« rief die Prinzessin, »schon das ist genug, ihn mir zuwider zu machen.«
»O Jesus! Wer wird denn gleich so sein! Ich würde doch fragen, wer derjenige sei, der mich zur Frau begehrt,« bemerkte die Rätin tröstend.
»Nun, und wer ist es?«
»Der Bruder des Königs von Frankreich.«
Charlotte sah auf und blickte lange Zeit mit Staunen der Rätin in die Augen. Dann nahm sie nochmals das Bild, betrachtete es und legte es dann wieder hin, indem sie leise vor sich hin sagte: »Sehr viel Ehre!«
»Das ist es auch!« triumphierte die Rätin. »Kind, eine solche Heirat, darnach gelüstet es so manche Königstochter, so manche Erzherzogin. Du wirst in Paris einziehen! In Paris, denke dir das! Du wirst den groben König sehen, den wir alle bewundern! Er wird dich als Schwester empfangen. Kann man mehr Glück wünschen und verlangen? O Kind, wenn du da nicht mit beiden Händen zugreifst, so machst du, daß ich alte Frau den Verstand verliere. Kann eine irdische Glückseligkeit wohl jemals höher getrieben werden! Kann dein fürstliches Haus wohl je auf eine Ehre rechnen, die dieser ähnlich kommt? Von neuem kommen die Zeiten für uns, wo wir die Hand nach Königskronen ausstrecken, von neuem die Zeiten, wo der prachtvollste Glanz sich vor unseren erstaunten Blicken auftut.«
Die Prinzessin hörte diese Rede, indem sie mit dem Kopfe schüttelte und vor sich hinsah.
»Was soll ich sagen?« fuhr die alte Dame fort. »Soll ich noch sagen, daß dein Vater, daß Seine fürstliche Durchlaucht, der gnädigste Herr Kurfürst, es will? Soll ich sagen, daß Ihre Mutter, edles Fräulein, es ebenfalls will, daß Ihre hohen Verwandten, die gnädigste Tante von Hannover und die Äbtissin von Herford, es ebenfalls wollen, und daß endlich Eure treue Dienerin, die jetzt zu Euch spricht, nebst Frau von Hörling nichts mehr wünschen und verlangen, als unsere geliebte Fürstin zu dem Range einer Tochter von Frankreich erhoben zu sehen? Ach, ist denn das alles nicht genug, nicht übergenug, um Euer Herz dem Bunde zuzuwenden, welcher Euch vorgeschlagen wird?«
Die Prinzessin erhob sich und sagte mit fester Stimme: »Sagt, liebe Juliane, denen, die Euch zu mir gesendet haben, daß ich in diese Ehe nicht willige, daß ich nicht heiraten will und werde.«
Sie stand auf und entfernte sich, obgleich die Rätin sich alle Mühe gab, sie festzuhalten. Wie sie durch den Garten ging, sah sie Georg am obern Ende eines Baumganges stehen und sie mit liebenden Augen verfolgen. »Lieber Vetter!« sagte sie sanft, »seid getrost, ich willige nicht ein. Man will mich zu einer Heirat zwingen, aber ich – ich will nicht.«
Wieder entschlüpfte sie in ihr Kabinett, schloß hinter sich ab und warf sich auf ihr Ruhebett.
20.
Die Folgen des Widerspruchs
Am nächsten Morgen stand ein Wagen vor der Tür. Herr von Stromberg, Obrist der Garde, kam und meldete, daß er Befehl habe, sie auf der Reise nach Kassel, zu der Frau Mutter, zu begleiten. Charlotte wollte ihren Vater sprechen, er ließ ihr sagen, daß er beschäftigt sei. So stieg sie denn in die Kutsche; die Frau Rätin begleitete sie. Auf der ganzen Reise sprachen beide kein Wort miteinander.
In Kassel angelangt, führte sie der Obrist in den Palast, den die von ihrem Manne getrennte Fürstin bewohnte. Charlotte weinte bittere Tränen, als sie das teure Antlitz ihrer Mutter wiedersah.
Im Laufe des Gesprächs brachte sie die Kurfürstin auf den Gegenstand, wegen dessen sie sich hier befand. Die Dame sprach ehrfurchtsvoll von ihrem Gemahl; sie hatte ihm den Fehltritt, den er begangen und infolge dessen die Trennung der Ehe stattgefunden, nicht vergessen und nicht verziehen, allein ihr mütterlicher Sinn fand es unschicklich, in diesem Augenblick davon zu sprechen, wo ein gemeinschaftliches Interesse die beiden Ehegatten vereinigte. »Liebe Tochter,« sagte sie, »es ist im Werke, dich eine gute Partie machen zu lassen, ich hoffe es von dir, ja ich erwarte es, daß du nichts dagegen einwenden wirst.« Dies sagte Luise mit dem bestimmten Tone, der ihr eigen war und der den unbeugsamen Sinn dieser vielgeprüften Frau verriet.
»Liebste Frau Mutter,« entgegnete Charlotte, »ich kenne den Mann nicht, den man mir gibt.«
»Wer kennt je die Männer, die wir bekommen?« entgegnete die Fürstin. »Immer ist's Zufall, wenn sie leidlich sind. Man hat daher stets zu gehorchen.«
»Aber wenn ich mit ihm unglücklich werde?«
»So wirst du es!« entgegnete die Fürstin kalt und trocken.
Charlotte erschrak. So hatte sie die Mutter noch nie sprechen hören. Das ganze Leiden ihres Hauses kam ihr in den Sinn, und mit Tränen in den Augen sprach sie: »Mutter, bedenkt, was Ihr sagt: ein ganzes jammervolles, zertretenes, geschändetes Leben!«
»Es ist das Los einer Fürstin,« entgegnete die Kurfürstin in demselben Tone.
»Und ohne das Recht zu haben, sich zu beklagen, sich trennen zu dürfen!« rief Charlotte.
»Was hast du erreicht, wenn du dich von dem Manne, der dich unglücklich macht, trennst? Ich habe es getan; ich lebe verlassen und unglücklich. Wenn mein Stolz nicht dagegen wäre, ich hätte längst wieder den Platz an deines Vaters Seite eingenommen; denn einer Frau gibt die Welt kein Recht; stets schlimm behandelt ist sie, stets schlimm gerichtet. Und was ist Liebe? Was Einigkeit zwischen Ehegatten? Eine Seifenblase, die der Wind hinwegführt. Der Mann liebt stets neu und setzt es durch, den Gegenstand seiner Liebe zu besitzen; was nutzt da die