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Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-SternbergЧитать онлайн книгу.

Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg


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      »Sie mögen unter sich ganz gut auskommen,« rief Charlotte, »gegen mich aber sind sie alle böse! Das habe ich bemerkt, und zwar von der Sorte böse, wie ich's gar nicht vertrage, lachend böse, immer Hohn und Spott in jedem Wörtchen! Und unter der Miene, einem etwas recht Freundliches zu sagen, hat man plötzlich einen recht häßlichen Flecken weg! Als der liebe Herrgott die Teufel werden ließ, hat er gewiß Frankreich geplündert, denn es ist rein unmöglich, daß man in der übrigen Welt so exemplarisch höhnisch und boshaft sein kann, wie sie es hier alle sind.«

      »Ihr Gemahl hat doch einen gutmütigen Zug im Gesicht!« rief die Rätin.

      »Einen gutmütigen nicht,« lautete die Antwort, »höchstens einen lustigen, spaßhaften; aber dahinter versteckt er die Bosheit seines Charakters. Er ist dabei noch der ehrlichste von dem ganzen Troß, denn er hat mir offen gezeigt, wie unangenehm ich ihm bin. Als ich, gleich nach der Trauung, seine Hand ergreifen wollte, um sie, wie ich's bei meinem Vater tue, zu küssen, indem ich ihm freundlich zusprach, zog er die Hand zurück und machte dabei ein Gesicht, als wenn eine Schlange ihn bisse. ›Entschuldigen Eure Hoheit!‹ sagte ich darauf demütig und freundlich, aber der Mann war mir seit diesem Augenblick zuwider. Und wie sieht er aus? Himmel, auch nicht ein Zug von seinem Bilde, obgleich schon dieses nicht sehr schön ist. Die Nase nimmt kein Ende! Einen kleinen Mund hat er, aber schlimme Zähne darin! Die Augen sind so von Runzeln eingefaßt, daß man sie kaum bemerkt, und jede seiner Manieren ist weibisch und nicht im mindesten, wie ein Mann sein muß. Küssen darf man ihn gar nicht, wenn man nicht den ganzen Mund voll roter Farbe haben will! Seine goldenen Kettchen, seine Edelsteine, seine Perlen – alles schön, wenn nur das, was sich damit schmückt, schöner wäre. Oft, wenn ich ihn von der Seite ansehe, denke ich, es ist ein spaßhafter Mann, mit dem ist gut lachen und fröhlich sein, dann trifft mich aber sein scharfer, giftiger Blick, und eines jener Worte entgleitet seinen Lippen, von dem man nicht weiß, soll man sich darüber ärgern oder soll man lachen. Es ist zum Erbarmen! Es wird im Leben nichts mit uns. Wir sind geschaffen und ausgesucht, uns miteinander zu quälen, bis einer von uns, freiwillig oder gezwungen, den Abschied nimmt.«

      »Das ist freilich traurig!« seufzte die Rätin. »Ich habe aber die gewisse Hoffnung, daß es nicht so schlimm ist, wie es Ihnen auf den ersten Blick erscheint, liebes Töchterchen. Alsdann nehmen Sie alles in allem! Welch ein glänzender Haushalt! Einen Hof ganz für sich, mit allem, was dazu gehört! O, teure Liselotte, haben Sie damals daran gedacht! Sie haben niemand, der Sie beaufsichtigt, Sie können leben, wie Sie wollen; die paar Stunden, wo Sie mit Ihrem Herrn Gemahl zusammen sind, enthalten allen Zwang, sind sie vorüber, ist Ihnen die ganze Welt offen. Sie werden spazierenfahren, Sie werden Jagden halten, Sie werden reiten! Ach, und dann – ist es denn etwas Kleines, des größten jetzt lebenden Königs Schwägerin zu sein? Eines Königs, dem alle Potentaten der gebildeten Welt nachzuahmen trachten, Brudersfrau zu heißen? Und die Pracht und der Glanz, die er um sich verbreitet, Sie können, wenn Sie nur irgend wollen, dessen teilhaftig werden! Ist dies nichts? Ist es nicht wert, daß wir uns darum ein paar heimlich geweinte Kummertränen gefallen lassen? Ich, mein Fräulein, würde an Ihrer Stelle mein Geschick segnen! Bitten würde ich den Himmel, daß er mich recht lange dessen teilhaftig werden läßt.«

      Charlotte warf sich an den Hals der treuen, mütterlichen Freundin und rief: »Ja, rede nur! Sprich mir deine Weisheit ein, damit ich fühle, was ich bin und was ich sein soll. Ja, ja, du hast recht! Ich besinne mich jetzt, als ich von Madame ihrem Schicksal und ihrem traurigen Ende hörte, da dachte ich: sicher ist sie selbst schuld gewesen, mir sollte so etwas nicht begegnen.«

      »Nun denn, teure Liselotte, Ihnen wird es auch nicht begegnen. Fahren Sie nun in Ihrer Beschreibung fort! Sie wurden ja gestern dem versammelten Hofe vorgestellt. Wie geschah Ihnen da? Wie fanden Sie vor allen Dingen den König?«

      »Ein stattlicher Herr!« rief Georg.

      »Ja, das ist er,« bestätigte die Prinzessin. »Von allen Männern hier hat er mir am wenigsten mißfallen. Er ist groß, schlank, und in seinen Worten und in seinen Mienen liegt eine gewisse zarte Vorsorge und ritterliche Galanterie gegen Damen. Seine Augen sind nicht groß oder schön, aber sie haben einen Strahl von Güte, der das Herz fesselt; obgleich man auch sie nicht näher prüfen darf, wenn man nicht alles will schwinden sehen. Ihm sah ich's an, daß er für meine verlassene Lage Anteil hatte. Ich sah es ihm an, wie er forschte, womit er mich erfreuen und erheitern könnte, da den andern nur Spott und Hohn ins Antlitz geschrieben stand. Er kam auf mich zu, und während er mir seinen Sohn vorstellte, sagte er verbindlich: ›Madame, wir rechnen Sie jetzt zu den Unseren; es ist nicht mehr als billig, daß Sie meinen Sohn kennenlernen, der sich ein Vergnügen daraus machen wird, Sie seine Tante zu heißen.‹ Ich dankte, gab dem Jüngelchen die Hand, und der König reichte mir den Arm, mit mir den Saal durchschreitend und mit allen denen gütig sprechend, die sich ihm darstellten. So kamen wir ins Freie, und er nötigte mich, in seinen Wagen zu steigen. Bei Hofe angelangt, verließ er mich keinen Augenblick. Durch alle die Säle und Säulengänge und prachtvollen Gemächer schritten wir, und alles bückte sich vor uns bis auf die Erde.«

      »Ach, wenn das Ihr Herr Vater gesehen hätte!« rief die Rätin entzückt. »Hätte Ihre Frau Mutter davon eine Ahnung gehabt, wie würde ihr Herz mit stolzer Freude erfüllt worden sein!«

      »Als wir uns dem Thronsaal näherten, flüsterte der König mir zu: ›Seien Sie nicht bange, Frau Herzogin, fürchten Sie nicht die Königin, ich bin überzeugt, sie fürchtet sich in diesem Augenblicke vor Ihnen. Sehen Sie, da steht sie! Die Dame im weißen, gestickten Kleide, nahe am Thronsessel! Sie bemerkt schon, daß wir kommen, und faßt Sie ins Auge.‹ Eine Gruppe hatte sich dazwischen gedrängt, allein sie wich mit einer Geschwindigkeit beiseite, als führe der Wind leichte Halme von dannen: die Königin stand allein. Ich hatte mir, durch meinen Führer angespornt, ein Herz gefaßt und sah ihr gerade in die Augen. Sie schlug den Blick nieder, hob ihn dann wieder, und ihre anfangs verwirrte Miene löste sich in Lächeln auf. Sie tat einen Schritt vor und bewegte die Hand, wie als wollte sie mich willkommen heißen. Meinen Gemahl zur Linken, den König zur Rechten, stand ich vor ihr.

      ›Hier ist die Frau Herzogin von Orleans, die ich Eurer Majestät vorstelle,‹ sagte der König und machte, halb zu mir gewandt, eine graziöse Verbeugung. Ich knickste, aber indem ich es tat, verwickelte sich mein Fuß in meinen Kleiderbesatz, und ich schwankte, stützte mich aber dabei etwas herzhaft auf des Königs Arm. Ein flüchtiges Lächeln glitt über das Antlitz der Königin, der König aber blieb ernst und tat, als wenn nichts geschehen wäre. Das werde ich ihm nicht vergessen, denn es hat mir trefflich über eine Verlegenheit hinweggeholfen.«

      »Ist die Königin groß oder klein?« fragte Georg.

      »Sie ist eher das letztere als das erstere: aber sie trägt sich so sicher und so königlich, daß man sie nicht übersehen kann. Als Spanierin hat sie die dunkeln Augen ihres Vaterlandes, und dazu sticht die blonde Hautfarbe trefflich ab,« entgegnete die Prinzessin. »Aber Herz hat sie auch nicht, das habe ich ihr angesehen. Als ich meinen Stuhl wählte, fand ich den König wieder an meiner Seite, der mir ein Zeichen gab, wenn ich aufstehen mußte, sobald irgendein Prinz von Geblüt eintrat. Alle Augenblicke kam ein neues Gesicht und ein neuer Titel; vergebens sah ich mich nach einer Person um, die hier alles gilt: nach der Marquise von Montespan; aber sie war nicht da. Unter all den Sternen, Ordensbändern, unter den Brillanten und Fächern fand ich nirgends eine so himmlische Gestalt, wie sie mir beschrieben worden.

      ›Wen suchen Sie?‹ fragte der König.

      Stotternd nannte ich meine Begleiterin, die Prinzeß Palatine.

      ›Sie spricht dort mit der Königin!‹ sagte der König. ›Soll ich sie zu Ihnen bescheiden?‹

      ›Nicht doch, Euer Majestät, ich bin zufrieden, sie so gut aufgehoben zu sehen.‹

      Durch die Aufmerksamkeit, die der König mir bewies, wurde mein Gemahl bewogen, sich mehr um mich zu kümmern. Er kam und bot seine Dienste an. Der König übergab mich ihm, und er führte mich im Saal herum. Ich lernte mehrere hohe Herren und Damen kennen, deren Namen wie ein Hauch an meinem Ohr dahinwehten und die ich sogleich wieder vergessen habe. Von jedem wußte der Herzog eine spaßhafte Anekdote zu erzählen. Als wir unsere Tour gemacht hatten, führte er mich zum König


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