G.F. Barner Staffel 5 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
Ein paar dieser Holzdinger sind ja da, aber sonst nur Zelte. Die Planen werden nie trocken, der Boden auch nicht. Das Stroh ist ständig feucht, das Leder unserer Schuhe – und was für Schuhe haben wir denn? – ist immer voller Schimmelflecken. Waffen – mein lieber Mann, die wissen verdammt genau, warum sie uns keine Waffen geben, die Burschen.
Es ist unmöglich zu fliehen. Es haben schon viele Männer versucht. Erstens ist ringsumher nur Sumpf, zweitens wird die einzige Straße, die aus dem Sumpf führt, ständig durch Wachen kontrolliert. Es würde leichter sein, aus einem Jail zu fliehen, statt aus Camp Seeblick, soviel ist sicher.
Zu Fuß, das ist die einzige Chance, aber es gibt hier Bluthunde, eine Menge Bluthunde, die man sich von Baumwollpflanzern geholt hat. Diese Hunde sind auf jede Spur dressiert, sie finden alles, was sie zu suchen haben. Man kommt nicht weg, hat man kein Pferd.
Ein Pferd, denkt Kliburn, mein Gott, ich möchte wirklich mal wieder auf einem Pferd sitzen, aber die Pferde stehen in einem Schuppen außerhalb des eingezäunten Lagers. Die Posten sehen jeden, der hinaus will. Ausgerechnet ich, ein Pferdemann, muß marschieren. So ein Irrsinn von mir, aber wir haben nun mal Hunger gehabt. Bei der Armee gibt es im vierten Kriegsjahr nichts mehr zu essen, wenn man Pech hat. Darum habe ich die beiden Pferde gestohlen, und dann haben wir sie gegessen. Was macht man nicht alles aus Hunger, was? Und was nicht alles für andere? Das ist das letzte Mal in meinem Leben gewesen, daß ich etwas für andere getan habe, soviel ist sicher. Zuerst haben sie gesagt: Du bist der geborene Pferdedieb, Sam, also versuch mal, ob du uns was für unsere leeren Mägen verschaffen kannst! – Und dann habe ich es versucht, aber danach – da haben sie mich im Stich gelassen. Na gut, habe ich gesagt, ich habe sie gestohlen, ist richtig, Captain, ich bin’s gewesen, ich allein. Konnte ich wissen, daß es der Gaul vom Colonel war, den wir aufgegessen haben?
Er grinst, der Sam Kliburn. Vielleicht hätte sein Captain die Sache abbiegen können, aber... Mensch, klaue einer bei der Armee ausgerechnet den Gaul vom Colonell Das gibt vielleicht einen Wirbel, Leute!
Sam Kliburn kichert, Quincy hebt den Kopf, er hat schon wieder ein halbes Dutzend Mücken um ihr kurzes Leben gebracht und fragt:
»Warum kicherst du, Kleiner?«
»Ich hab’ an den rotgesichtigen Colonel und seinen Gaul denken müssen, Quincy.«
»Höh«, antwortet Quincy. »Dessen Gesicht hätt’ ich mal sehen wollen, als er seinen Gaul vermißt hat.«
Quincy Morgen lacht laut, und Sergeant Ducan, der vorn geht, fährt herum.
»Wer lacht da, welcher Hornochse findet hier etwas lächerlich?« fragt er scharf und böse. »Quincy Morgen, sieh mal einer an, der Bulle da hinten, der ist es schon wieder. Quincy, was hast du zu lachen?«
Er läßt die anderen weitermarschieren und kommt auf seinen kurzen, stämmigen Beinen, die die Hosen prall sitzen lassen, einige Schritte herangestapft. Dabei blickt er aus seinen tiefliegenden, manchmal stechend wirkenden Augen Quincy an, der das Gesicht verzieht, nicht mehr lacht und knapp sagt:
»Der Kleine hat einen Witz gemacht. Na und? Kann man hier nicht mal mehr lachen? Willst du mir das verbieten, Ducan?«
Die 35 Strafsoldaten verlangsamen unwillkürlich ihre Schritte, sie kennen Ducan alle. Und kaum einer ist unter ihnen, der den Sergeanten nicht fürchtet. Dieser Ducan mit seiner vierschrötigen Figur, dem herabhängenden Schnauzbart und dem kurzgeschorenen Haar kann gemein werden, wenn man ihn ärgert. Und Quincy Morgen ist genau der Mann, über den sich Ducan immer ärgert. Die beiden mögen sich nicht. Weder kann Ducan Quincy leiden noch kann Quincy den Sergeanten sehen, ohne daß er ihn irgendwie frech ansieht.
Vielleicht kommt die Spannung zwischen den beiden daher, daß sie beide auf ihre Art unheimlich stark sind. Von Ducan sagt man, daß er eine volle Kneipe allein leerprügeln kann. Und von Quincy sagt man genau dasselbe.
Nun nennt Quincy den Sergeanten einfach Ducan, etwas, was Ducan sofort wild werden lassen muß.
»Abteilung«, sagt da Ducan auch schon fauchend und tritt zwei Schritte zur Seite. »Abteilung – halt!«
Sie halten an, aber wie sie anhalten, das kann jeden Sergeanten auf den höchsten Baum treiben. Dieser Haufen, den Ducan den größten Sauhaufen nennt, der ihm jemals untergekommen ist, bleibt so stehen, daß sich einem Sergeanten der Magen umdrehen muß. Hier schwankt ein Mann, dort macht einer noch einen halben Schritt – jener kratzt sich am Hinterkopf, der andere spuckt aus und zwei reden sogar.
»Das nennt ihr also halten?« fragt Ducan gefährlich leise. »Ihr nachgemachten Figuren, das soll die Ausführung eines Kommandos sein? Euch werde ich noch die Beine lang machen!«
Und dann folgen zwei Minuten all jene Ausdrücke, die sie alle kennen. Es sind so schöne Ausdrücke, daß man sie nur bei der Armee zu hören bekommen kann.
Endlich schweigt Ducan, er sieht die Männer der Reihe nach unheilverkündend an und konzentriert seinen Blick dann auf Quincy Morgen.
»Du lachst also, Morgen?« fragt er freundlich. »Du Großmaul, dessen Klappe einen Walfisch verschlingen könnte, du lachst, wie? Und der da, dieser Pferdedieb und Strolch, der erzählt Witze beim Marsch, Kliburn, du Schrumpf-Amerikaner, dir geht es also gut, wie? Dir geht es so herrlich, daß du sogar Witze erzählen kannst? Kliburn – Quincy! Achtung!«
Quincy starrt den Sergeanten an und nimmt langsam so etwas wie eine halbmilitärische Haltung ein. Kliburn wird etwas blaß, zuckt zusammen und drückt im Strammstehen das Kinn gegen die Brust.
»Liiinks!« brüllt Ducan. »Um!«
Sie führen das Kommando aus. Kliburn schnell, denn er kann nichts langsam tun, Quincy aber so bedächtig wie ein satter und müder Bär, den man aus dem Winterschlaf gescheucht hat. Nun stehen sie ihm Auge in Auge gegenüber. Kliburn sieht Harry Ducan so ruhig wie nur möglich an. Er ahnt schon, was jetzt kommt, es ist unabänderlich. Ducan ist so ruhig, daß man hinter der Ruhe seine Wut spüren kann.
Quincy Morgen aber grinst nur. Er grinst ganz offen, denn weder Ducan noch irgendein anderer Sergeant der Armee werden ihn jemals fertigmachen können, das weiß er nur zu gut.
»Quincy, du grinst ja noch immer?« fragt Ducan wütend. »Dir geht es auch zu gut, was? Du lachst gern, wie, und der da erzählt Witzchen, sieh mal einer an. Sie sind hier auf einem Sonntagsausflug, die schwatzen, erzählen sich Witze und lachen wie pilgernde Ausflügler am Sonntag. Quincy, weißt du, warum du hier bist?«
»’türlich«, sagt Quincy gelangweilt. »Ich hab’ drei Fässer mit Alkohol, die für ein Lazarett bestimmt gewesen sind, gestohlen, den Alkohol verdünnt und ihn ausgetrunken, Ducan. Ich sage dir, Mann, ich bin selten so prächtig betrunken gewesen!«
Ducan wird weiß vor Wut, knirscht mit den Zähnen und sagt dann:
»Der Alkohol ist für Verwundete bestimmt gewesen, für ein Lazarett, Mann! Sie hätten dich erschießen sollen, sofort erschießen.«
»Hätte dir so gepaßt«, erwidert Quincy. »Stell dir vor, dann hätte ich dich ja gar nicht zu sehen bekommen, du Etappenbulle!«
Jetzt ist Ducan schneeweiß, wird aber gleich darauf feuerrot.
»Private Quincy Morgen«, sagt Ducan – aber das gilt sicher für alle anderen, denn keiner hat mehr seinen alten Dienstrang. »Ich habe drei Jahre lang an der Front gestanden, ich bin nur hier, weil meine Beinwunde so lange Zeit gebraucht hat, um endlich zu heilen.
Ich habe sieben Auszeichnungen bekommen, damit du es genau weißt. Und wenn der Major mich gehen lassen würde, dann wäre ich längst nicht mehr bei euch Gesindel. Er läßt mich nur nicht gehen, weil er Leute wie mich braucht, Leute, die mit derartigem Gesindel, wie ihr es seid, fertig werden können. Darum bin ich noch hier, Burton, ich würde dreimal lieber an der Front sein. So, jetzt wißt ihr es. Und nun paß mal auf, Private Morgen! Da vorn fängt der Graben an, siehst du den, ja? Du auch, Kliburn? Dann ist es gut. Hinlegen!«
Quincy läßt sich im Zeitlupentempo auf die Knie herab, er sieht Ducan an und legt sich dann ächzend, dabei jedoch irgend etwas murmelnd, hin.