Schöne Gedichte. Joachim RingelnatzЧитать онлайн книгу.
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Ein Schutzmann
Ein Schutzmann wurde plötzlich krank
Und setzte sich auf eine Bank.
Dort saß bereits ein Stachelschwein.
Der Schutzmann setzte sich hinein.
Da schrie er: »Au!« und schrie er: »Oh!«
Und kratzte sich an dem Po–lizeihelm.
Unterm Tisch
Es war ein Stückchen Fromage de brie,
Das fiel untern Tisch. Man sah nicht wie.
Dort standen zwei Lackschuh mit silbernen Schnallen.
Die fanden an dem Fromage Gefallen
Und traten nach einiger Überwindung
Mit ihm in ganz intime Verbindung.
Als abends die beiden Schnallengezierten
In einer feudalen Gesellschaft soupierten,
Erhoben sich plötzlich zwei andere Schuhe
Und knarrten verlegen und baten um Ruhe
Und sagten, als alles ruhig war:
»Verehrte, es – riecht hier so sonderbar.«
Ein Nagel
Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!
Der Spiegel
Der Spiegel, der Kamm
Und der Schwamm
Und das weiße Handtuch an der Wand
Und ein Mann, der hinter dem Kleiderschrank stand,
Die warteten auf das schöne Mädchen
Käthchen.
Und endlich, endlich kam Käthchen gegangen.
Da küßte der Schwamm ihr Mund und Wangen,
Und sie küßte den Schwamm und beugte sich nieder
Und küßte das Handtuch und küßte es wieder.
Sie ließ sich von dem Spiegel umschmeicheln
Und von dem Kamme ihr Goldhaar streicheln.
Dann sagte sie allen recht schönen Dank.
Dann sah sie den Mann hinterm Kleiderschrank
Und rannte davon und schrie dabei:
»Zu Hilfe! Mörder!« und »Polizei!« – –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Der Mensch glaubt über den Dingen zu stehen.
Hier war das Gegenteil deutlich zu sehen.
Es war eine gelbe Zitrone
Es war eine gelbe Zitrone,
Die lag unter einer Kanone,
Und deshalb bildete sie sich ein,
Eine Kanonenkugel zu sein.
Der Kanonier im ersten Glied,
Der merkte aber den Unterschied.
– – – – – – – – – – – – – – – – –
Bemerkt sei noch zu diesem Lied,
Ein Unterschied ist kein Oberschied.
Das Nadelkissen
Das Nadelkissen bildete sich ein,
Mit dem Stachelschwein
Verwandt zu sein.
Das Nadelkissen
Ist, wie wir wissen,
Eine recht nützliche Erscheinung.
Natürlich sind wir ganz seiner Meinung.
Es war einmal ein Kannibale
Es war einmal ein Kannibale,
Der war aus Halle an der Saale.
Man sah ihn oft am Bodensee
Für zwanzig Pfennige Entree.
Ein bettelarmer, braver Mann
Ein bettelarmer, braver Mann,
Der Tag und Nacht nur Gutes sann
Und gar nichts mehr zu essen hatte
Als eine halbverweste Ratte,
Der auch kein Bett besaß zum Schlafen,
Der ging in seiner höchsten Not
Zu einem reichen, stolzen Grafen
Und bat ihn um ein Stückchen Brot.
Der Graf nahm das gewaltig übel
Und schlug mit dem Champagnerkübel
Den braven Bettler lächelnd tot.
Doch niemand wagte es, den Grafen
Für solche Freveltat zu strafen.
Und deshalb wurde sein Betragen
Dann mit den Jahren noch viel schlimmer. –
So manchen Leser hör’ ich sagen:
Ja, ja! – Ja, ja! – So ist das immer!