Stolz und Vorurteil. Джейн ОстинЧитать онлайн книгу.
jedermann wird von seinem Hochmut abgestoßen. Sie werden hier schwerlich ein freundliches Wort über ihn hören.«
»Ich will nicht vorgeben, es zu bedauern«, sagte Wickham nach einer kurzen Pause, »wenn er oder irgendwer nicht nach seinen Verdiensten beurteilt wird. Auf ihn trifft das aber kaum zu: alle Welt ist von seinem Reichtum und seiner Stellung geblendet oder durch sein hochfahrendes Wesen eingeschüchtert, und man sieht ihn nur so, wie er gesehen sein will.«
»Ich musste ihn schon nach meiner kurzen Bekanntschaft mit ihm für einen sehr schlechten Charakter halten.«
Wickham schüttelte nur den Kopf.
»Ich möchte gern wissen«, sagte er nach einer Weile, »ob er noch längere Zeit in dieser Gegend bleiben wird.«
»Darüber weiß ich gar nichts; als ich auf Netherfield war, hörte ich nichts von einer baldigen Abreise. Aber Ihre Pläne mit dem hiesigen Regiment werden doch hoffentlich nicht von seinem Hiersein berührt«
»O nein, ich habe keinen Grund, ihm aus dem Wege zu gehen. Wenn er mich nicht treffen will, muss eben er es tun. Wir sind heute nicht mehr miteinander befreundet, und es ist mir immer peinlich, ihm zu begegnen. Aber weshalb ich mich bemühe, ein häufigeres Zusammentreffen möglichst zu vermeiden, das darf die ganze Welt erfahren: weil ich mich nämlich von ihm hintergangen fühle und weil es mich tief kränkt, dass er so ist, wie er ist. Sein Vater, der alte Darcy, war einer der besten Menschen, die je gelebt haben, und mein treuester Freund; daher erweckt der Anblick des jungen Darcy in mir immer tausend schmerzlich liebevolle Erinnerungen. Er hat sich gegen mich in der unglaublichsten Weise benommen; aber ich könnte ihm alles vergeben, nur das eine nicht, dass er die Erwartungen seines Vaters enttäuscht und seinen Namen entehrt hat.«
Je mehr Elisabeth hörte, desto mehr wuchs ihre Spannung; aber ihr Zartgefühl verbot es ihr, Fragen zu stellen.
Mr. Wickham begann, über andere Dinge zu reden, über Meryton, die Umgebung, die Gesellschaft; er schien mit allem, was er bisher davon gesehen hatte, sehr zufrieden zu sein, und sprach davon mit einer Achtung, die umso angenehmer wirkte, als sie nicht übertrieben klang.
»Die Aussicht, ständig in den besten Kreisen verkehren zu können, hat mich hauptsächlich bewogen, hier um mein Patent einzukommen. Das Regiment war mir schon als eins der vornehmsten bekannt, und mein Freund Denny überredete mich vollends durch seine Erzählungen von dem schönen Quartier und der Aufmerksamkeit, die ihm in Meryton zuteil geworden sei. Geselligkeit ist für mich eine Lebensnotwendigkeit geworden. Die Enttäuschung, die ich erfahren habe, lässt mich die Einsamkeit fliehen. Ich brauche eine Beschäftigung, die mich ausfüllt, und Freunde, die mich ablenken. Eine militärische Laufbahn war nicht mein Ziel, aber Umstände haben mich sie jetzt wählen lassen. Ich hätte Geistlicher werden sollen und bin im Hinblick darauf erzogen worden; jetzt wäre ich in einer der einträglichsten Gemeinden im Amt, wenn es dem Herrn, von dem wir eben sprachen, nicht anders gefallen hätte.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich – der alte Darcy hatte mich für die beste Pfarre seines Patronats bestimmt. Er war mein Pate und mir überaus liebevoll gesonnen. Er wollte mich gut versorgt wissen und glaubte, das auf diese Weise erreicht zu haben; aber als die Pfarre frei wurde, erhielt sie ein anderer.«
»Mein Gott!« rief Elisabeth aus, »wie war das nur möglich? Wie konnte man so seinem letzten Willen zuwider handeln?«
»Das Testament enthielt eine geringfügige Ungenauigkeit, die dem Gesetz jede Möglichkeit genommen hätte einzuschreiten. Der wirkliche Sinn stand für einen rechtlich denkenden Menschen außer jedem Zweifel – Mr. Darcy jedoch sah sich bemüßigt, seinem Zweifel nachzugeben; er erklärte, das Testament enthalte nur eine bedingte Empfehlung und ich habe alle Ansprüche durch mein lockeres Leben, durch meine Verschwendungssucht, überhaupt aus allen erdenklichen Gründen verloren. Fest steht, dass die Stelle vor zwei Jahren frei wurde und dass ein anderer sie zugesprochen bekam; und nicht weniger steht fest, dass ich mir in aller Aufrichtigkeit nichts vorzuwerfen wüsste, weswegen ich ihrer hätte verlustig gehen müssen. Wahrscheinlich bin ich zu wenig vorsichtig in meinen Äußerungen, und es ist möglich, dass ich über Darcy und zu ihm selbst allzu freimütig gesprochen habe. Etwas anderes kann ich mir nicht denken. Die Sache ist eben die, dass wir grundverschiedene Charaktere sind und dass er mich hasst.«
»Das ist wirklich abscheulich! So etwas müsste öffentlich gebrandmarkt werden!«
»Früher oder später wird das auch geschehen, aber ich will nicht der Anlass dazu sein. Die Erinnerung an seinen Vater hindert mich, den Sohn bloßzustellen.«
»Aber«, fragte Elisabeth nach einer Weile, »was mag ihn zu einer so gemeinen Handlungsweise getrieben haben?«
»Vermutlich eine gewisse Eifersucht. Wäre der Vater mir weniger zugetan gewesen, dann hätte der Sohn mich vielleicht mehr geschätzt. Aber die Liebe, die der alte Mr. Darcy mir bewies, hat ihn wohl schon als Kind gereizt. Er war nicht so veranlagt, dass er eine Bevorzugung, wie ich sie genoss, mit Gleichmut hätte ertragen können.«
»So schlecht hatte nicht einmal ich von Mr. Darcy gedacht, wenn ich ihn auch von Anfang an nicht gemocht habe; für so schlecht hätte ich ihn nie gehalten! Ich nahm wohl an, dass er alle Welt verachtet, aber ich ahnte nicht, dass er zu einer so gemeinen Niedertracht, einer solchen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit herabsinken könnte!«
Nach einigen Augenblicken schweigenden Nachdenkens fügte sie hinzu: »Ich erinnere mich allerdings, dass er in Netherfield eines Tages mit seinem unversöhnlichen Charakter prahlte. Er muss ein abscheulicher Mensch sein!«
»Ich möchte mich darüber lieber nicht äußern«, entgegnete Wickham. »Ich kann darüber schwer unbefangen reden.«
Elisabeth schwieg wieder, tief in Gedanken versunken; dann rief sie aus: »Das Patenkind, den Liebling seines Vaters, den eigenen Freund in einer solchen Weise zu behandeln! Einen Freund noch dazu, der von frühester Kindheit an sein bester Gefährte gewesen ist!«
»Ja, den größten Teil unserer Kindheit verbrachten wir zusammen; wir wohnten im selben Haus, spielten die gleichen Spiele, von derselben väterlichen Liebe behütet. Mein Vater übte anfänglich denselben Beruf aus, dem Ihr Onkel hier mit so großem Erfolg nachgeht; aber dann gab er alles auf, um dem alten Mr. Darcy dienen zu können, und verwandte seine ganze Arbeitskraft und seine große Erfahrung auf die Verwaltung des Darcyschen Besitzes. Er stand in hohem