Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können. Immanuel KantЧитать онлайн книгу.
in solcher Allgemeinheit vorstellete, als es hier geschieht und geschehen muß, wenn die Beantwortung vor die ganze Metaphysik entscheidend werden soll. Denn, wie ist es möglich, sagte der scharfsinnige Mann: daß, wenn mir ein Begriff gegeben ist, ich über denselben hinausgehen, und einen andern damit verknüpfen kann, der in jenem gar nicht enthalten ist, und zwar so, als wenn dieser notwendig zu jenem gehöre? Nur Erfahrung kann uns solche Verknüpfungen an die Hand geben, (so schloß er aus jener Schwierigkeit, die er vor Unmöglichkeit hielt) und alle jene vermeintliche Notwendigkeit, oder welches einerlei ist, davor gehaltene Erkenntnis a priori, ist nichts als eine lange Gewohnheit, etwas wahr zu finden, und daher die subjektive Notwendigkeit vor objektiv zu halten.
Wenn der Leser sich über Beschwerde und Mühe beklagt, die ich ihm durch die Auflösung dieser Aufgabe machen werde, so darf er nur den Versuch anstellen, sie auf leichtere Art selbst aufzulösen. Vielleicht wird er sich alsdenn demjenigen verbunden halten, der eine Arbeit von so tiefer Nachforschung für ihn übernommen hat, und wohl eher über die Leichtigkeit, die nach Beschaffenheit der Sache der Auflösung noch hat gegeben werden können, einige Verwunderung merken lassen, auch hat es Jahre lang Bemühung gekostet, um diese Aufgabe in ihrer ganzen Allgemeinheit (in dem Verstande, wie die Mathematiker dieses Wort nehmen, nämlich hinreichend vor alle Fälle) aufzulösen, und sie auch endlich in analytischer Gestalt, wie der Leser sie hier antreffen wird, darstellen zu können.
Alle Metaphysiker sind demnach von ihren Geschäften feierlich und gesetzmäßig so lange suspendiert, bis sie die Frage: Wie sind synthetische Erkenntnisse a priori möglich? gnugtuend werden beantwortet haben. Denn in dieser Beantwortung allein besteht das Kreditiv, welches sie vorzeigen mußten, wenn sie im Namen der reinen Vernunft etwas bei uns anzubringen haben; in Ermangelung desselben aber können sie nichts anders erwarten, als von Vernünftigen, die so oft schon hintergangen worden, ohne alle weitere Untersuchung ihres Anbringens, abgewiesen zu werden.
Wollten sie dagegen ihr Geschäfte nicht als Wissenschaft, sondern als eine Kunst heilsamer und dem allgemeinen Menschenverstande anpassender Überredungen, treiben, so kann ihnen dieses Gewerbe nach Billigkeit nicht verwehrt werden. Sie werden alsdenn die bescheidene Sprache eines vernünftigen Glaubens führen, sie werden gestehen, daß es ihnen nicht erlaubt sei, über das, was jenseit der Grenzen aller möglichen Erfahrung hinausliegt, auch nur einmal zu mutmaßen, geschweige etwas zu wissen, sondern nur etwas (nicht zum spekulativen Gebrauche, denn auf den müssen sie Verzicht tun, sondern lediglich zum praktischen) anzunehmen, was zur Leitung des Verstandes und Willens im Leben möglich und sogar unentbehrlich ist. So allein werden sie den Namen nützlicher und weiser Männer führen können, um desto mehr, je mehr sie auf den der Metaphysiker Verzicht tun; denn diese wollen spekulative Philosophen sein, und da, wenn es um Urteile a priori zu tun ist, man es auf schale Wahrscheinlichkeiten nicht aussetzen kann, (denn was dem Vorgeben nach a priori erkannt wird, wird ebendadurch als notwendig angekündigt) so kann es ihnen nicht erlaubt sein, mit Mutmaßungen zu spielen, sondern ihre Behauptung muß Wissenschaft sein, oder sie ist überall gar nichts.
Man kann sagen, daß die ganze Transszendentalphilosophie, die vor aller Metaphysik notwendig vorhergeht, selbst nichts anders, als bloß die vollständige Auflösung der hier vorgelegten Frage sei, nur in systematischer Ordnung und Ausführlichkeit, und man habe also bis jetzt keine Transszendentalphilosophie: denn, was den Namen davon führt, ist eigentlich ein Teil der Metaphysik; jene Wissenschaft soll aber die Möglichkeit der letzteren zuerst ausmachen, und muß also vor aller Metaphysik vorhergehen. Man darf sich also auch nicht wundern, da eine ganze und zwar aller Beihülfe aus andern beraubte, mithin an sich ganz neue Wissenschaft nötig ist, um nur eine einzige Frage hinreichend zu beantworten, wenn die Auflösung derselben mit Mühe und Schwierigkeit, ja sogar mit einiger Dunkelheit verbunden ist.
Indem wir jetzt zu dieser Auflösung schreiten, und zwar nach analytischer Methode, in welcher wir voraussetzen, daß solche Erkenntnisse aus reiner Vernunft wirklich seien: so können wir uns nur auf zwei Wissenschaften der theoretischen Erkenntnis (als von der allein hier die Rede ist) berufen, nämlich reine Mathematik und reine Naturwissenschaft, denn nur diese können uns die Gegenstände in der Anschauung darstellen, mithin, wenn etwa in ihnen ein Erkenntnis a priori vorkäme, die Wahrheit, oder Übereinstimmung derselben mit dem Objekte, in concreto, d. i. ihre Wirklichkeit zeigen, von der alsdenn zu dem Grunde ihrer Möglichkeit auf dem analytischen Wege fortgegangen werden könnte. Dies erleichtert das Geschäfte sehr, in welchem die allgemeine Betrachtungen nicht allein auf Facta angewandt werden, sondern sogar von ihnen ausgehen, anstatt daß sie in synthetischem Verfahren gänzlich in abstracto aus Begriffen abgeleitet werden müssen.
Um aber von diesen wirklichen und zugleich gegründeten reinen Erkenntnissen a priori zu einer möglichen, die wir suchen, nämlich einer Metaphysik, als Wissenschaft, aufzusteigen, haben wir nötig, das, was sie veranlaßt, und als bloß natürlich gegebene, obgleich wegen ihrer Wahrheit nicht unverdächtige, Erkenntnis a priori jener zum Grunde liegt, deren Bearbeitung ohne alle kritische Untersuchung ihrer Möglichkeit gewöhnlichermaßen schon Metaphysik genannt wird, mit einem Worte die Naturanlage zu einer solchen Wissenschaft unter unserer Hauptfrage mit zu begreifen, und so wird die transszendentale Hauptfrage in vier andere Fragen zerteilt nach und nach beantwortet werden.
1) Wie ist reine Mathematik möglich?
2) Wie ist reine Naturwissenschaft möglich?
3) Wie ist Metaphysik überhaupt möglich?
4) Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?
Man siehet, daß, wenn gleich die Auflösung dieser Aufgaben hauptsächlich den wesentlichen Inhalt der Kritik darstellen soll, sie dennoch auch etwas Eigentümliches habe, welches auch vor sich allein der Aufmerksamkeit würdig ist, nämlich zu gegebenen Wissenschaften die Quellen in der Vernunft selbst zu suchen, um dadurch dieser ihr Vermögen, etwas a priori zu erkennen, vermittelst der Tat selbst zu erforschen und auszumessen; wodurch denn diese Wissenschaften selbst, wenn gleich nicht in Ansehung ihres Inhalts, doch, was ihren richtigen Gebrauch betrifft, gewinnen, und, indem sie einer höheren Frage, wegen ihres gemeinschaftlichen Ursprungs, Licht verschaffen, zugleich Anlaß geben, ihre eigene Natur besser aufzuklären.
1 Es ist unmöglich zu verhüten, daß, wenn die Erkenntnis nach und nach weiter fortrückt, nicht gewisse schon klassisch gewordne Ausdrücke, [A 42] die noch von dem Kindheitsalter der Wissenschaft her sind, in der Folge sollten unzureichend und übel anpassend gefunden werden, und ein gewisser neuer und mehr angemessener Gebrauch mit dem Alten in einige Gefahr der Verwechselung geraten sollte. Analytische Methode, sofern sie der synthetischen entgegengesetzt ist, ist ganz was anderes, als ein Inbegriff analytischer Sätze: sie bedeutet nur, daß man von dem, was gesucht wird, als ob es gegeben sei, ausgeht und zu den Bedingungen aufsteigt, unter denen es allein möglich. In dieser Lehrart bedienet man sich öfters lauter synthetischer Sätze, wie die mathematische Analysis davon ein Beispiel gibt, und sie könnte besser die regressive Lehrart, zum Unterschiede von der synthetischen oder progressiven, heißen. Noch kommt der Name Analytik auch als ein Hauptteil der Logik vor, und da ist es die Logik der Wahrheit, und wird der Dialektik entgegengesetzt, ohne eigentlich darauf zu sehen, ob die zu jener gehörige Erkenntnisse analytisch oder synthetisch seien.
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