Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma LagerlöfЧитать онлайн книгу.
mit dir, Hauptmann!«
»Du Weibsbild! Christian Bergh Krähen zu bieten! Handelte ich gegen dich, wie du es von Gottes und Rechts wegen verdienst, so nähme ich dich mitsamt deinen sieben Teufeln – «
»Bei allen Teufeln, Christian Bergh, untersteh dich nicht zu fluchen – hier darf nur ich allein fluchen.«
»Glaubst du, daß ich mich vor dir fürchte, du Hexe? Glaubst du, daß ich nicht weiß, woher du deine sieben Besitztümer hast?«
»Schweige, Hauptmann!«
»Als Altringer starb, gab er sie deinem Mann, weil du seine Liebste gewesen warst.«
»Schweig, sage ich dir!«
»Weil du eine so treue Gattin gewesen warst, Margarete Samzelius. Und der Major nahm die sieben Güter ruhig an und überließ dir die Verwaltung und tat, als wisse er von nichts. Und der Teufel hat die ganze Geschichte angezettelt. Jetzt aber soll es ein Ende haben mit dir!«
Die Majorin setzt sich, sie ist bleich, sie zittert am ganzen Leibe. Dann bestätigt sie seine Worte mit einer sonderbar leisen Stimme: »Ja, jetzt ist es aus mit mir, und das ist dein Werk, Christian Bergh!«
Bei dem Ton erbebt der starke Hauptmann; seine Züge verzerren sich, Tränen der Angst treten ihm in die Augen.
»Ich bin betrunken!« ruft er. »Ich weiß nicht, was ich sage, ich habe nichts gesagt. Hund und Sklave, Hund und Sklave und nichts weiter bin ich in diesen vierzig Jahren für sie gewesen. Sie ist Margarete Celsing, der ich mein ganzes Leben lang gedient habe. Ich sage nichts Böses von ihr. Sollte ich etwas über die schöne Margarete Celsing sagen? Ich bin der Hund, der ihre Tür bewacht, der Sklave, der ihre Lasten trägt. Sie kann mich schlagen, mich mit Füßen stoßen, aber ihr seht ja, daß ich schweige und leide. Ich habe sie vierzig Jahre lang geliebt. Wie sollte ich wohl etwas Schlechtes von ihr sagen!«
Und ein wunderlicher Anblick ist es, wie er sich ihr zu Füßen wirft und um Verzeihung bittet, und da sie an dem andern Ende des Tisches sitzt, geht er auf seinen Knien um den Tisch herum, bis er zu ihr gelangt; da beugt er sich herab, küßt den Saum ihres Gewandes und benetzt den Fußboden mit seinen Tränen.
Aber nicht weit von der Majorin sitzt ein kleiner, hagerer Mann. Er hat krauses Haar, kleine schielende Augen und einen vorstehenden Unterkiefer. Er gleicht einem Bären. Ein wortkarger Mann ist er, er geht am liebsten seine eigenen Wege und kümmert sich nicht um die Welt und ihr Treiben. Das ist Major Samzelius.
Er erhebt sich, als er Hauptmann Christians letzte Worte hört, und die Majorin erhebt sich und alle die fünfzig Gäste tun ein Gleiches. Die Frauen weinen aus Angst vor dem, was da kommen wird. Die Männer stehen verzagt da, und zu den Füßen der Majorin liegt Hauptmann Christian und küßt den Saum ihres Gewandes, während seine Tränen den Fußboden netzen.
Die breite behaarte Hand des Majors ballt sich langsam, er erhebt den Arm.
Sie aber redet zuerst. Es ist ein dumpfer Klang in ihrer Stimme, der ihr sonst fremd ist.
»Du hast mich gestohlen!« ruft sie aus. »Du kamst wie ein Räuber und nahmst mich. Daheim zwang man mich mit Hieben und Schlägen, mit Hunger und bösen Worten, dein Weib zu werden. Ich habe gegen dich gehandelt, wie du es verdientest.«
Die breite Faust des Majors hat sich geballt. Die Majorin zieht sich einen Schritt zurück. Dann spricht sie weiter: »Ein lebender Aal windet sich unter dem Messer, eine zur Ehe gezwungene Gattin schafft sich einen Liebhaber an. Willst du mich für das schlagen, was vor zwanzig Jahren geschah? Weshalb schlugst du mich damals nicht? Weißt du nicht mehr, daß er auf Ekeby wohnte und wir auf Sjö? Hast du vergessen, wie er uns aus unserer Armut half? Wir fuhren in seinen Wagen, wir tranken seinen Wein. Haben wir dir etwas verheimlicht? Waren nicht seine Diener unsere Diener? Füllte sein Gold nicht deine Taschen? Nahmst du die sieben Besitzungen nicht an? Damals hast du geschwiegen und alles angenommen; da hättest du dreinschlagen sollen, Berndt Samzelius, da hättest du dreinschlagen sollen!«
Der Mann wendet sich von ihr ab und sieht alle Anwesenden an. Er liest auf ihren Gesichtern, daß sie ihr recht geben, daß sie alle geglaubt, er habe Geld und Gut für sein Schweigen genommen.
»Ich wußte es nicht!« sagt er und stampft auf den Fußboden.
»Ein Glück, daß du es jetzt weißt!« unterbricht sie ihn mit schneidender Stimme: »Ich fürchtete, du würdest sterben, ohne es erfahren zu haben. Ein Glück, daß du es jetzt weißt, da kann ich offen mit dir reden, der du mein Herr und mein Gefängniswächter gewesen bist. So wisse denn, daß ich doch ihm angehört habe, dem du mich gestohlen. Alle, die mich verklatscht haben, sollen es wissen!«
Es ist die alte Liebe, die in ihrer Stimme jubelt, die aus ihren Augen strahlt. Sie sieht ihren Mann mit erhobener, geballter Faust vor sich stehen. Entsetzen und Verachtung liest sie auf den fünfzig Gesichtern vor sich. Sie fühlt, daß dies die letzte Stunde ihrer Macht ist. Aber sie kann nicht umhin, sich zu freuen, daß sie offen von den schönsten Erinnerungen ihres Lebens reden darf.
»Er war ein Mann, ein herrlicher Mann! Wer warst du, daß du dich zwischen uns stellen durftest? Nie habe ich seinesgleichen gesehen. Er schenkte mir Glück, er schenkte mir Hab und Gut. Gesegnet sei sein Andenken!«
Da senkt der Major den erhobenen Arm, ohne zuzuschlagen – jetzt weiß er, wie er strafen soll.
»Hinaus!« brüllt er, »hinaus aus meinem Haus!«
Sie regt sich nicht.
Die Kavaliere aber stehen mit bleichen Gesichtern da und starren einander an. Jetzt ging ja alles in Erfüllung, was der Schwarze geweissagt hatte. Jetzt sahen sie die Folge davon, daß der Kontrakt der Majorin nicht erneut war. Wenn dies wahr ist, so ist es wohl auch wahr, daß sie seit mehr denn zwanzig Jahren Kavaliere in die Hölle hinabgesandt hat, daß auch sie zu dieser Reise bestimmt gewesen sind. Oh, diese Hexe!
»Hinaus mit dir!« wiederholte der Major. »Erbettle dir dein Brot auf der Landstraße. Du sollst keine Freude mehr von seinem Geld haben, du sollst nicht auf seinen Gütern wohnen. Jetzt ist es aus mit der Majorin auf Ekeby. An dem Tage, wo du deinen Fuß in mein Haus setzt, schlage ich dich tot!«
»Verjagst du mich aus meinem Hause?«
»Du hast kein Haus! Ekeby gehört mir!«
Da kommt ein Geist der Verzagtheit über die Majorin. Sie weicht zurück bis an die Tür, und er folgt ihr auf den Fersen.
»Du, der du das Unglück meines Lebens gewesen bist«, klagt sie. »Sollst du nun auch Macht haben, mir dies anzutun?«
»Hinaus, hinaus mit dir!«
Sie lehnt sich gegen den Türpfosten, faltet die Hände und hält sie vor das Gesicht. Sie denkt an ihre Mutter und murmelt vor sich hin: »Möchtest du verleugnet werden, wie ich verleugnet worden bin. Möge die Landstraße dein Heim, der Graben dein Bett, der Kohlenmeiler deine Feuerstätte sein. So sollte es also doch geschehen, so sollte es also doch geschehen!«
Der gute alte Pfarrer aus Bro und der Landrichter aus Munkerud traten nun an den Major heran und versuchten, ihn zu beruhigen. Sie sagten ihm, daß er am besten daran tue, wenn er alle diese alten Geschichten ruhen lasse, wenn er alles beim alten ließe, vergessen und vergeben.
Es ist gefährlich, sich ihm zu nahen, sowie vorhin Christian Bergh.
»Das ist keine alte Geschichte«, ruft er. »Ich habe bis zum heutigen Tag nichts gewußt. Ich habe die Ehebrecherin bisher nicht strafen können.«
Bei diesem Wort richtet die Majorin den Kopf in die Höhe, ihr alter Mut kehrt wieder.
»Du sollst vor mir aus dem Hause hinaus! Glaubst du, daß ich dir weiche?« sagt sie. Und sie nähert sich der Tür.
Der Major antwortet nicht, aber er verfolgt eine jede ihrer Bewegungen mit den Augen, bereit zuzuschlagen, wenn er sie nicht auf andere Weise loswerden kann.
»Helft mir, ihr guten Herren«, ruft sie, »damit wir den Mann binden und hinausschaffen können, bis er seine Vernunft