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Tante Lisbeth. Оноре де БальзакЧитать онлайн книгу.

Tante Lisbeth - Оноре де Бальзак


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die Baronin, indem sie den Bürgergardisten unterbrach.

      »Das Wort besagt zu wenig!« beteuerte dieser, wobei er seine rechte Hand aufs Herz drückte und die Augen hochrollte. Wohl jede Frau, die diese Mimik kalten Sinnes zu sehen bekommt, lacht. »Verliebt? Verliebt!« fuhr Crevel fort. »Sagen Sie: Verzaubert!«

      »Passen Sie einmal auf!« sagte die Baronin, zu ernst, um lachen zu können. »Sie sind fünfzig Jahre alt, folglich zehn Jahre jünger als mein Mann. Ich weiß das wohl. Aber wenn eine Frau in meinen Jahren noch Torheiten begeht, so muss sich das rechtfertigen durch Jugend oder Schönheit oder Berühmtheit oder Macht oder durch irgendeine Aureole, in deren Glanz und Sonne man sogar seine Jahre vergisst. Wenn Sie fünfzigtausend Francs Jahreseinkommen haben, so macht dies Ihr Alter wett. Im übrigen aber besitzen Sie nichts von dem, was eine Frau verlangt.«

      »Meine Liebe?« fragte der Bürgergardist, indem er aufstand und sich der Baronin näherte. »Meine Liebe, die ...«

      »Nein, nein, Herr Crevel, das ist eine beharrliche Einbildung von Ihnen!« unterbrach sie ihn, um dem lächerlichen Auftritt Einhalt zu tun.

      »Jawohl, ganz recht: beharrliche Liebe!« rief er aus, »und mehr noch: auch eine berechtigte ...«

      »Berechtigt?« fuhr die Baronin auf. Ihre Entrüstung, ihr Stolz, ihre Verachtung verliehen ihr etwas Großartiges. »Wenn es in diesem Tone weitergehen soll, werden wir niemals zu Ende gelangen. Ich habe Sie nicht hergebeten, damit wir über Dinge reden, die trotz der Verbindung unsrer beiden Familien zu vermeiden sind ...«

      »Ich dachte ...«

      »Nochmals«, fuhr sie fort, »Herr Crevel, erkennen Sie denn nicht aus der freimütigen und offenen Art, mit der ich mich mit Ihnen über Liebe und Liebhaber unterhalte – über die gefährlichsten Themen, die es für Frauen gibt –, erkennen Sie daran nicht, dass ich mich in meiner Ehrbarkeit ganz und gar sicher fühle? Ich fürchte nichts; nicht einmal, um meinen guten Ruf zu kommen, indem ich mich zusammen mit Ihnen einsperre! Benehme ich mich denn wie ein schwaches Weib? Sie wissen doch wohl, warum ich Sie hergebeten habe?«

      »Nein, gnädige Frau«, gab Crevel zur Antwort, indem er ein gleichgültiges Gesicht zog. Er biss sich auf die Lippen und saß steif da. Die Baronin betrachtete ihn.

      »So! Um das für beide Teile peinliche Gespräch abzukürzen, will ich mich kurz fassen.«

      Crevel machte eine ironische Verbeugung, an der ein Fachmann das verbindliche Getue des ehemaligen Commis voyageur wiedererkannt hätte.

      »Unser Sohn ist der Mann Ihrer Tochter ...«, begann die Baronin.

      »Leider Gottes!« seufzte Crevel.

      »Diese Ehe würde ein zweites Mal nicht zustande kommen«, fuhr Frau von Hulot lebhaft fort, »das ist mir völlig klar. Trotzdem brauchen Sie sich nicht zu beklagen. Mein Sohn ist einer der ersten Pariser Rechtsanwälte, dazu seit einem Jahre Abgeordneter. Sein erstes Auftreten in der Kammer war glänzend genug, um hoffen zu können, dass er in nicht zu langer Zeit einmal Minister werden wird. Viktor ist zweimal zum Referenten bei der Einbringung wichtiger Gesetze gewählt worden. Wenn er es wollte, könnte er bereits Generalanwalt am Kassationshofe sein. Da Sie mir dennoch zu verstehen geben, Sie hätten einen Schwiegersohn ohne Vermögen ...«

      »Ein Schwiegersohn«, unterbrach sie Crevel, »den ich unterhalten muss, das dünkt mich eine üble Sache, gnädige Frau. Von der halben Million, die meine Tochter als Mitgift bekommen hat, sind zweimalhunderttausend Francs Gott weiß wohin! Die Schulden Ihres Herrn Sohnes sind davon bezahlt worden, die Prachteinrichtung seines Hauses, eines Hauses, das eine halbe Million wert ist, aber keine fünfzehntausend Francs Zinsen bringt, weil er den schönsten Teil darin selber bewohnt, obgleich zweihundertsechzigtausend Francs Hypotheken darauf stehen. Der Mietertrag deckt knapp die Hypothekenzinsen. In diesem Jahre gebe ich meiner Tochter so an die zwanzigtausend Francs, damit die ganze Karre nicht im Dreck steckenbleibt. Mein Schwiegersohn, der wirklich seine dreißigtausend Francs im Jahre verdienen könnte, vernachlässigt seine Tätigkeit an den Gerichtshöfen zugunsten seiner Beschäftigung als Abgeordneter ...«

      »Herr Crevel, wir halten uns immer noch bei der Vorrede auf und kommen so nicht zur Sache. Machen wir Schluss damit! Mein Sohn wird Minister, Sie sind durch ihn Ritter der Ehrenlegion geworden und Stadtrat von Paris. Als ehemaliger Parfümerienhändler können Sie sich also wirklich nicht beklagen!«

      »Darauf geht's also hinaus, gnädige Frau! Ich bin ein privatisierender Krämer, Tütendreher, Verkäufer von Hautsalbe, Kopfwasser und Haaröl. Muss mich hochgeehrt fühlen, dass ich meine einzige Tochter an den Sohn des Herrn Baron Hulot von Ervy verheiratet habe, dass sie Baronin geworden ist! Aber leben wir denn in der Zeit der Regentschaft oder unter Ludwig XV.? Rokokofaxen! Was geht mich das an? Ich liebe Cölestine, wie man seine eigene Tochter eben liebt. Ich liebe sie dermaßen, dass ich ihr zuliebe, um ihr keine Geschwister in die Welt zu setzen, all die Unbequemlichkeiten, in Paris Witwer zu sein, auf mich geladen habe, und das in meinen besten Jahren, gnädige Frau! Aber glauben Sie mir: trotz dieser sinnlosen Liebe zu meiner Tochter werde ich mein Vermögen nicht für Ihren Sohn verpulvern. Sein Aufwand scheint mir, dem ehemaligen Kaufmann, einer sauberen Rechnung zu entbehren.«

      »Herr Crevel, wir haben gerade jetzt auf dem Posten des Handelsministers einen ehemaligen Parfümerienhändler aus der Rue des Lombards: Herrn Popinot ...«

      »Mein Freund Popinot!« rief Crevel aus. »Gnädige Frau, ich, Cölestin Crevel, ich war doch einmal erster Kommis beim alten Cäsar Birotteau. Von besagtem Birotteau, Popinots Schwiegervater, habe ich mein Geschäft gekauft. Popinot war damals auch bloß einfacher Verkäufer bei dieser Firma. Er ist es, der mich immer an all das erinnert, denn eingebildet ist er nicht – das muss man ihm lassen! –, das heißt wohlhabenden Leuten gegenüber, Leuten, die sechzigtausend Francs im Jahre zu verzehren haben ...«

      »Sehen Sie, Herr Crevel, jene Kulturwelt, die Sie eben mit dem Worte Regentschaft charakterisiert haben, hat wirklich nichts gemein mit einer Zeit, wo man die Menschen nach ihrem persönlichen Werte schätzt. Und das haben Sie doch getan, als Sie Ihre Tochter meinem Sohne zur Frau gaben ...«

      »Ach, Sie wissen nicht, wie diese Heirat zustande gekommen ist«, unterbrach Crevel sie heftig. »Dieses verdammte Junggesellenleben! Ohne meine Weibergeschichten wäre meine Cölestine heute die Vicomtesse Popinot!«

      »Ich sage Ihnen zum letzten Male, machen wir uns keine gegenseitigen Vorwürfe in Dingen, die nun einmal geschehen sind!« sagte die Baronin festen Tones, »Reden wir einmal über die bedauerliche Tatsache Ihres sonderbaren Verhaltens. Meine Tochter Hortense hätte sich verheiraten können. Das hing lediglich von Ihnen ab. Ich habe Ihnen Edelmut zugetraut, ich habe geglaubt, Sie würden eine Frau in Frieden lassen, deren Herz ihrem Gatten immerdar treu geblieben ist. Ich habe geglaubt, Sie würden einsehen, dass es eine Unmöglichkeit für mich ist, jemanden zu empfangen, der imstande ist, mich bloßzustellen. Und ich habe geglaubt, Sie würden es sich auf das eifrigste angelegen sein lassen, die Verbindung Hortenses mit dem Regierungsrat Lebas zu fördern – der Familie zu Ehren, mit der auch Sie verwandt sind. Nichts von alledem, Herr Crevel! Sie haben diese Heirat hintertrieben.«

      »Gnädige Frau«, gab der ehemalige Parfümerienhändler zur Antwort, »ich habe durchaus ehrlich gehandelt. Man hat sich bei mir erkundigt, ob die zweihunderttausend Francs, die Fräulein Hortense mitbekommen soll, bar vorhanden seien. Meine Antwort hat wörtlich wie folgt gelautet: ›Ich kann nicht dafür bürgen. Mein Schwiegersohn, dem die gleiche Summe bei seiner Verheiratung zur Verfügung stehen sollte, war verschuldet, und ich glaube, wenn Herr Hulot von Ervy morgen stürbe, wäre seine Witwe mittellos.‹ Das war meine Auskunft, Verehrteste!«

      Die Baronin sah Crevel scharf an.

      »Hätte Ihre Auskunft ebenso gelautet, wenn ich Ihnen zuliebe pflichtvergessen wäre?«

      »Dann hätte ich kein Recht gehabt, so zu reden!« bemerkte der sonderbare Verliebte. »Die Mitgift würde Ihnen aus meiner Brieftasche zur Verfügung gestanden haben.«

      Wie zum Beweise seiner Worte sank der dicke Crevel vor der Baronin auf die Knie und küsste ihr die Hand. Seine Rede hatte sie in wortlose Angst versetzt.


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