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Lebensbilder - Оноре де Бальзак


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85) im »Freischütz«, mit dem übrigens im Jahre 1853 die Beziehungen zu Ende waren, und den Schiff in einem »Silvesterscherz« der »Reform« (1853, Nr. 105) scharf angriff. Dieser gezwungene Scherz heißt »Agathe Frei-Schütz. Eine Grüneberger Lokalnovelle«; die handelnden Personen tragen, um eine Beziehung zu dem Titel der Zeitung »Freischütz« herbeizuführen, die aus der Oper bekannten Namen Max und Agathe.

      Sie sind Weinhändler in Grüneberg geworden, konnten jedoch dabei nicht bestehen und gaben später den »Freischütz« heraus, der nur in Grüneberg gelesen wird. All die bekannten Wunderkräfte und Eigenschaften des Grüneberger Weines sind auf diesen übergegangen.

      Für die »Reform« schrieb dann Schiff eine größere Anzahl von Novellen. Interessant ist, daß er auch jetzt seine Fähigkeit, sich in dichterische Vorbilder einzuleben, betätigte, wie er es schon zur Zeit der Abfassung der Balzacschen »Lebensbilder« getan hatte. In der »Reform« für 1851 war der Beginn einer Novelle »Die Proletarier« von Berthold Heitmann abgedruckt worden, die nicht weiter erscheinen konnte, da bei einer aus politischen Gründen erfolgten Verhaftung des Verfassers auch sein Manuskript beschlagnahmt wurde. Nun führte Schiff die Geschichte zu Ende.

      Es ist ein hübscher Zug des Fortsetzers, daß er »Die Proletarier« mit einem Toast auf B. Heitmann schließen läßt. Man wünscht diesem, daß Not und Mißgeschick, welche manche edle Talente Deutschlands schon zugrunde gerichtet, ihm nichts anhaben mögen, damit er die reiche, ihm verliehene Gabe zu Ehren seiner Vaterstadt und seiner Mitbürger für alle Zukunft geltend mache. Sorgen und Gram mögen ihn nie mehr verbittern wider Welt und Leben, damit er, den Proletariern gleich, deren Interessen er vertrete, mit Ausdauer, Bescheidenheit und Lust seine Aufgabe vollende. –

      Die umfangreichste von allen in der »Reform« veröffentlichten Novellen heißt »Luftschlösser«. (Eine Erinnerung an 1848; »Reform« 1851, Nr. 88–103; als Buch bei Hoffmann und Campe 1854.) Unter diesem gemeinsamen Titel vereinigt Schiff drei Novellen »Luftschlösser«, »Noch ein Luftschloß« und »Helden des dreißigjährigen Friedens«, durchaus verworrene, wildphantastische, durch die Sucht des Autors, immer neue grobe Effekte anzubringen, nicht sehr erfreuliche Geschichten, die märchenhafte mit novellistischen Motiven recht äußerlich vereinigen. Jede Einheitlichkeit und Planmäßigkeit, aber auch jeder Darstellungsstil fehlt. Relativ am besten sind noch die »Luftschlösser«, in denen Schiff ein Kontrastbild zwischen üppigem Wohlleben und tiefster Armut entrollt, die endlich zur Selbsthilfe greift und die Sturmtage des Jahres 1848 entfacht. Als echter Demokrat ergreift Schiff für die Armen und Gedrückten Partei. Er billigt die wüsten Ausschreitungen, die sie sich zuschulden kommen lassen. Auffallend ist, wie stark er auch hier noch unter BalzacsEinfluß sieht, in dessen Manier die handelnden Frauen und die prunkvolle Ausstattung eines Bankierhauses geschildert werden. Manche Szene ist direkt aus den »Lebensbildern« übernommen, wie z.B. die, in der sich ein Vater (vgl. »Der Ball im Freien«) vor seiner verwöhnten Tochter fürchtet, und der, ehe er sie empfängt, in seinem Arbeitszimmer peinliche Ordnung macht. – »Die Helden des dreißigjährigen Friedens« behandeln ein durch die Zeitereignisse etwas überholtes Sujet: Die Nichtigkeiten, mit denen man sich von 1815–1848 in Deutschland abgeben mußte, als man sich an Virtuosen, Tierkomödien, Wunderkindern und ähnlichen Abgeschmacktheiten bis zur Siedehitze begeisterte. In seinem »Duett« hatte schon Mundt diese Auswüchse des geistigen Lebens Deutschlands verhöhnt, und Schiffs Satire kam wohl etwas post festum. Wenn er sich über den Enthusiasmus, den Paganinis Auftreten in ganz Europa erregt hatte, in der bittersten Weise lustig macht, so borgt er dabei aus Laubes Parodie »Zaganini«, und nur Vergeßlichkeit mag es verschuldet haben, wenn er es verspottet, daß sogar »Bratschen-Heilande« sich bewundern ließen. Denn er selbst hatte ja versucht, Erlöser der Bratsche auf den Konzertpodien zu werden.

      Schiffs novellistische Tätigkeit konnte ihm kaum den nötigsten Unterhalt erwerben. Im Hamburger Staatsarchive findet sich eine Abrechnung des Verlegers Richter über Honorare, die er seinem Mitarbeiter zahlte, aus der die wahrhaft kläglichen Summen bekannt werden, mit denen Schiff abgelohnt wurde. So erhielt er für den Schluß der »Proletarier« 12 Mark Banko, für »Luftschlösser« – 52 Mark. Dagegen mußte er für Kost und Logis monatlich 30 Mark an Richter bezahlen. Solche Honorare hätten einen festeren Charakter, als es Schiff war, moralisch verderben können; denn was er an Geld erhielt, damit würde sich heute kaum der letzte Reporter abfinden lassen. Natürlich mußte er trachten, sich andere Einkünfte zu verschaffen, und so begründete er unter Richters Beistand Mitte September 1851 in Altona ein politisches Volksblatt »Vetter Michel«, für dessen sechswöchige Redaktion er – 45 Mark erhielt. Von dieser Zeitschrift erschienen im ganzen elf Nummern, die zum größten Teil Schiff selbst schrieb. Wichtig sind darin jüdisch-politische Gespräche, wie solche in den Hamburger Zeitungen seit 1848 üblich waren. Die »Reform« brachte gelegentlich (1848 – 1851) Standreden und Briefe eines Isaak Moses Hersch aus Berlin über politische Angelegenheiten (mit stark antiösterreichischer Tendenz).

      Schiff hat unter dem Titel »Schabbesschmuh der Familie Absatz« im »Vetter Michel« ständige Unterhaltungen des Kolporteurs Absatz, seiner Tochter Vögelche und Motje Schreiers eingeführt. Anfangs erschienen diese Gespräche unter dem Namen M. Cohen, in Nr. 3 des »Vetter Michel« gab sich aber Schiff als Verfasser zu erkennen. Es sind Klagen des Kolporteurs über die Lesebedürfnisse des Publikums, wobei Schiff diesen Stellung gegen das »junge Deutschland« nehmen läßt, das das Interesse für Romane vernichtet und proklamiert habe, jedes belletristische Werk müsse »Gesinnungen« enthalten. Die Ereignisse des Jahres 1851 werden ziemlich witzig glossiert, gegen Österreich sehr heftig Stellung genommen. Vögelche ist sehr gebildet, kennt Jean Paul und Goethe genau und wundert sich, daß Goethe in einer Zeit, wo alles verboten sei, nicht verboten werde, obwohl er gefährliche, anarchistische Grundsätze predige. Und sie staunt auch darüber, daß man die Schriften kleiner Literaten konfisziere, während die Goethes unbeanstandet bleiben. Sehrsonderbar findet sie es, daß man Kossuth in Österreich einen Galgen und in England eine Ehrenpforte baue, und ihr Vater erwidert: »Gönne Österreich den Galgen und England die Ehrenpforte« [* Dieser »Schabbesschmuh« erschien 1866 in Buchform bei Richter] .

      Eines langen Bestandes hatte sich der »Vetter Michel« nicht zu erfreuen. Im Oktober 1851 wurde er behördlich verboten und Schiff verhaftet. In Nr.11 des »Vetter Michel« vom 21. Oktober befand sich nämlich unter der Überschrift »Unerhört, wenns wahr ist« ein Artikel, in dem ein Konflikt zwischen einem preußischen und einem in Rendsburg stationierten österreichischen Offizier erzählt und einzelne Bemerkungen daran geknüpft waren, die keine günstige Meinung von k. k. Offizieren erregen konnten. Infolgedessen wurde Schiff am 26. verhaftet [* Über diese Verhaftung vgl. Varnhagens Tagebücher VIII, 397] und gleichzeitig die fernere Ausgabe des Blattes verboten. Bei der Hausdurchsuchung wurde (nach dem Bericht der »Reform« Nr. 87) nichts gefunden, zumal Schiff damals mit der »romantischen Volksbibliothek« beschäftigt war, deren Herausgabe er für Richter besorgen sollte.

      Das Verbot machte (Bericht der »Reform« Nr. 88) großes Aufsehen, und man petitionierte (aber erfolglos) von allen Seiten um Wiedergestattung des Blattes. Als Verfasser des betreffenden Artikels im »Vetter Michel« meldete sich ein Advokat, Dr. H. Evers, in Hamburg (»Reform«, 88). Dennoch wurde Schiff erst am 25. November gegen eine Kaution von 1500 Mark, die Richter erlegte, aus der Haft entlassen, das Blatt aber blieb weiterhin verboten. Auf Schiff war die Hamburger Behörde nun nicht mehr gut zu sprechen, obwohl er nichts weiter getan hatte, als daß er den Aufsatz des Doktors Evers in sein Blatt aufnahm. Dennoch suchte man sich seiner zu entledigen, und am 23. Dezember 1851 wurde er aus Hamburg ausgewiesen. Natürlich war nur seine österreichfeindliche und radikaldemokratische Schriftstellerei Anlaß dieser unberechtigten Maßregel, die jedoch, da man in einer Republik gegen demokratische Anschauungen, die übrigens beinahe von der ganzen Hamburger Bevölkerung geteilt wurden, nicht öffentlich Stellung nehmen wollte, damit motiviert wurde, daß Schiff durch seine – Verheiratung mit einer Ausländerin sein Hamburger Bürgerrecht und damit den Aufenthalt in Hamburg verwirkt habe.

      In der an Heine gerichteten Vorrede zu den »Luftschlössern« äußerte sich Schiff in sehr amüsanter Weise über diese Ausweisung. Er spricht darin zunächst Heine seinen Dank für die Anerkennung des »Schief-Levinche« aus und fährt dann fort:

      »Ich will dir aufrichtig sagen, wer ich bin. Laut Dekret


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