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Die alte Jungfer. Оноре де БальзакЧитать онлайн книгу.

Die alte Jungfer - Оноре де Бальзак


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dem Chevalier zuschulden kommen lassen, so hätte sie gesagt: »Er ist so liebenswürdig!« Obwohl also dieses Haus, wie übrigens alle Häuser der Provinz, gleichsam aus Glas war, so war es doch, bezüglich Monsieur de Valois', verschwiegen wie eine Diebeshöhle. Der Chevalier, der der geborene Vertraute der kleinen Intrigen der Plättstube war, ging nie an deren Tür vorbei, die größtenteils offenblieb, ohne seinen kleinen Kätzchen etwas zu schenken: Schokolade, Bonbons, Bänder, Spitzen, ein goldenes Kreuz, allerlei Tand, wonach diese kleinen Mädchen närrisch sind. Der Chevalier wurde darum auch von ihnen angebetet. Die Frauen haben einen Instinkt für jene Männer, die sie allein deswegen, weil sie einen Rock tragen, vergöttern, die glücklich in ihrer Nähe sind und nicht daran denken, töricht Vorteil aus ihrer Galanterie ziehen zu wollen. Sie haben in diesem Punkt den Spürsinn des Hundes, der in einer Gesellschaft geradeswegs auf den Mann zugeht, dem die Tiere heilig sind. Der arme Chevalier hatte sich aus seinem früheren Leben das Bedürfnis bewahrt, das den Grandseigneur verriet, die Frauen unter seinen galanten Schutz zu nehmen. Stets dem System des ›petite-maison‹ treu, liebte er es, die Frauen, die einzigen Wesen, die zu empfangen verstehen, weil sie immer vergüten können, zu bereichern. Ist es nicht seltsam, dass in einer Zeit, wo die Schüler, wenn sie die Schule hinter sich haben, sich daranmachen, Mythen und Symbole aufzustöbern und auszulesen, noch keiner daran gedacht hat, die Liebesspiele des achtzehnten Jahrhunderts zu erklären? Waren sie nicht das Turnier des fünfzehnten Jahrhunderts? Um 1550 schlugen sich die Ritter für die Damen; 1750 führten sie ihre Mätressen nach Longchamp; heute lassen sie ihre Pferde rennen; zu allen Zeiten ist der Edelmann bemüht gewesen, sich eine Lebensweise zu schaffen, die ihm allein zu eigen war. Die Schnabelschuhe des vierzehnten Jahrhunderts waren die roten Absätze des achtzehnten, und der Luxus der Mätressen von 1750 war eine ähnliche Zurschaustellung wie die Gefühle der fahrenden Ritter. Aber der Chevalier konnte sich nicht mehr für eine Geliebte ruinieren. Anstatt der in Banknoten eingewickelten Bonbons bot er galant eine Tüte mit frischen Pfeffernüssen. Zur Ehre Alençons sei es gesagt, dass dieses Gebäck mit größerer Freude entgegengenommen wurde, als die Duthé ihrerzeit vom Comte d'Artois eine Toilettengarnitur aus vergoldetem Silber oder eine Equipage empfing. All diese Grisetten hatten die gefallene Majestät des Chevaliers de Valois begriffen und wahrten die tiefste Verschwiegenheit über ihre gemeinsamen Heimlichkeiten. Wenn man sie in einigen Häusern der Stadt über den Chevalier de Valois befragte, so machten sie ihn alt und sprachen ehrbar von ›Monsieur‹, er wurde dann ein ehrwürdiger Edelmann, der ein geradezu heiliges Leben führte; aber zu Hause hätten sie sich auf seine Schulter gesetzt, wie Papageien. Er liebte es, die Geheimnisse zu erfahren, welche die kleinen Wäscherinnen in den Haushalten entdeckten; sie kamen daher des Morgens, ihm den Klatsch von Alençon zu hinterbringen. Er nannte sie seine Zeitungen im Unterrock, seine lebenden Feuilletons. Niemals hatte Monsieur de Sartine solche geschickten und so billige Spione, die gleichviel Spitzbüberei entfalteten und doch soviel Ehre bewahrten. Während seines Frühstücks amüsierte sich der Chevalier also auf eine unvergleichbare Weise.

      Suzanne, einer seiner Lieblinge, klug, ehrgeizig, hatte das Zeug zu einer Sophie Arnould in sich und war überdies schön wie die schönste Kurtisane, die Tizian jemals auf schwarzen Samt zu betten gewünscht hätte, damit sie seinem Pinsel helfe, eine Venus zu schaffen; doch sündigte ihr Gesicht, das in der Bildung der Stirn und der Augen Feinheit hatte, durch die gewöhnlichen Umrisse seiner untern Partie. Es war die normannische Schönheit, frisch, blendend, strotzend, das Fleisch von Rubens, das mit den Muskeln des Herkules Farnese vermählt werden musste, und nicht die Venus von Medici, diese anmutsvolle Frau Apollos.

      »Nun, meine Kleine, erzähle mir dein großes oder kleines Abenteuer!« sagte der Chevalier.

      Was den Chevalier von Paris bis Peking ausgezeichnet hätte, war die väterliche Art seines Umgangs mit diesen Grisetten. Sie erinnerten ihn an die Dämchen von ehemals, jene berühmten Königinnen der Oper, die während eines guten Drittels des achtzehnten Jahrhunderts in ganz Europa berühmt waren. Es ist nicht zu leugnen, dass der Edelmann, der vormals mit dieser weiblichen Nation gelebt hatte, die, wie alle großen Dinge – die Jesuiten und die Freibeuter, die Abbés und die Steuerpächter – nunmehr in Vergessenheit geraten ist, eine unwiderstehliche Gutmütigkeit, eine graziöse Leichtigkeit, eine Ungeniertheit ohne allen Egoismus erlangt hatte. Es war das Inkognito Jupiters bei Alkmene, des Königs, den man foppen darf, der die Göttlichkeit seiner Blitze zu allen Teufeln fahren lässt und seinen Olymp mit Torheiten, kleinen Soupers, besonders aber, fern von Juno, mit allerhand Weiblichkeiten verjubeln will. Trotz seines alten Schlafrocks aus grünem Damast, trotz der Kahlheit des Zimmers, in dem er empfing, wo anstatt eines Teppichs eine schlechte Decke auf dem Boden lag, wo fettige alte Sessel standen, die Wände mit einer Herbergstapete beklebt waren, auf der hier die Profile Ludwigs XVI. und seiner Familie in einer Trauerweide eingezeichnet waren, dort die Heilige Schrift in Form einer Urne aufgedruckt war, kurz, alle Sentimentalitäten, die der Royalismus unter der Schreckenszeit erfunden hatte; trotz seiner Altersspuren atmete der Chevalier, der sich vor einem mit schlechten Spitzen gezierten alten Toilettentisch rasierte, achtzehntes Jahrhundert. Die ganze leichtfertige Anmut seiner Jugend tauchte wieder auf, er schien dreihunderttausend Livres Schulden reich zu sein und sein Vis-à-vis vor der Tür stehen zu haben. Er war so groß wie Berthier, der bei der Niederlage von Moskau seine Befehle den Bataillonen einer Armee erteilte, die nicht mehr existierte.

      »Monsieur le Chevalier«, sagte Suzanne drollig, »mir scheint, ich habe Ihnen gar nichts zu erzählen, Sie brauchen nur zu sehen.«

      Und Suzanne stellte sich so, dass ihre Seitenansicht: zu sehen war, um ihren Worten überzeugenden Kommentar beizugeben. Der Chevalier, der, man mag es glauben, ein geriebener Geselle war, senkte, während er das Rasiermesser schräg an seinen Hals hielt, sein rechtes Auge auf das Mädchen und tat so, als ob er sie verstünde.

      »Nun, nun, mein kleines Herz, wir reden gleich darüber. Aber mir scheint, du führst etwas im Schilde!«

      »Aber Monsieur le Chevalier, soll ich denn warten, bis meine Mutter mich schlägt und Madame Lardot mich wegjagt? Wenn ich nicht sofort nach Paris gehe, kann ich mich niemals hier verheiraten, wo die Männer so lächerlich sind.«

      »Mein Kind, was willst du! Die Gesellschaft ändert sich; die Frauen sind nicht weniger als der Adel die Opfer der schrecklichen Unordnung, die sich verbreitet. Nach dem politischen Umsturz kommt der Umsturz in den Sitten. Ach, die echte Frau wird bald nicht mehr existieren (er nahm die Watte heraus, um seine Ohren sauberzumachen); sie wird viel dabei verlieren, dass sie sich in die Empfindsamkeit stürzt; sie wird ihre Nerven peinigen und nichts mehr von dem hübschen kleinen Vergnügen unserer Zeit wissen, das ohne Scham ersehnt, ohne Umstände hingenommen wurde, und wo die Grillen nur ein Weg waren, um ein gewisses Ziel zu erreichen (er putzte seine kleinen Negerköpfe); sie werden eine Krankheit daraus machen, die nur mit einem Aufguss aus Orangenblüten kuriert werden kann. (Er lachte.) Kurzum, die Ehe wird (er nahm die Pinzette, um ein paar störende Haare zu entfernen) etwas sehr Langweiliges werden, und sie war doch so lustig zu meiner Zeit! Die Regierung Ludwigs XIV. und Ludwigs XV., merke dir das, mein Kind, bedeuteten den Abschied der herrlichsten Sitten der Welt.«

      »Aber Monsieur le Chevalier«, wandte das Mädchen ein, »es handelt sich um die Sitten und die Ehre Ihrer kleinen Suzanne, und ich hoffe, Sie werden sie nicht sitzenlassen.«

      »Wie denn«, rief der Chevalier, der im Begriff war, seine Frisur zu beenden, »eher will ich doch gleich Jean heißen!«

      »Ah!« atmete Suzanne auf.

      »Höre mich an, kleine Heuchlerin!« sagte der Chevalier und streckte sich auf einer breiten Bergère aus, die einstmals ›Duchesse‹ genannt wurde und die Madame Lardot für ihn ausfindig gemacht hatte.

      Er zog die prächtige Suzanne zu sich heran und nahm ihre Beine zwischen seine Knie. Das schöne Mädchen, das auf der Straße so hochmütig war, das zwanzigmal das Vermögen, das ihr mehrere Männer von Alençon angeboten, aus Stolz wie aus Geringschätzung gegen ihre Tölpelhaftigkeit ausgeschlagen hatte, ließ es geschehen, Suzanne bot dem Chevalier den Anblick ihres vorgeblichen Fehltritts so herausfordernd, dass dieser alte Sünder, der noch ganz andere Geheimnisse in weit arglistigeren Existenzen; ergründet hatte, die Sache mit einem einzigen Blick durchschaute. Er wusste sehr gut, dass kein Mädchen mit einer wirklichen Schande sein Spiel treibt; doch verschmähte er, das


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