Die großen Western Staffel 5. Diverse AutorenЧитать онлайн книгу.
aber geht zum anderen Gitter hinüber und sieht Kendall an.
Auch Kendall ist an das Trenngitter getreten.
»Was denkst du?«, zischt Moore so leise, dass es von Casement und Stuffin nicht gehört werden kann. »Wo waren die Burschen vor zwölf Tagen? Wirklich in Oregon?«
Kendall senkt den Blick, beobachtet aber die beiden Burschen unter gesenkten Lidern.
»Dachtest du dasselbe?«, flüstert er. »Jetzt sind wir zehn Tage hier. Genau vor zwölf Tagen war der Überfall. No, Joe, das sind keine Pferdediebe.«
»Jim, unsere Banditen müssen annehmen, dass wir die genaue Lage der Silberdollars kennen«, antwortet Joe wispernd. »Sie bekommen es fertig und stecken uns jemand ins Jail, der uns aushorchen soll.«
»Leg dich hin und warte ab, ob sie neugierig werden.«
Joe Moore ist das Misstrauen selbst. Sie haben gestern darüber geredet, dass man sie, kämen sie hier heraus, auf Schritt und Tritt beobachten könnte. Haben die Banditen die Silberdollars nicht gefunden, werden sie nichts unversucht lassen, um entweder Moore oder Kendall zu erwischen. Das Beste für die Banditen wäre, beide in die Gewalt zu bekommen.
Aber bis jetzt hat sich nichts Verdächtiges gerührt.
Vielleicht haben die Banditen die Kisten längst in ihrem Besitz.
*
Es ist Mitternacht vorbei, in der Stadt ist es ruhig geworden. Steve Brighton, der Deputy, ist längst nach oben gegangen. Dafür hat Sheriff Younger seinen Platz Im Office eingenommen. Vor einer halben Stunde hat Younger kurz hereingesehen. Er hat die Lampe an der Gangwand klein gedreht. Solange er im Jail war, hielten die beiden Pferdediebe Ruhe. Kaum aber hatte er es verlassen, setzte ihr Streit schon wieder ein.
»Seid ihr bald ruhig?«, fragt Kendall finster. »He, es hat keinen Zweck, dass ihr euch Vorwürfe macht. Ich will schlafen, verstanden?«
Das spärliche Licht reicht kaum bis in die letzte Zelle. Dort hocken der kleine schielende Casement und Jay Stuffin auf ihren Pritschen. Vielleicht hat sie aber der Schreck, als sie am Abend ins Jail flogen, zuerst schweigsam gemacht. Jetzt aber ist der Schock vorbei, und beide beschimpfen sich leise und wütend.
»Der verdammte schieläugige Langfinger ist schuld, dass ich hier sitzen muss«, giftet Jay Stuffin bissig. »Ich könnte dich umbringen, Mensch. Wenn er auf mich gehört hätte, hätten sie uns nie bekommen. Dieser Narr, dieses verdammte Schielauge.«
»Hör auf, mich Schielauge zu nennen«, knirscht der kleine Pferdedieb Casement voller Hass. »Ich wollte nicht nach Nevada, ich nicht. Hast du eine Freundin in Carson City oder ich? Zwei Tage nichts Warmes mehr gegessen, ich musste was essen!«
»Schönes Essen, Henkersmahlzeit, was?«, faucht Stuffin zurück. »Dir drehe ich den Hals um, du Schielmeppe.«
»Schielmeppe. Hast du Schielmeppe gesagt?«, keucht Casement und zittert vor Wut. »Ich kann nichts dafür, dass ich schiele. Aber du für deine Dummheit. Du bist ja zu blöde, deinen Namen zu schreiben.«
»Sag das noch mal«, gurgelt Stuffin wild. Er steht wutentbrannt auf und will auf den kleinen Casement los. Der hat seinen rechten Stiefel herabgerissen und schwingt ihn drohend.
»Komm doch her, ich hau zu«, versichert Casement schrill. »Komm doch, du Ochse, ich schlage dir die Ohren herunter.«
Stuffin bleibt wie ein tolpatschiger Bär stehen und schüttelt wild die Fäuste.
»Du bekommst noch dein Teil«, zischt er finster. »Geh zum Teufel, du Triefauge.«
Dann wendet er sich schwerfällig um und trottet zu seiner Pritsche zurück. Dort legt er sich hin, zieht sich die Decke über den Kopf und dreht Casement den Rücken zu. Der lässt langsam den Stiefel sinken und rollt sich auf der Pritsche zusammen. Dabei aber lässt er den Stiefel, seine einzige Waffe, nicht los.
»Seid ja friedlich, sonst holt euch der Satan«, brummt Kendall zu ihnen hin. »Kein Spektakel mehr heute, rate ich euch.«
Er sinkt zurück und schließt die Augen. Die beiden Streithähne schlafen jetzt ein. Moore schnarcht tief und laut, nur Kendall bleibt noch eine Weile wach. Über das Grübeln, ob die Banditen die Kisten gefunden haben oder nicht, fallen auch ihm die Augen zu.
Kendall fährt hoch, als der schrille Schrei ertönt und sofort wieder
abbricht. Im ungewissen Licht der Ganglaterne sieht Kendall aus verschlafenen Augen das Knäuel drüben am Boden. Ehe Kendall ganz munter wird, er kann kaum eine Stunde
geschlafen haben, prallt der kleine
Casement drüben an die Gitter. Über ihm kniet Stuffin. Im nächsten Augenblick sinken Casements zur Abwehr erhobenen Arme schlaff herab.
»Du verdammter Schurke, sage noch mal, dass ich zu blöd zum Schreiben bin«, giftet Stuffin heiser. »Da hast du was, jetzt hältst du dein Maul, was? Dir werde ich zeigen …«
Und weiter kommt er nicht.
Die Tür zum Office schwingt zurück. Sheriff Phil Younger steht in der nächsten Sekunde im Gang und starrt auf den neben Casement kauernden Stuffin. Dann setzt Younger sich in Bewegung. Mit vier langen Schritten ist der Sheriff an der Lampe und dreht den Docht hoch. Im schnell heller werdenden Licht sieht nun auch Kendall, dass Stuffin den schielenden Casement blutig geschlagen hat. Casement läuft das Blut aus der Nase. Der kleine Pferdedieb liegt still am Gitter und rührt sich nicht.
Einen Moment sagt Younger kein Wort. Er starrt nur Stuffin an, der sich langsam auf den Knien zurückzieht. Stuffin kriecht rückwärts auf seine Pritsche zu. Dass er Angst hat, ist offensichtlich.
»Ich habe doch was gehört?«, knurrt Younger dann grimmig. »Du Teufelsbraten, hast du ihn etwa umgebracht? Komm mal her, du Halunke.«
Casement hat sich zum Schlafen seine Stiefel ausgezogen. Seine löcherigen Socken zeigen schmutzige Füße. Er liegt auf der Brust, die Beine etwas angezogen und den Kopf zur Seite gewendet. Das Blut aus seiner Nase rinnt auf den Zellenboden.
»Sie haben sich den ganzen Abend gestritten«, murmelt Kendall kurz. »Sheriff, als ich aufwachte, war es schon passiert. Er hat ihm den Kopf gegen den Boden geknallt.«
»Und warum?«, erkundigt Younger sich finster. »Kendall, was war los?«
»Sie gaben sich gegenseitig die Schuld, im Jail gelandet zu sein«, antwortet Kendall. »Ich dachte, sie wären endlich friedlich geworden.«
Moore schläft immer noch. Er hat einmal kurz sein Schnarchen unterbrochen. Das Reden macht den Alten nicht munter.
»Teufel, der liegt da wie tot«, brummt Younger. »Komm her, Stuffin. Los, du Hundesohn, trabe schon an.«
Er zieht seinen Revolver, schließt die Zellentür auf und bleibt im Gang stehen. Stuffin, immer noch den wilden Ausdruck in den Augen, erhebt sich langsam. Dann schiebt er sich auf die Tür zur Zelle zu.
Sheriff Younger tritt an die Tür der nächsten Zelle, sperrt sie auf und winkt mit dem Colt.
»Rein da mit dir, du Halunke. Das bedauerst du noch, Pferdedieb. Drei Tage kein warmes Essen, verstanden? Los, geh schneller, Mensch. Vorwärts.«
Er holt mit dem Fuß aus, aber der träge trottende Stuffin macht einen schnellen Satz und entgeht dem Tritt. Er springt wie ein Hase in die letzte Zelle und giftet von dort aus:
»Hat der Lump ein Glück, dass ich ihn jetzt nicht mehr packen kann. Dieser widerliche kleine Schieler, bei der nächsten Gelegenheit bekommt er es noch mal, und dann …«
»Halt die Klappe«, unterbricht Younger ihn scharf und wendet sich um. »Ist er schwer verletzt, erlebst du was, Stuffin, das verspreche ich dir. Dieses verdammte Gesindel, es ist immer dasselbe mit ihm. Kaum soll es für seine Taten bezahlen, fällt es übereinander her. Teufel, sieht böse aus mit dem kleinen Gauner, was?«
Er hastet zu dem blutenden Casement, beugt sich über ihn und