Marie Grubbe. Jens Peter JacobsenЧитать онлайн книгу.
und Rad! sag ich, bist du denn ganz von Sinn und Verstand, Weib? – Du bist betrunken, das bist du, raus mit dir und leg dich auf dein Bett und schlaf dir den Rausch und die Galle weg! Du verdientest, daß ich dich hinter die Ohren schlüg, du wütig Weibsbild! – nein, kein Wort mehr! – Marie soll fort, morgen am Tage soll sie von hier fort – Frieden will ich haben in diesen Friedenszeiten!«
Ane schluchzte laut.
»Ach Gott, ach Gott! dat mi dat passieren möt! Ne ewige Schand. Mi dat Supen beschülligen! Bün ick ok man een Mal in all de Tid, dat wi uns kennt heben un all de Tid vörher mit 'n dußeligen Kopp in de Köck rümgahn? Häwt Ji mi ok man een Mal tüderigen Kram snaken hürt? Wo is de Stell, wo Ji mi duhn hewt liggen sehn? Dat is de Dank, den man hat! Ick mi 'n Swips wegslapen! – Ja, Gott gew, dat ick inslapen künn, Gott gew, dat ick dor vor Jug henfallen dehr, vör Jug, de Ji Spott und Scham öwer mi bringen doht ...«
Die Hunde da draußen auf dem Hofe schlugen an, und unter den Fenstern ertönte Hufschlag.
Ane trocknete hastig ihre Augen, und Erik Grubbe öffnete das Fenster und fragte, wer da sei.
»Ein reitender Bote aus Fovsing«, antwortete einer von den Knechten des Hauses.
»Dann nimm sein Pferd und laß ihn hier hereinkommen«, und damit wurde das Fenster geschlossen.
Ane setzte sich im Stuhl zurecht und beschattete die rotgeweinten Augen mit der Hand.
Und dann kam der Bote herein und brachte Gruß und Freundschaft von dem Stiftsamtmann Christian Skeel auf Fovsing und Odden, der vermelden ließ, daß er heute eine Stafette erhalten habe, daß der Krieg unter dem ersten Juni erklärt sei; derohalben sei es notwendig, daß er um verschiedener Ursache willen nach Aarhus ziehe und von dort möglicherweise nach Kopenhagen, und er lasse nun dieserhalb fragen, ob Erik Grubbe ihm das Geleite geben wolle, soweit die Umstände die Fahrt bestimmen würden, sie könnten alsdann die Sache zu Ende führen, die sie gemeinsam gegen ein paar Aarhuser Leute anhängig gemacht hätten, und in Bezug auf Kopenhagen, so wisse der Stiftsamtmann, daß Erik Grubbe dort mehr als genug Geschäfte habe. Auf alle Fälle wolle er, Christian Skeel, gegen vier Uhr nach Mittag auf Tjele sein. Erik Grubbe sagte hierauf, daß er zur Reise bereit sein werde.
Mit dem Bescheid ritt dann der Bote heim.
Nun redeten Ane und Erik Grubbe lange darüber, was geschehen sollte, während er abwesend war, und es wurde denn auch bestimmt, daß Marie mit nach Kopenhagen reisen und dort bei ihrer Vaterschwester Rigitze ein Jahr oder auch zwei verbleiben sollte.
Der nahe bevorstehende Abschied hatte sie beide ruhiger gestimmt, aber der alte Zwist war nahe daran, wieder zu entstammen, als sie darauf zu sprechen kamen, welche von den Schmucksachen und Kleidern ihrer seligen Mutter Marie mit sich führen sollte; das wurde jedoch in Güte geordnet, und Ane ging früh schlafen, da es wohl notwendig sein konnte, daß der morgende Tag so lang wie möglich gemacht wurde.
Nach einer Weile meldeten die Hunde neue Gäste.
Diesmal war es jedoch kein anderer als der Gemeindepfarrer von Tjele und Vinge: Herr Jens Jensen Paludan.
Mit einem: »Guten Abend allhie!« trat er ein.
Er war ein breitschulteriger, starkknochiger Herr mit langen Gliedern und gebeugtem Kopf; rundrückig war er auch, und sein Haar war dicht wie ein Krähennest, graugesprenkelt und verfilzt, und sein Gesicht hatte eine wunderlich starke, gleichmäßige und zugleich reine, blaßrote Farbe, die nicht gar gut zu den groben, knolligen Gesichtszügen und den buschigen Brauen paßte.
Erik Grubbe bat ihn, sich zu setzen, und fragte, wie es mit seiner Heuernte stehe. Die Unterhaltung drehte sich dann eine Weile um die wichtigsten Feldarbeiten der Jahreszeit und erstarb in einem Seufzer über den schlechten Kornertrag des vergangenen Jahres.
Der Pfarrer saß da und schielte eifrig nach dem Stüberchen hinüber und sagte dann: »Ew. Wohlgeboren sind immer sonderlich mäßig! halten sich immer an natürliche Getränke. – Ist auch das gesundeste; frisch gemolkene Milch ist ein Segen des Himmelreichs, das ist es, für einen schwachen Magen wie auch für eine enge Brust.«
»Freilich! Gottes Gaben sind alle gut, mögen sie uns zugemolken oder gezapft werden. – Ihr sollt jetzt eine Tonne echter Mumme kosten, so wir letzthin aus Viborrig hereinkommen ließen; sie ist sowohl gut als auch deutsch, wiewohl ich nicht entdecken kann, daß der Zöllner sie gestempelt hat.«
Bierkrüge und eine große Schneppenkanne aus Ebenholz und mit silbernen Ringen verziert, wurden aufgetragen.
Und dann tranken sie einander zu.
»Heydenkamper! echter, adeliger Heydenkamper!« rief der Pfarrer mit einer Stimme aus, die vor Begeisterung und Rührung zitterte; und als er sich selig in den Stuhl zurücklegte, hatte er fast Tränen in den Augen.
»Ihr seid ein Kenner, Herr Jens!« schmunzelte Erik Grubbe.
»Ach was Kenner! wir sind von gestern und wissen nichts,« murmelte der Pfarrer geistesabwesend; »übrigens denke ich daran,« fuhr er mit erhobener Stimme fort, »ob es wohl seine Richtigkeit mit dem haben sollte, was ich mir von dem Brauhaus der Heydenkamps habe erzählen lassen. – Ein Freimeister hat es mir erzählt, einmal dort oben in Hannover, zu der Zeit, als ich mit Junker Jörgen reiste. Seht! er sagte, sie begönnen mit ihrem Brauen immer in einer Freitagsnacht, aber ehe irgend jemand Erlaubnis erhalte, Hand an irgend etwas zu legen, müsse er zu dem Altgesellen gehen und seine Hände auf das große Gewicht legen und bei Feuer und Blut und Wasser schwören, daß er keine gehässigen und bösen Gedanken mit sich herumtrüge, denn dieses würde dem Bier Schaden tun. Er erzählte auch, daß am Sonntagmorgen, wenn die Kirchenglocken zu gehen anhüben, sie alle Türen und Fenster und Luken weit öffneten, damit es über das Bier hinläuten könne; das Fürnehmste aber, das werde getan, wenn das Bier hingesetzt wäre, um zu gären; dann käme der Meister selbst mit einer prächtigen Lade, aus selbiger zöge er schwere, goldene Ringe und Ketten und köstliche Steine, auf denen eigenartige Zeichen seien, und das würde alles in das Bier hineingelegt; und das kann man sich ja denken, daß solcherlei edle Reichtümer dem Trunk Los und Anteil an den geheimen Kräften geben müssen, so von Natur an in ihnen wohnen.«
»Ja, darüber kann man nicht gut etwas wissen,« meinte Erik Grubbe, »ich habe nun mehr Glauben zu dem Braunschweiger Hopfen und dem andern Kräuterwerk, so sie hinzusetzen.«
»Hm!« sagte der Pfarrer ernsthaft und schüttelte den Kopf, »das dürfen wir nicht sagen, da ist viel Verdecktes in dem Reich der Natur, das ist ganz sicher. Jedes Ding, tot wie lebendig, hat sein Mirakulum in sich, es kommt nur darauf an, daß man Geduld hat zu suchen und offne Augen zu finden, – ach, in alten Tagen, als noch nicht so lange Zeit verflossen war, seit Gott der Herr seine Hände von der Erde genommen hatte, da war jedes Ding so angefüllet von Gottes Kraft, daß Heilung und alles Gute, ewig wie zeitlich, aus ihm entsprang; jedoch jetzt, wo das Erdreich nicht mehr fein noch neu ist und entheiliget von den Sünden mannigfaltiger Geschlechter, jetzt machen sie sich nur bei besonderen Gelegenheiten bemerkbar, zu gewissen Stunden und an gewissen Stätten, wann merkwürdige Himmelszeichen zu gewahren sind; das sagte ich auch vorhin zu dem Schmied, als wir dastanden und von dem gräulich stammenden Schein redeten, so in den letzten Nächten ringsum an dem halben Himmel zu sehen gewesen ist. – Übrigens kam damals gerade eine reitende Stafette an uns vorüber – hier hinauf, glaube ich!«
»So war es, Herr Jens.«
»Er ritt wohl mit nichts anderem, als was gut war?«
»Er ritt damit, daß der Krieg jetzt erkläret ist.«
»Herr Jesus, nein wirklich! – ja, ja, einmal mußte es ja kommen.«
»Ja, aber haben sie so lange gewartet, hätten sie auch warten können, bis die Leute ihre Ernte geborgen haben.«
»Es sind wohl die Schooninger, die es beschleunigt haben; sie