HIPPIES, PRINZEN UND ANDERE KÜNSTLER. Klaus HübnerЧитать онлайн книгу.
war.
Ebenfalls aus dem Jahr 1999 stammt der dieser Sammlung ihren Titel gebende zweite Essay, eine »Würdigung eines der elegantesten, vielseitigsten und interessantesten Schriftsteller des ausgehenden 20. Jahrhunderts«. Der eigenwillige Gregor von Rezzori – »Windhunde entziehen sich der Welt durch poetisches Denken und literarisches Handeln« – wird im deutschen Sprachraum gerade erst als Schriftsteller von höchstem Rang entdeckt. Es fällt auf, dass man von diesem listigen Alteuropäer einiges lernen kann, was man auf andere Weise auch von Gerhard Köpf lernen kann: »Vor allem Intelligenz, gepaart mit Humor und Lebensklugheit, Stilsicherheit, Souveränität, Eleganz und Gedankenschärfe. Alles Dinge, die uns hierzulande so sehr abgehen.«
Vielleicht geht uns außerdem oft die »Vision vom Triumph des Bauches über den Kopf« ab, wie Köpf im dritten hier zu lesenden, etwas kürzer und akademischer geratenen Essay das Schlaraffenland definiert. »Im Schlaraffenland oder Wie ich in Heinrich Manns Roman hineingeriet« nennt der Autor diese »Erzählung von einer Lesereise«, die noch klarer macht, warum »Köpf« in der Tat »die Möglichkeitsform von Kopf« ist.
Es folgt ein Gedenkblatt für die fast vergessene Künstlerin Ilse Schneider-Lengyel, in deren Allgäuer Haus das Gründungstreffen der Gruppe 47 stattfand – der Gymnasiast Köpf wurde durch sie zur Literatur gebracht und hat sie in seinem Roman Innerfern verewigt. Weiters enthält der Band einen Essay über Jean Améry und dessen Ehrenrettung für Charles Bovary, ein Versuch, der im Grunde eine Würdigung von Amérys »Miteinander von subjektiv-privatem und analytisch-reflektierendem Lesen« ist – und damit auf den begeisterten und begeisternden Leser Köpf zurückverweist.
Der jüngste Text ist ein anregender Versuch über Literaturwissenschaft und Psychiatrie – jedes große Kunstwerk kann auch als Fallstudie gelesen werden. Es geht vordergründig um das Lachen, das dem Leser aber bald vergeht – bitter ist Köpfs Abrechnung mit der Spaßgesellschaft und einem Kapitalismus, der dem Menschen das Lachen endgültig abzukaufen scheint. Dieser gescheite Aufsatz gibt auch Hinweise auf den »aufgehörten« Gerhard Köpf – und ist doch wiederum so brillant, dass man genau daran nicht recht glauben mag. Wer solche Essays schreiben kann, muss einfach weiterschreiben.
Gerhard Köpf: Die Vorzüge der Windhunde. Essays gegen das Vergessen. Herausgegeben und eingeleitet von Gert Ueding. Tübingen 2004: Ver-lag Klöpfer & Meyer. 196 S.
Schwabing vor dem Untergang. Eine wehmütig-vergnügliche Erinnerung an Eduard von Keyserling
Zu den gar nicht mal so wenigen deutschen Schriftstellern, die einst enthusiastisch gelobt und mit großen Vorschusslorbeeren bedacht wurden, bevor sie nach und nach in der Versenkung verschwanden, gehört Gerhard Köpf. Innerfern (1983) galt als Sensation, Die Strecke (1985), Die Erbengemeinschaft (1987) und Eulensehen (1989) wurden von der Kritik gefeiert. Dann wurde es still um diesen raffinierten Erzähler, der lange Jahre hindurch als Literaturwissenschaftler in Duisburg lehrte. Obwohl Köpf nach wie vor lesenswerte Prosabände vorlegte und funkelnde Essays schrieb, wurde er immer weniger beachtet. Nun ist er beim Allitera Verlag angekommen, und seine jüngste Erzählung passt vorzüglich ins Programm dieses kleinen Münchner Hauses. Ob sie aber auch gebührend beachtet wird?
Der vielen Literaturfreunden nicht unbekannte Schüttelreim »Als Gottes Atem leiser ging / schuf er den Grafen Keyserling« stammt aus einem Spottgedicht von Emil Preetorius. Es bezog sich ursprünglich nicht auf den meist dem literarischen Impressionismus zugerechneten Erzähler Eduard Graf von Keyserling (1855–1918), sondern auf Hermann Graf von Keyserling (1880–1946), den Philosophen aus diesem Adelsgeschlecht. Bald aber meinte, wer diesen Reim zitierte, auch den auf einem Gut im heute lettischen Kurland geborenen Dichter. Dieser sonderbare Eduard, der 1895 in das fünf Jahre zuvor Teil der Stadt München gewordene Schwabing zog und dort bis zu seinem Tod von gleich drei seiner Schwestern umsorgt wurde, galt zeitlebens als geistreiches, leicht kauziges und bis zur Sturheit eigensinniges Künstleroriginal. Seine bedeutendsten Erzählungen und Romane hat er in München vollendet, Schwüle Tage
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