Urlaubsküsse - Liebesroman. Thomas TippnerЧитать онлайн книгу.
Tom musterte sie von Neuem und konnte den Gedanken nicht unterdrücken, der ihm wie ein Blitz ins Hirn schoss: Das kann ich mir denken, Mäuschen. So richtig schön viel Kohle mit deiner Stimme und deinem Aussehen verdienen, wie? Das würden wir alle gern.
Jeder von uns.
Aber nicht jedem wird diese Möglichkeit gegeben. Es gibt unzählig viele Hürden zu überspringen, bevor man überhaupt auch nur eine Sekunde in die Nähe seines Traumes kommt.
Man muss …
Er brach seine fieser werdenden Gedanken erschrocken ab.
So etwas hatte er vorher niemals gedacht.
Nicht einem Menschen in seiner näheren Umgebung missgönnte er auch nur einen Augenblick seine Träume.
Himmel!
Wenn Denise Sängerin werden wollte, dann sollte sie alle Hebel in Bewegung setzten, um diesem Traum hinterher zu jagen und ihn irgendwie versuchen, in die Tat umzusetzen.
„Katrin kommt nachher“, sagte er heiser und viel zu schnell, viel zu hastig, aus Angst, jemand könnte seine Gedanken erraten. „Die hat gerade ihr Schauspielexamen abgelegt. Vielleicht kann die dir Tipps geben, wie man mit seiner Stimme arbeitet und wie man sich auf der Bühne präsentiert!“
„So, und jetzt erzähl mal, warum du so eine langweilige Frisur hast, Louisa, das ist ja kaum zu ertragen“, überging Oliver Toms Angebot, lehnte sich lässig gegen die Rezeption und lächelte Louisa breit und frech an.
„Ich würde sie an deiner Stelle nicht provozieren“, ermahnte Tom, der sah, wie Denise ihm antworten wollte. „Das ist nicht gesund.“
„Macht sie jetzt Karate, oder was?“
„Du bezahlst meinen Urlaub, wenn du mich belästigst!“, erinnerte Louisa, die sich nun aufrichtete.
„Nur sexuell.“
„Die Vertragsdetails sind gerade erweitert worden.“
„Aber das da …“ Olli zeigte mit einer gequälten Miene auf Louisas Haare. „Das muss besprochen werden!“
„Das ist modern!“
„Ich bin modern. Denise ist mo … heiß. Richtig heiß! Selbst Tom ist moderner als das da.“ Olli ignorierte die mahnenden Blicke seines besten Freunds.
„Noch ein Wort, und du bezahlst alles!“
„Warum denn schwarze Haare? Louisa … Du warst blond tausendmal attraktiver … Tausendmal …“
*
Katrin fühlte sich geschmeichelt – und sonderbar verlegen.
Dass sie, seit sie die Schauspielschule abgeschlossen hatte und jetzt in der einen oder anderen kleinen, wirklich kleinen, Fernsehproduktion für die Dritten Programme mitgewirkt hatte, die Aufmerksamkeit auf sich zog, war ihr bewusst gewesen. Sogar erwünscht. Doch jetzt, da Denise ihr seit zwei Tagen nicht mehr von der Seite wich und sie unentwegt mit Fragen löcherte, auf die Katrin ebenfalls noch keine Antwort gefunden hatte, war es ihr unangenehm.
Vielleicht, weil ich noch nicht das erreicht habe, was ich erreichen wollte, gestand sie sich ein, während sie über den kleinen Handwerkermarkt schlenderten, gleich gegenüber dem großen Yachthafen, direkt am Fuße der Kathedrale von Palma.
Die Sonne, hoch und heiß am Himmel, hatte alle aus der Gruppe dazu gezwungen, sich luftig leicht anzuziehen. Selbst Conny, der sonst immer dazu neigte, selbst bei höchsten Temperaturen in einer langweiligen Jeans, einem ausgeblichen T-Shirt und geschlossenen Schuhen aufzutauchen, hatte sich für eine kurze Hose und hässlich braune Sandalen entschieden.
„Und wie kommst du mit den Blicken zurecht?“, wollte Denise soeben wissen, während Katrin sich die ins Silber der Ringe eingearbeiteten Gravuren ansah. „Ich meine, hey, die gucken dich an und erwarten was von dir.“
„Das ist der Job“, antwortete sie lapidar, nahm den Ring in die Hand und schaute an Denise vorbei zu der sonderbar stillen Louisa.
Erst hatte Katrin gemeint, Louisa sei noch immer auf Oliver sauer. Selbst beim gemeinsamen Abendessen, als sie endlich allesamt am Hotel angekommen waren, hatte Oliver es nicht lassen können, über die hässliche schwarze Bobfrisur zu reden. Katrin war derselben Ansicht wie er. Aber sie dachte es sich nur.
Als sie sich beide eben einen vielsagenden, innigen Blick zuwarfen, wusste Katrin, dass es gerade um alles ging, nur nicht um Louisas Haare. Ihr lag etwas auf dem Herzen, und bisher hatten die beiden Freundinnen keine Möglichkeit gefunden, darüber zu sprechen.
Dafür redete Denise.
Pausenlos.
Zu jeder Tag- und Nachtzeit.
„Aber das muss man doch lernen“, sagte sie jetzt wieder. „Das Lampenfieber unter Kontrolle bekommen und so ...“
„Es gibt da gewisse Tricks …“
„Sich das Publikum nackt vorstellen? Davon habe ich gehört …“
Katrin seufzte. „Das würde einen eher zum Lachen bringen!“
„Ach so …, weil die Leute so hässliche Leberflecken und so haben? Ich verstehe.“
„Weil die Vorstellung allein schon lustig ist, dass alle Besucher des Stücks nackt sind, während ich angezogen auf der Bühne stehe“, beendete sie ihren Satz und wünschte sich nichts sehnlicher als etwas Ruhe.
Sie wollte von keinen Fragen mehr gelöchert werden.
Wollte sich keine Antworten aus den Fingern saugen, die ein Mensch wie Denise verstand, was es bedeutete, auf den Bretter, die die Welt bedeuten, zu stehen und Figuren zum Leben zu erwecken, die die Zuschauer sonst niemals im Leben zu Gesicht bekam.
Sie war Katrina Scholz.
Eine talentierte – wenn auch noch unentdeckte - Schauspielerin, die mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. Die während ihres Studiums bei mehreren erstklassigen Synchronstudios vorgesprochen hatte, und jedes Mal war ihr dabei versichert worden, dass man sie auf jeden Fall in die Sprecherkartei aufnehmen würde. Dazu kamen die vielen erfolgversprechenden Castings für diverse Filmprojekte und Serienkonzepte.
Da konnte sie, wenn sie sich hier auf Mallorca von dem harten Stress, dem sie tagtäglich ausgesetzt war, zu erholen versuchte, wirklich keine nervende Denise gebrauchen, die ihr den letzten Nerv zu rauben drohte.
Deshalb seufzte sie, als sie vernahm, wie Denise Luft holte. „Darf ich mir den Ring hier noch kurz anschauen, bevor du weitersprichst?“
„Klar“, nickte Denise eifrig und zog sich mit dem Finger über die Lippen, als würde sie einen Reißverschluss zuziehen. „Kein Wort mehr.“
„Danke.“
„Gerne. Halte ja immer das, was ich verspreche.“
„Das kann ich bestätigen“, grinste Oliver zweideutig und stupste Katrin an. „Wenn du verstehst, was ich meine.“
„Ich klatsche nicht mit dir ab. Ganz bestimmt nicht.“
„Aber …“
„Nein. Das war anzüglich und abwertend.“
Damit ließ sie den Ring ins Futteral zurückgleiten und nahm sich vor, ihn sich ein andermal zu kaufen. Jetzt galt es, ihrer besten Freundin zur Seite zu stehen und sie zu fragen, was ihr denn über die Leber gelaufen war.
Louisa aber ließ sich nicht in ein Gespräch verwickeln. Sie winkte nur ab, als Katrin zu ihr kam und fragte:
„Alles gut, Süße?“
„Ging mir nie besser!“
„Wirklich?“
„Würde ich das denn sonst sagen?“, fragte Louisa dagegen und ließ dadurch bei Katrin eine steile Falte auf der Stirn entstehen.
Sie kannte