Die großen Western 197. Howard DuffЧитать онлайн книгу.
»Dann hätte sich dieser gehirnlose Bursche da eben hinter den Zaun stellen und warten sollen, bis Corgan herauskam.«
»Ich sagte schon, er konnte doch nicht aus dem Stall, Mann«, murmelt der Schlanke träge. »Genug gebrüllt, fangt ihr an, die Nerven zu verlieren?«
Der große Mann greift zur Flasche, nimmt einen langen Schluck und bellt dann wütend:
»Und was sollen wir tun, he? Hier herumsitzen und darauf warten, daß Corgan etwas findet? Der Kerl muß weg wie Turner. Daß der Hund, dieser dreimal verdammte Spürhund, auch so schnell kommen mußte. Corgan wird jetzt bei Owens sein, was?«
»Ja«, sagt der Schlanke leise. »Steve, geh los, stell fest, was er macht. Wir wissen, daß Turner von Marcia O’Hare einige Dinge erfuhr, zwar nur einen Verdacht, aber immerhin, der verdammte Kerl kam so auf unsere Spur. Marcia O’Hare ist vorhin mit der Kutsche abgefahren, sie will auf die Ranch. Wenn Turner mit Owens über das Girl geredet hat, dann erfährt Corgan das. Und was wird er tun?«
»Laß mich auch noch raten«, flucht der Große wild. »Sage schon, was er tun wird, du weißt ja doch immer alles besser. Also, was macht er?«
»Dann reitet er der Kutsche nach!«
Der große Mann springt mit einem Satz hoch und sieht den Schlanken entsetzt an.
»Nein!« sagt er keuchend. »Mensch, wenn er das macht, was dann? Draußen ist Schneesturm, er findet die Kutsche nicht. No, er findet sie nicht. Das wäre etwas, wenn er dazu käme, wenn unsere Leute die Kutsche überfallen. Teufel, geht denn heute alles schief?«
Der Schlanke lehnt sich zurück, bläst den Rauch aus und sagt kühl:
»Steve, ab mit dir zur Station, ich muß wissen, was Corgan unternimmt!«
Der kleine Steve verschwindet, und der Große starrt fluchend vor sich hin.
»Ich sage dir, Corgan muß weg!«
»Willst du das tun?« fragt der Schlanke spöttisch. »Du weißt doch genau, wie schnell Corgan ist, oder? Ehe du den Colt heraus hast, bist du schon tot. Und Steve? Der ist auch zu langsam. Ich bin nicht verrückt genug, es zu versuchen, außerdem lebe ich zu gern. Ich hatte euch gewarnt.«
Er raucht so ruhig weiter, als ginge ihn die ganze Sache nichts an.
»Verflucht, es muß doch einen Weg geben, Mann!« keucht der Große. »Du weißt immer alles, also sage etwas!«
»Es gibt einen Weg«, antwortet der andere kühl. »Wir schicken Steve zur Kutsche. Vielleicht schafft er es noch, die anderen abzufangen. Der Überfall findet nicht statt. Elftausend Dollar können wir verschmerzen. Dann schicken wir unsere Männer weg und warten ab. Diese Marcia O’Hare hat keinen Beweis für ihre Behauptungen. Die Sache mit ihrem Vater war ein Unfall. Von dir weiß man sonst nicht viel, wie? Du spielst den ehrlichen Mann, verstanden?«
»Aber Corgan muß weg, denk doch an das Gold, das über Winter gefördert worden ist. Die Minen sind voll davon, doch sie haben es wegen des Winters nicht wegschaffen können. Wenn die Transporte wieder losgehen…«
Der Schlanke steht jäh auf, tritt auf den Großen zu und hat von einer Sekunde zur anderen alle Freundlichkeit verloren. Er wirkt jetzt eiskalt.
»Genug!« faucht er los. »Sie werden die Transporte mit der Armee sichern. Du kommst niemals an das Gold heran, du verdammter Narr! Ich habe es geschluckt, daß du hinter meinem Rücken Männer angeworben und deine verdammten Überfalle gemacht hast, aber jetzt ist es aus. Du wirst tun, was ich von nun an bestimme, sonst holt dich der Teufel. Steve, Luke, die anderen, sie sind so geldgierig wie du, sie wollen immer mehr. Eines Tages kostet sie das den Hals, wenn wir nicht sofort aufhören. Die Männer müssen weg, wir müssen uns als friedfertige, anständige Bürger geben. Tun wir das nicht, hängen sie uns eines Tages alle auf. Aber das schwöre ich dir, wenn es soweit ist, dann bist du der erste Mann, dem ich eine Kugel durch den verdammten Schädel jage. Wir schicken Steve gleich los, er soll Luke abfangen, ehe der die Kutsche überfallen kann.«
»Wie redest du denn mit mir?« keucht der Große. »Du vergißt, daß die Männer mir gehorchen, wenn es hart wird. Ich sage dir, Corgan muß erledigt werden, und dabei bleibe ich. Ich gebe nicht auf, was ich seit dem Herbst geplant habe. Ich habe keine Angst.«
»Dann geh hin und versuche, Corgan zu erschießen, los, geh schon!«
»Verflucht, er ist zu schnell für mich!«
»Also doch Angst, was? Du hast nur Steve hier, und der kann sich nicht unter eine Laterne wagen, weil er unerkannt bleiben muß. Du denkst, sie machen den Überfall, dann triffst du dich mit ihnen und läßt sie auf Corgan los, was? Aber was ist, wenn Corgan nun der Kutsche folgt, um mit Marcia O’Hare zu reden? Dann platzt er vielleicht mitten in den Überfall hinein. Danach kannst du deine Burschen kalt und steif besichtigen und hast niemanden mehr, der dir Corgan vom Hals schafft. Ich sage dir…«
In diesem Augenblick poltert es unten im Haus. Dann jagen hastige Schritte die Treppe hinauf. Der Mann nimmt immer zwei Stufen auf einmal.
Mit einem Satz ist der Große links der Zimmertür und hat seinen Revolver herausgerissen. Doch es ist nur Steve, der schneebedeckt und keuchend die Tür aufreißt und sich ächzend an die Wand lehnt.
»Was ist passiert?« fragt der Große heiser. »Steve, Mensch, was rennst du, als sei der Teufel hinter dir her?«
»Corgan!« bringt Steve mühsam heraus. »Er ist gerade weggeritten. Ich war kaum an der Station, als er mit Owens in den Hof kam. Sie gingen zum Stall, und Corgan holte zwei Pferde heraus. Sie sprachen zusammen, der Wind stand günstig, und ich konnte sie gut verstehen. Boß, Corgan sagte, er würde in jedem Fall die Kutsche einholen oder das Girl Marcia auf ihrer Ranch besuchen. Er fragte Owens, ob der sicher sei, daß Turner mit dem Girl geredet hätte. Owens antwortete, Turner hätte ihm von Marcia O’Hare erzählt. Das war alles, was sie noch sprachen. Dann ritt Corgan los.«
»Verflucht!« stößt der Große durch die Zähne. »Steve, traust du dir zu, die Kutsche zu überholen und Luke zu warnen? Sie sollen die Kutsche nicht angreifen. Sie sollen sich am Weg zur O’Hare Ranch in den Hinterhalt legen und Corgan erschießen, verstanden?«
»Das schafft er nicht!« mischt sich der Schlanke kühl ein, »vielleicht ist das Wetter im Westen besser, vielleicht kommst du noch rechtzeitig zu Luke, blast alles ab!«
»Du machst, was ich dir gesagt habe, Steve!« faucht der Große wild. »Ganz gleich, ob du Luke vor dem Überfall erreichst oder nicht, Corgan muß weg, verstanden? Sonst fliegen wir noch alle auf. Bringt ihn um! Das ist ein Befehl!«
»Du Narr«, sagt der Schlanke bitter. »Du siehst deine einzige Chance nicht mehr. Steve…«
»Er macht, was ich bestimme!« zischt der Große. »Ab mit dir, Steve, legt ihn um! Das Wetter wird schon nicht so schlimm sein, du wirst durchkommen. Denk an die Goldtransporte, Mann. Reite, sage Luke Bescheid. Erreichst du ihn rechtzeitig, dann keinen Überfall. Wartet auf Corgan und blast ihn in die Wolken.«
»In Ordnung, ich ziehe mich nur um, dann reite ich los.«
Steve hastet wieder hinaus, und der große Bursche sieht den schlanken Mann höhnisch an.
»Mord nicht, was?« fragt er spottend. »Du vergißt nur eines, Boß: Tote reden nicht mehr. Das ist die beste Medizin dieser Welt.«
Die beste Medizin der Welt.
*
Steve blinzelt verstört in das düstere Grau des Tages hinein. Krachend stürzt nicht weit von ihm ein Baum unter der Gewalt der Sturmböen um.
Es wird hell, aber der Schneesturm dauert an. Die Sicht beträgt kaum dreißig Yards. Und viel mehr wird es auch nicht werden, wenn der Schneefall nicht aufhört.
Beißende Kälte dringt durch Steves dicke Vermummung. Er trägt eine schwere Jacke, darüber den Mantel und um den Kopf ein Wolltuch, auf das er den Hut gebunden hat. Um ihn tobt der Sturm, und vor ihm geht es links hinter Bäumen über einen Hang.
Langsam