Imperium USA. Daniele GanserЧитать онлайн книгу.
in New York koordiniert. »Aber die Situation ist dramatisch. Nur in der Großen Depression in den 30er Jahren ging es den Menschen in diesem Land dreckiger.«57
Eine alleinstehende Person erhält maximal Food Stamps im Wert von 190 Dollar pro Monat auf eine spezielle Kreditkarte überwiesen, mit der sie in den dafür gekennzeichneten Läden in der Schlange anstehen kann, um die Food Stamps einzulösen. »Die Schlangen sind ein Symbol geworden für das neue, ärmere Amerika«, kommentiert Die Welt die soziale Misere. In den Speisekammern besteht nur die Wahl zwischen zwei verschiedenen Produkten, zwischen Apfel- oder Orangensaft etwa. Zigaretten und Alkohol kann man mit den Essensmarken nicht kaufen. Hanna Lupien, die in New York die Armen versorgt, sagt, die Situation sei dramatisch. Der Vorwurf, viele Bedürftige seien zu faul zum Arbeiten, stimme nicht, so Lupien. »Man trifft hier keine unwilligen Menschen, sondern Eltern, die ihre Kinder satt kriegen wollen. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: Ich habe vier Tage nichts gegessen, weil ich alles meinen Kindern gegeben habe.«58
Die Armut in den USA kann nicht mehr länger übersehen werden. Auch Nobelpreisträger Angus Deaton, der an der Universität Princeton Wirtschaftswissenschaften lehrte, kritisiert die große Kluft zwischen den Superreichen und der Unterschicht und fordert, dass die Lage der Schwächsten in den USA unbedingt verbessert werden müsse. »Es gibt Millionen von Amerikanern, deren Leiden auf Grund von materieller Armut und schlechter Gesundheit gleich groß oder schlimmer ist als das von Menschen in Afrika oder Asien«, beklagt Deaton. Die USA sollten daher ihr großes Problem mit der Armut nicht länger verstecken, sondern ihrer eigenen Unterschicht helfen, bevor sie sich in die Politik von anderen Ländern einmischen.59
Die Kluft zwischen Arm und Reich zeigt sich auch beim Vermögen. Gemäß einer Studie der US-Notenbank FED aus dem Jahre 2017 haben 100 Millionen Menschen in den USA oder rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung keine oder fast keine Ersparnisse. Diese Menschen können nicht für Notfall-Kosten von 400 Dollar aufkommen. Sie haben also zum Beispiel nicht genügend Geld, um ihr Auto reparieren zu lassen, wenn es kaputt geht, oder um einen größeren Schaden im Haus oder in der Wohnung zu beheben. Sie würden in einem Notfall von Freunden Geld ausleihen, einen Kredit aufnehmen oder etwas verkaufen, das sie besitzen, sagten die Befragten, von denen in etwa die Hälfte Food Stamps bezieht. Jeder Zweite aus dieser Gruppe, so stellte die FED-Studie fest, war nicht in der Lage, die Rechnungen des letzten Monats vollständig zu begleichen, und viele sagten, er oder sie habe im letzten Jahr notwendige medizinische Versorgung nicht in Anspruch genommen, da er oder sie sich diese nicht leisten konnte. Zudem hat von den arbeitenden Erwachsenen ein Viertel oder 60 Millionen Menschen »keinerlei Pension oder Ersparnisse für das Alter«, so fand die FED-Studie heraus. Die Angst vor Altersarmut ist daher bei den Betroffenen groß.60
Es gibt 540 Milliardäre in den USA
Ein ganz anderes Leben führen die Reichen. Weltweit gab es im Jahr 2017 insgesamt 18 Millionen Dollarmillionäre, das sind weniger als 0,25 Prozent der Weltbevölkerung und entspricht in etwa der Bevölkerung der Niederlande. Nie zuvor in der Geschichte hat es so viele Dollarmillionäre gegeben. Von diesen wohnten die meisten, nämlich mehr als 5 Millionen, in den USA. Auf Platz zwei folgte mit 3 Millionen Millionären Japan. Je eine Million Millionäre lebten in Deutschland und in China. In der Schweiz lebten rund 400000 Millionäre, weitere 300000 Millionäre lebten in Indien. Einige Millionäre sind gierig, brutal und rücksichtslos und beuten andere Menschen aus, um noch reicher zu werden. Doch andere Millionäre sind klug und einfühlsam und engagieren sich für eine bessere Welt. Es besteht die Hoffnung, dass sich zumindest ein Teil der Millionäre der Friedensbewegung anschließen wird, wenn ihre materiellen Bedürfnisse gestillt sind und sie nach Sinn in ihrem Leben suchen. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass einige Schweizer Millionäre die Anliegen der Friedensbewegung mit ganzem Herzen unterstützen. Diese Menschen verfügen über eine hohe Bildung und sind finanziell vollkommen unabhängig. Sie wollen keine weiteren Kriege und lehnen Kriegspropaganda ab.61
Innerhalb der Gruppe der Millionäre gibt es große Unterschiede. Rund 90 Prozent, und damit die große Mehrheit, verfügen über ein Vermögen zwischen 1 und 5 Millionen Dollar. Privatpersonen mit einem Vermögen von mehr als 5 Millionen Dollar hingegen sind selten und werden von den Banken und Vermögensverwaltern als »high-net-worth individuals« (HNWI) bezeichnet. Jene, welche sogar über mehr als 30 Millionen Dollar verfügen, sind sehr selten. Sie bezeichnet man in der Finanzbranche als »ultra-high-net-worth-individuals« (UHNWI). Nur wenig mehr 1 Prozent der Millionäre oder weltweit nur rund 250000 Menschen zählen zur Gruppe der UHNWI. Dies entspricht in etwa der Bevölkerung der Stadt Eindhoven in den Niederlanden oder 0,003 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung. Große Vermögensverwalter wie Black Rock, UBS und Goldman Sachs suchen den Kontakt zu diesen sehr vermögenden Privatpersonen, um ihr Vermögen zu verwalten und zu vergrößern und selbst durch Gebühren auf dem verwalteten Vermögen reich zu werden. Gemäß dem World Ultra Wealth Report lebten im Jahr 2017 mit 80000 Menschen die meisten der sehr vermögenden Personen aus der Gruppe UHNWI in den USA.62
An der Spitze der Pyramide der reichsten Menschen stehen schließlich die Milliardäre. Sie verfügen über ein Vermögen von mehr als 1000 Millionen Dollar. Gemäß dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes gab es im Jahr 2017 weltweit rund 2000 Milliardäre. Davon waren 540 US-Amerikaner, 250 Milliardäre waren Chinesen und 120 Milliardäre waren Deutsche. In Indien gab es 84 Milliardäre, in Russland 77 Milliardäre und in der Schweiz gab es laut Forbes 32 Milliardäre. In den USA leben also mehr Milliardäre als in jedem anderen Land der Welt. Die 400 reichsten US-Milliardäre werden von Forbes jedes Jahr mit Foto und dem Namen in einer Liste aufgeführt. Derzeit liegt Amazon-Chef Jeff Bezos mit einem Vermögen von über 100 Milliarden Dollar auf Platz eins. Er ist damit der reichste Mann der Welt. Auf Rang zwei der Forbes-Liste folgt Microsoft-Gründer Bill Gates. Auf Rang drei liegt derzeit der Investor Warren Buffett. Der Milliardär Mark Zuckerberg, CEO von Facebook, rangiert auf Platz vier.63
Auch die Gebrüder Charles und David Koch finden sich auf der Forbes-Liste unter den Top Ten mit einem geschätzten Vermögen von je 50 Milliarden Dollar. Mit ihrem Netzwerk aus Think Tanks, gesponserten Lehrstühlen und Interessengruppen wie Americans for Prosperity sind sie ein bekanntes Beispiel dafür, wie Milliardäre Einfluss auf die Politik nehmen können. So haben die Kochs zum Beispiel den Politiker Mike Pence, der unter Donald Trump als Vizepräsident ins Weiße Haus einzog, mit Millionen Dollars unterstützt. Eine »schwerreiche Clique hat sich des Staates bemächtigt«, kritisierte daher Zeit Online den Einfluss der beiden Milliardäre. Auch US-Präsident Donald Trump, der im Januar 2017 ins Weiße Haus einzog, ist ein Milliardär. Er wird von Forbes mit einem Vermögen von mehr als 3 Milliarden Dollar eingestuft und rangiert auf Platz 259 der reichsten US-Amerikaner. Dies sah Trump indes als Beleidigung an, sein Vermögen sei mehr als doppelt so groß, behauptete er.64
Das Ende des amerikanischen Traums
Während die mehr als 500 US-Milliardäre immer reicher werden, zerfällt in den USA die Infrastruktur, und die Kriegsveteranen schlafen auf Parkbänken. »Wer nach Europa, Japan oder selbst China reist, dem fällt bei seiner Rückkehr sofort auf, dass sich die USA im Verfall befinden, und er hat oft das Gefühl, in ein Land der sogenannten Dritten Welt zurückzukehren«, so der US-Amerikaner Noam Chomsky. »Die Infrastruktur ist marode, das Gesundheitssystem ist völlig zerrüttet, das Bildungssystem liegt in Trümmern, nichts funktioniert, und all das in einem Land, das über unglaubliche Mittel verfügt.« Da der Reichtum in den USA extrem ungleich verteilt ist, werden nur die Anliegen der Superreichen berücksichtigt. Die Unterschicht und Mittelschicht ist gegenüber den Superreichen zwar deutlich in der Überzahl, fühlt sich aber machtlos. Weil ihre Mitglieder viel schlechter ausgebildet und organisiert sind als die Superreichen, gelingt es ihnen nicht, ihre missliche Lage zu artikulieren und durch politische Reformen zu verbessern. »Es bedarf schon einer äußerst effektiven Propaganda, damit Menschen angesichts einer solchen Realität passiv bleiben«, bemerkt Noam Chomsky.65
Oft