Die Gedichte. Auswahl. Else Lasker-SchülerЧитать онлайн книгу.
Hoch vom blauen Gebüsch.
Alles verhaltene Gezwitscher 15
Will wieder jubeln,
Und ich möchte auffliegen
Mit den Zugvögeln fort.
AbschiedAbschied (Ich wollte dir immerzu) [68.]
Ich wollte dir immerzuIch wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen;
Nun suchst du ruhlos
Nach verlorenen Wundern.
Aber wenn meine Spieluhren spielen, 5
Feiern wir Hochzeit.
– O deine süßen Augen
Sind meine Lieblingsblumen;
[55]Und dein Herz ist mein Himmelreich;
Lass mich hineinschau’n. 10
Du bist ganz aus glitzernder Minze
Und so weich versonnen .....
Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen, –
Warum tat ich das nicht? 15
Hagar und JsmaëlHagar und Jsmaël [69.]
Max Reinhardt schenke ich dieses Gedicht
Mit Muscheln spielten Abrahams kleine SöhneMit Muscheln spielten Abrahams kleine Söhne
Und ließen schwimmen die Perlmutterkähne;
Dann lehnte Isaak bang sich an den Jsmaël
Und traurig sangen die zwei schwarzen Schwäne
Um ihre bunte Welt ganz dunkle Töne 5
Und die verstoßne Hagar raubte ihren Sohn sich schnell.
Vergoss in seine kleine ihre große Träne,
Und ihre Herzen rauschten wie der heilige Quell,
Und übereilten noch die Straußenhähne.
Die Sonne aber brannte auf die Wüste grell 10
Und Hagar und ihr Knäblein sanken in das gelbe Fell
Und bissen in den heißen Sand die weißen Negerzähne.
[56]JosephJoseph [70.]
Die Winde spielten müde mit den Palmen nochDie Winde spielten müde mit den Palmen noch
So dunkel war es schon um Mittag in der Wüste,
Und Joseph sah den Engel nicht, der ihn vom Himmel grüßte
Und weinte, da er für des Vaters Liebe büßte
Und suchte nach dem Cocos seines schattigen Herzens doch. 5
Der bunte Brüderschwarm zog wieder nach Gottosten
Und er bereute seine schwere Untat schon
Und auf den Sandweg fiel der schnöde Silberlohn.
Die fremden Männer aber ketteten des Jakobs Sohn
Bis ihm die Häute drohten mit dem Eisen zu verrosten. 10
So oft sprach Jakob inbrünstig zu seinem Herrn,
Sie trugen gleiche Bärte, Schaum von einer Eselin gemolken
Und Joseph glaubte jedesmal sein Vater blicke aus den Wolken
Und eilte über heilige Bergeshöhn, ihm nachzufolgen
Bis er dann ratlos einschlief unter einem Stern. 15
Die Käufer lauschten dem entrückten Knaben,
Des Vaters Andacht atmete aus seinem Haare;
Und sie entfesselten die edelblütige Ware
Und drängten sich zu tragen, Canaans Prophet in einer Bahre,
Wie die bebürdeten Kameele durch den Sand zu traben. 20
Egypten glänzte feierlich in goldenen Mantelfarben
Da dieses Jahr die Ernte auf den Salbtag fiel.
Die kleine Karawane, endlich nahte sie dem Ziel.
Sie trugen Joseph in das Haus des Potiphars am Nil.
An seinem Traume hingen aller Deutung Garben. 25
[57]Gott hör ....Gott hör .... [71.]
Hugo Simon dem Boas
Um meine Augen zieht die Nacht sichUm meine Augen zieht die Nacht sich
Wie ein Ring zusammen.
Mein Puls verwandelte das Blut in Flammen
Und doch war alles grau und kalt um mich.
O Gott und bei lebendigem Tage 5
Träum ich vom Tod.
Im Wasser trink ich ihn und würge ihn im Brot.
Für meine Traurigkeit fehlt jedes Maß auf deiner Waage.
Gott hör, in deiner blauen Lieblingsfarbe
Sang ich das Lied von deines Himmels Dach. 10
Und wurde doch für deinen ewigen Hauch zu wach.
Mein Herz schämt sich vor dir fast seiner tauben Narbe.
Wo ende ich, o Gott, denn in die Sterne,
Auch in den Mond sah ich in alle deiner Früchte Tal.
Der rote Wein wird schon in seiner Beere schaal 15
Und überall die Bitternis in jedem Kerne.
〈An meine Freunde〉<An meine Freunde> [72.]
Nicht die tote Ruhe –Nicht die tote Ruhe –
Bin nach einer stillen Nacht schon ausgeruht.
O, ich atme Geschlafenes aus,
Den Mond noch wiegend
Zwischen meinen Lippen. 5
[58]Nicht den Todesschlaf –
Schon im Gespräch mit euch, himmlisch Konzert,
Ruhe ich aus.
Und neu Leben anstimmt
In meinem Herzen. 10
Nicht der Überlebenden schwarzer Schritt –
Zertretene Schlummer zersplittern den Morgen.
Hinter Wolken, verschleierte Sterne
Über Mittag versteckt –
So immer wieder neu uns finden. 15
In meinem Elternhause nun
Wohnt der Engel Gabriel.
Ich möchte innig mit euch zungenreden,
Seelige Ruhe in einem Fest feiern –
Sich die Liebe mischt mit unserm Wort. 20
Aus mannigfaltigem Abschied
Steigen aneinandergeschmiegt die goldenen Staubfäden,
Und nicht ein Tag ungesüßt bleibt
Zwischen