5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
„Er hat geschlagen und gebissen Tochter von Häuptling. In ihm ist böser Geist. Wir müssen austreiben böse Geist. Medizinmann wird morgen kommen und austreiben. Vielleicht wir verkaufen Pferd an Langmesser.“
„An die Soldaten? Aber das ist doch kein Grund, einen so herrlichen Hengst zu verkaufen. Man kann ihm das Schlagen und Beißen doch abgewöhnen!“
Little Crow lächelte sanft. „Man kann, wenn Pferd mich beißen oder Häuptling beißen oder dich beißen. Aber es hat Namrami gebissen.“
„Weil sie eine Frau, ist?“
„Weil sie eine Frau und Tochter vom Häuptling ist.“
„Little Crow, kann ich dieses Pferd nicht kaufen?“
Little Crow sah Tom grinsend an. „Hast du Geld?“
„Ich könnte dafür arbeiten.“
Little Crow lachte. „Wenn du zu unsere Stamm gehörst, kannst du nicht kaufen und nicht bekommen. Bist du Gast, kannst du nicht kaufen, aber wir können schenken. Bist du fremd, kannst du kaufen. Häuptling will nicht schenken. Braucht Geld. Geld notwendig für Munition und Gewehre. Notwendig für Messer, für Nadeln. Aber ich werde fragen.“
Und Little Crow fragte. Dann kam Little Crow vom Zelt seines Vaters zurück, und der wiederum ging zum Häuptling. Denn Little Crow durfte nicht selbst zum Häuptling gehen.
Tom erwartete eine rasche Antwort, doch Little Crow sagte ihm, dass er damit nicht vor dem morgigen Vormittag rechnen könne.
Indessen trat Tom an den Seilkorral, um sich den Hengst aus der Nähe anzusehen. Ein herrliches Tier, kräftig, groß, mit einem gewaltigen Brustkasten, der eine leistungsfähige Lunge ahnen ließ. Die Fesseln schlank, die Sprunggelenke sehnig und muskulös, ein wunderbarer Mustang, der zudem schon von seiner Fohlenzeit an, wie es bei Indianern üblich war, neben großen erfahrenen Pferden mitgelaufen war. Die Häuptlingstochter war mit ihm nicht fertig geworden.
Tom sprach auf den Hengst ein, erzählte ihm irgend etwas in monotonem, einschläferndem Tonfall. Und der Hengst kam näher, reckte Tom den Kopf entgegen, ließ es geschehen, dass Tom ihn kraulte und streichelte. Es war etwas in Toms Stimme, was alle Wildheit in dem Hengst wie weggeblasen machte. So ähnlich wie bei Sam. Und auch die Art, wie Tom das Pferd liebkoste, schien seine besondere Wirkung zu haben. Tom selbst wusste da noch nicht, dass er eine ganz besondere Gabe besaß: er konnte mit wilden und halbwilden Tieren umgehen wie kaum ein anderer. Etwas war in seinem Fluidum, das diese Tiere deutlich spüren ließ, dass er sie mochte.
Auch der Hengst spürte das, und er, der sonst biss und auskeilte, sobald einer an die Seile des Korrals trat, war wie ein Lamm.
Zuzureiten brauchte man ansonsten einen Mustang nicht, das wusste Tom. Denn die Mustangs wurden schon sehr früh daran gewöhnt, dass sie einmal einen Reiter zu tragen hatten. Anfangs legten ihnen die Indianer Säcke auf, später saßen Kinder auf den Rücken der noch nicht erwachsenen Jungpferde, und Zug um Zug lernten Mustangs, einen erwachsenen Reiter mit einem indianischen Sattel oder auch ohne Sattel - bei Jagd und im Krieg zu tragen.
Dieser Blauschimmel aber musste einmal missbraucht worden sein, wer weiß? Und seitdem, das ging schon über ein Jahr, ließ er kaum einen an sich heran. Nur Little Crow durfte ihn anfassen, aber reiten ließ er sich auch von ihm nicht.
Tom hatte in seiner Burschenzeit zwei Dinge bis zur Perfektion gelernt: Reiten und Schießen. Nur deshalb war er von Webster als Express- und Botenreiter und auch als Wagenbegleiter angestellt worden. Und dieses Können verdankte Tom Old Cliff. Bei dem Alten war er in eine harte Schule gegangen.
Ich würde dich reiten!, dachte Tom, als er den Hengst betrachtete, und er murmelte monoton: „Wir beide könnten Freunde werden, prächtige Freunde. So wie mit Sam, an den ich verdammt oft denke. Und wenn wir drei richtig zusammenhalten, dann wären wir imstande, den Teufel aus der Hölle zu fischen. Was meinst du, Großer Ja, einen Namen haben sie dir auch noch nicht gegeben. Einen Namen geben dir die Schwarzfüße erst, wenn du einem gehörst. Also ich glaube, dass du irgendwann mir gehören wärst. Ich werde dich Thunder nennen. Gefällt dir der Name Thunder?“
Der Hengst rieb seine Nüstern an Toms Schultern, und es gab ein Bild ab, als wären die beiden seit Jahr und Tag die dicksten Freunde. Dabei kannten sie sich noch keine zehn Minuten näher.
Aber aus dieser Bekanntschaft wurde aus völlig unerklärlichen Gründen eine richtige tiefe Zuneigung. Sie hatten sich gesehen und mochten sich. Und Thunder, wie ihn Tom nur noch nannte, wieherte sehnsüchtig, als Tom sich einmal entfernte.
Als Tom zu den anderen jungen Burschen zurückging, die ihm und dem Hengst verblüfft zugesehen hatten, sagte Little Crow, der auch gerade zu ihnen stiess: „Es ist toll, es ist einfach toll, aber du bist Wundermann! Da drüben, Häuptling hat zugesehen. Hat alles beobachtet.“
Der Häuptling winkte Little Crow. Der trabte zu dem bulligen Indianer, beide sprachen, dann trabte Little Crow wieder über den Platz zu den jungen Burschen.
„Guipaego, du kannst bekommen Hengst. Du musst nehmen und reiten. Wenn Hengst dich tragen, du kannst behalten Hengst. Häuptling ihn dir schenken.“
*
Sie kamen aus allen Zelten, und sie bildeten einen riesigen Kreis. Der älteste Greis humpelte herbei, um es zu sehen. Und sie alle hatten noch gut in Erinnerung, wie dieser Blauschimmel gebissen und geschlagen hatte. Denn nur bei der Tochter des Häuptlings, die übrigens mit einem Häuptlingssohn verheiratet worden war und seit ein paar Wochen nicht mehr im Camp lebte, hatte man die Tücken dieses Hengstes beklagt. Der Hengst' war aber schon vorher zum Schrecken vieler mutiger Männer geworden, die er abgeworfen und dann mit wirbelnden Hufen fast umgebracht hatte.
Jetzt wollten sie sehen, wie dieses gelbhaarige Bleichgesicht sein Leben aufs Spiel setzte. Doch zuvor ließ der Häuptling etwas verkünden, und Little Crow übersetzte es Tom, weil der nicht alles verstanden hatte.
„Hengst gehören meine Familie. Häuptling sagt, dass ich versuche auf Hengst reiten. Wenn ich oben bleiben, dann Hengst mir gehören. Wenn nicht, du musst versuchen. Wenn du auch nicht kannst reiten, Hengst kommt zu Langmesser.“
„Also praktisch eine Art Zweikampf“, sagte Tom. „Zwischen uns beiden.“
„Zwischen Hengst und uns beiden“, erwiderte Little Crow.
Little Crow ging zum Seilkorral, wo der Hengst nicht nur eingepfercht war, sondern auch zusammengebundene Vorderbeine hatte, um ihm die Flucht unmöglich zu machen.
Der Hengst kannte Little Crow, und von ihm ließ er sich anfassen, ließ sich die Fesseln lösen, ließ sich aus dem Korral führen. Er trug jetzt nur die Hackamore, jenen Zaum, den die Indianer zum Leiten des Pferdes nötig haben. Ein Nasengurt statt eines Gebissstückes und ein einfaches Seil sind alles, womit Indianer ein Pferd leiten.
Auf die Mitte des von den Zuschauern gebildeten Kreises brachte Little Crow den Hengst. Er winkte auch Tom, weit genug zur Seite zu gehen, dann sprang Little Crow nach Indianerart mit einem Schrei auf den Rücken des Hengstes. Trieb den Hengst damit zugleich an, um ihn am Bocken zu hindern oder davon abzulenken.
Thunder, der Blauschimmel, machte einen Satz nach vorn, stemmte sich sofort mit beiden Vorderbeinen ein, aber damit bekam er Little Crow nicht von seinem Rücken. Der junge Indianer saß wie angewurzelt auf dem Pferd, und als es abermals bockte und dabei mit der Hinterhand auskeilte, klebte Little Crow nach wie vor auf dem Pferdrücken.
Doch nun versuchte es Thunder anders. Er warf sich überraschend seitlich auf den Boden. Little Crow begriff es gerade noch rechtzeitig und sprang ab.
Der Hengst wirbelte herum, und schon rotierten die Vorderhufe in rasendem Tempo wie Quirle. Little Crow sprang auf und hatte nur noch die Chance, diesen mörderischen Vorderhufen durch die Flucht zu entkommen. Das hatte mit Feigheit nichts zu tun. Es war die einzige Lösung. Und Little Crow rannte los. Der Hengst kam wieder auf alle Viere, aber da war Tom da. Tom, der mit zwei langen Sprüngen gestartet war, als sich sein Freund Little Crow