9 ungewöhnliche Western April 2020: Western Sammelband 9006. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
Freunde ritten nebeneinander in den Spalt, der für sie gerade noch breit genug war.
Nach einer knappen Viertelstunde verbreiterte sich der Spalt wieder. Nur noch zwanzig Yards hoch überragten die Felswände den Grund des Hohlweges. Nacktes Geröll lag an den Rändern. Die letzten Büsche waren hinter den Freunden zurückgeblieben.
Da auf einmal wurde das Gelände vor ihnen wieder weiter. Die Felsen flachten sich ganz ab und ein weites Plateau lag vor ihnen. In einer mit Erde angefüllten Rinne standen eine Reihe dürrer Kakteen wie große, stachelige Gerippe und warfen lange Schatten auf den felsigen Boden.
Im Süden und Osten fiel das Gelände hinter einer jähen Kante steil in die Tiefe. Berge türmten sich in beiden Richtungen bis zum Horizont auf.
„Feierabend“, murmelte Chaco. „Mindestens in der Richtung, in der wir wollen.“
Ihre Pferde standen wieder.
„Die Richtung allein genügt demnach nicht“, stellte Carringo fest. Er schaute nach Norden.
Dort schien in einem Spalt in der Wand eine Möglichkeit des Abstiegs zu sein. Er ritt darauf zu und sah, dass es ein ausgewaschener Weg war, durch den im Frühjahr wahrscheinlich Schmelzwasser floss.
Chaco war ihm gefolgt, ritt vorbei und entschlossen in die Tiefe.
„Wir kehren nun doch halbwegs um“, sagte er über die Schulter. „Nur wissen wir auf diesem Wege nicht, wo wir herauskommen werden.“
Carringo folgte ihm schweigend.
Der erste Absatz des Abstiegs lag in einem kargen Felsental, in das die Schmelzwasser eine Rinne gewaschen hatten, die Geröll bedeckte, liegengebliebenes, von Wasser und Wind rundgeschliffenes Gestein, das seit Jahrtausenden offenbar unberührt diesen Platz bedeckte.
Doch auf einmal sprang Chaco aus dem Sattel, ging in die Hocke und tastete das Gestein mit den Fingern ab.
Winzige graue Striche waren auf den ebenen, blankgescheuerten Steinen zu erkennen, die nicht vom Wasser und vom Wind stammen konnten.
„Pferde“, sagte Chaco leise und richtete sich auf. „Hier sind beschlagene Pferde gelaufen!“
„Wie es scheint, vor gar nicht sehr langer Zeit“, meinte Carringo.
„Genau!“ Chaco trat zurück und stieg in den Sattel.
Sie spähten über die unverkennbaren Spuren und ritten weiter. Carringo querte die Schmelzwasserrinne vor Chaco und lenkte seinen braunen Hengst in die klaffende Spalte, in die während der Schmelze das Wasser stürzen musste. In der Tat konnte sich Fox, sein Hengst, in der abschüssigen Mulde halten. Manchmal allerdings rutschte er und die Eisen schabten mit scharfen Geräuschen über das Gestein. Das Pferd scheute. Doch da ebnete sich die Mulde bereits wieder.
Carringo ritt aus dem schmalen Spalt in ein grünes Bergtal, das von senkrechten Wänden umschlossen geradezu ein Paradies in dieser rauen Höhe darstellte. Die Schmelzwasser hatten eine Menge Erde angeschwemmt, die sich im Tal verteilt hatte und ein guter Untergrund für den grünen Grasteppich geworden war. Aus einer winzigen Scharte sprang ein Wildwasser und floss in einer zweiten Rinne bis in die Mulde, die es mitten im Tal erreichte und mit seinem Wasser speiste.
Büsche wuchsen am Rande der senkrechten Wände. Dazwischen befand sich eine wurmstichige Hütte und davor, auf der Ostseite des Tales, angestrahlt von der Sonne, sah Carringo das, was ihn fasziniert staunen ließ: eine Herde pechschwarzer Pferde. Makellos überzogen die samtweichen Felle die Körper und Beine des Mustangs. Selbst auf den Stirnen war nicht die geringste Unregelmäßigkeit in der Farbe zu erkennen.
Carringo fühlte sich an Wildcat, seinen schwarzen Hengst, erinnert, den er weit in der Ferne zurückgelassen hatte. Wehmut packte ihn für Sekunden, so dass er den Gedanken an das treue ferne Tier mit Gewalt verdrängen musste.
Chaco aber hatte seinen Pinto gezügelt und unaufgefordert die Hände gehoben.
Denn da waren noch zwei Mexikaner, die rechts von ihnen standen, die Colts angeschlagen und die Finger an den Abzügen.
„Und was ist mit dir, Gringo, keine Lust?“, fragte der eine.
Carringo hob ebenfalls die Hände über den Kopf.
„Na also. Nun schnallen wir erst mal die Patronengurte ab und lassen sie fallen. Aber schön langsam und vorsichtig. Und einer nach dem anderen. Erst du, Halbblut!“
Während Chaco langsam den Patronengurt abschnallte, mit einer Hand nach rechts führte und fallen ließ, musterte Carringo die beiden Mexikaner, denen sie in die Falle gelaufen waren. Natürlich hatten die Kerle sie schon lange vorher gehört, zumindest die polternden Geräusche der beiden Pferde.
Der eine Mexikaner war um die vierzig Jahre alt, vielleicht auch ein wenig jünger. Finster und feindselig musterte er die Freunde.
Der andere war vielleicht fünfundzwanzig. Beide Mexikaner waren mittelgroß, schwarz und von Misstrauen erfüllt.
„Gringos“, sagte der jüngere Mann, während er ein paar Schritte näher trat und Chacos Waffengurt mit dem Fuß weit weg beförderte.
„Jetzt du!“ Der andere Mexikaner winkte mit der Waffe.
Carringo schnallte den Patronengurt ab, hielt ihn hoch und warf ihn ein Stück vor die Pferde.
„Weg damit, Lopez“, befahl der ältere der beiden.
Der junge Mann ging vor die Tiere und trat gegen den Gurt, dass er zu dem anderen flog. Dann holte er die Gewehre der Freunde und warf sie hinter den Colts und Patronen her.
„Schickt euch Don Carlos Falange?“, fragte der ältere Mexikaner. „Hat er jetzt Gringos als Revolvermänner angeworben?“
„Wir wissen nicht, was Sie meinen“, erwiderte Chaco. „Uns schickt niemand.“
„Wir sind auf dem Wege nach Tampico“, setzte Carringo hinzu.
„Tampico?“ Lopez lachte schallend. „Hier geht es doch nicht nach Tampico.“
„Richtig, wir sind vom Wege abgeraten“, entgegnete Chaco. „Das haben wir vor ein paar Stunden auch gemerkt. Aber wir dachten, wir würden die Fahrstraße schon wieder finden, wenn wir die Richtung beibehalten. Allerdings ...“
„Was?“
„Na ja, es ging nicht weiter nach Südosten. Wir mussten nach Norden abbiegen.“
„Er lügt, Señor Spinola!“, stieß Lopez mit funkelnden Augen hervor. „Ich sehe es ihm an!“
„Nichts siehst du“, sagte Chaco wütend. „Teufel, wir sind unterwegs nach Tampico und kennen keinen Don Carlos Falange.“
„Jetzt lügt er schon wieder!“, rief Lopez und bewegte seinen Colt.
„Herunter von den Pferden“, sagte Spinola.
Er war tatsächlich neununddreißig Jahre alt, hieß Adolpho mit Vornamen und sah seinem Bruder Jiminez sehr ähnlich. Allerdings trug er im Gegensatz zu diesem einen schwarzen Schnauzbart.
Chaco stieg ab und trat von den Pferden weg. „Wir sind hier völlig fremd, Señor. Es ist reiner Zufall, dass wir dieses Tal fanden.“
„Mein Name ist Spinola. Adolpho Spinola. Hat Falange gesagt, dass ihr die sagenumwobenen Pferde hier suchen sollt?“
„Sagenumwobenen Pferde?“ Chaco blickte zu dem kleinen Rudel hin, die die kleine Hütte umgaben. Es mochten fünfzehn Tiere sein. Und in der Tat hatte er niemals zuvor so viele wundervolle Rappen gesehen, offensichtlich mindestens zum Teil Mustangs aus einem zusammengehörenden Rudel.
Carringo war ebenfalls abgestiegen und trat mit erhobenen Händen von ihren Pferden weg.
„Die lügen!“, stieß Lopez hervor. „Wollen wir sie gleich ...“
Carringo