Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
für ein paar Tage auf das heimatliche Gut des Barons von Radvanyi zurück, allerdings nur, um so bald wir möglich wieder nach Schloss Eichenbach zurückzukehren.
Denn erstens wollte sie nicht zu lange von Wilfried getrennt sein und zweitens war auf Schloss Eichenbach auch noch einiges im Hinblick auf die Verlobung zu tun - selbst wenn es sich nur um eine Feier im bescheidenen Rahmen handelte.
Wilfried begleitete Susanne auf Gut Radvanyi, stellte sich beim Baron und der Baronin vor und machte einen überaus positiven Eindruck auf Susannes Eltern.
Leider musste er schon am nächsten Tag zurückkehren, da seine Anwesenheit in den verschiedenen Unternehmungen seines Vaters vonnöten war.
"Bist du glücklich?", fragte Baronin Viola von Radvanyi ihre Tochter, während eines sonnigen Nachmittags, den sie im Schatten hochgewachsener Platanen an einem Teich verbrachten, der zu den Gartenanlagen von Gut Radvanyi gehörte.
"Oh, ja, ich bin sehr glücklich. Wilfried ist ganz bestimmt der richtige Mann für mich..."
"Ja, das glaube ich auch. Auf mich hat er einen ganz ausgezeichneten Eindruck gemacht..." Die Baronin musterte aufmerksam das Gesicht ihrer Tochter und fuhr dann fort: "Und dennoch scheint da irgendetwas zu sein, was du mir noch nicht gesagt hast... Als ob irgendein Schatten auf deinem Glück liegt..."
Susanne erschrak.
Ihre Mutter kannte sie gut. So gut, dass es ihr immer sehr schwer gefallen war, irgendetwas vor ihr geheimzuhalten. An kleinsten Regungen ihres Gesichts, am Klang ihrer Stimme und anderen, für andere kaum wahrnehmbaren Anzeichen konnte sie ihre Stimmung ablesen. Manchmal grenzte das beinahe an Telepathie.
Susanne wich dem Blick ihrer Mutter aus.
Was sollte sie ihr antworten?
Ihr vielleicht von den gemeinen Verdächtigungen einer seelisch Kranken berichten?
"Es ist nicht so wichtig", behauptete sie.
Aber das ließ die Baronin natürlich nicht durchgehen.
"Wenn es dich bedrückt, dann ist es auch wichtig", stellte sie klar.
Susanne seufzte schwer. Und dann berichtete sie ihrer Mutter schließlich von Christianes Anschuldigungen und der Ablehnung, mit der die junge Komtesse sie geradezu verfolgte.
"Und es gibt keine Beweise dafür, dass das, was Christiane sagt, der Wahrheit entspricht?", hakte die Baronin nach.
Susanne schüttelte den Kopf.
"Nein."
"Dann solltest du dich von dem Gerede dieser Komtesse nicht beirren lassen..."
"Das werde ich auch nicht", sagte Susanne entschlossen.
"Mein Glück werde ich mir nicht zerstören lassen - auch nicht von dieser eifersüchtigen Kranken."
"Wenn wirklich etwas an den Anschuldigungen dran wäre, würde Wilfried kaum so gelassen reagiert haben", gab die Baronin zu bedenken. Und in dem Punkt musste Susanne ihr recht geben.
Aber da war die Szene, unten in den Kellergewölben, zu denen man über die Geheimgänge gelangen konnte...
Einen kurzen Augenblick lang tauchte bei Susanne wieder die Frage auf, ob es wirklich nur ehrliche Besorgtheit gewesen war, die Wilfried zu seiner recht heftigen Reaktion veranlasst hatte...
Natürlich war es das!, wies sich die Baroness sofort selbst zu recht. Was soll es dort unten noch für Beweise geben? Und hätten dann nicht die Nachforschungen der Polizei etwas ans Tageslicht bringen müssen?
Ein etwas gezwungen wirkendes Lächeln zeigte sich nun um ihre vollen Lippen herum.
"Lass uns von etwas anderem reden", schlug sie dann vor.
10
Als Susanne nach Schloss Eichenbach zurückkehrte, war inzwischen das Kleid eingetroffen, das in Mailand in Auftrag gegeben worden war.
Susanne fand es in ihrer Suite vor und probierte es gleich an.
Es war ein Traum in weinrot, besetzt mit kostbaren Spitzen. Und es passte wie angegossen. Susanne trat vor die große Spiegelwand in ihrer Suite, hinter der sich die Geheimtür befand...
Ja, so würde sie dem Anlass entsprechend gekleidet sein, wenn sie und Wilfried einander die Ehe versprachen.
Es klopfte an der Tür zu ihrer Suite.
Wilfried konnte es nicht sein.
Er würde erst in ein oder zwei Stunden von einem geschäftlichen Termin zurückkehren.
Zögernd ging Susanne von Radvanyi zur Tür.
"Wer ist da?", fragte sie.
"Ich bin es, Christiane", kam die Antwort von der anderen Seite der massiven Holztür.
Was mag sie von mir wollen?, fragte Susanne sich und spürte dabei, wie ein mulmiges Gefühl sich in ihrer Magengegend breitmachte. Sie öffnete. Christiane musterte sie mit einem abschätzigen Blick von oben bis unten. Die sehr strenge Knotenfrisur, die die junge Komtesse trug, verstärkte den abweisenden Ausdruck ihres eigentlich sehr hübschen und feingeschnittenen Gesichtes noch.
"Ist das das Kleid, das Wilfried für Sie hat anfertigen lassen?", erkundigte sie sich mit klirrend kalter Stimme.
"Ja."
"Es steht Ihnen..."
Susanne atmete tief durch. Sie musste sich sehr beherrschen um ihre Fassung zu behalten. "Was wollen Sie von mir, Christiane?"
Christiane sah ihr Gegenüber beschwörend an. "Ich muss mit Ihnen reden, Susanne. Sie wissen gar nicht, in welcher Gefahr Sie sich befinden..."
"Wenn Sie Ihre abstrusen Anschuldigungen gegenüber Wilfried nur wiederholen wollen, gehen Sie besser. Ich möchte mir das nicht noch einmal anhören müssen..."
"Baroness Susanne..."
"Ich meine es ernst. Was auch immer Sie versuchen, Sie werden Wilfried und mich nicht auseinanderbringen. Gleichgültig, wie viel Misstrauen Sie auch zu streuen versuchen."
"Sie rennen sehenden Auges in Ihr Unglück, Susanne. Es könnte Ihnen genauso ergehen, wie Lisa Reindorf..."
"Warum sollte das geschehen?"
"Wilfried ist ein Mörder!"
"Das behaupten Sie - ohne auch nur den Hauch eins Beweises dafür vorbringen zu können!" Susanne fixierte Christiane mit einem durchdringenden Blick. "Warum verfolgen Sie ihn und mich mit Ihrem Hass, Christiane. Was habe ich Ihnen getan? Kann ich etwas dafür, dass er mich liebt und nicht Sie?"
Christianes Gesicht wurde dunkelrot.
"Wissen Sie, wer dafür gesorgt hat, dass sich die Geheimtür hinter dem Spiegel öffnen ließ?"
"Sie waren das?", entfuhr es Susanne von Radvanyi.
Christiane nickte.
"So ist es."
"Aber warum das alles?"
"Um Ihnen die Augen zu öffnen, Susanne. Sie sollen erkennen, wer der Mann wirklich ist, dessen Namen Sie tragen wollen... Die Wahrheit liegt dort unten, in den alten Gewölben, in den dunklen, kalten Verliesen unter dem Schloss..."
Damit drehte sie sich herum und ging.
"Und was sollte ich dort finden?", rief Susanne der Komtesse hinterher.
Diese drehte sich noch einmal kurz um. Ihr Lächeln wirkte mechanisch. "Das müssen Sie schon mit eigenen Augen sehen, Baroness. Mir glauben Sie ja ohnehin nicht!", und damit wandte sich um und ging. "Seien Sie keine Närrin und verschließen Sie nicht die Augen vor der Wahrheit!", rief sie noch.
Schnelle Schritte waren jetzt von der anderen Seite her zu hören und hallten in dem hohen Flur wider.