Pistengeier: Berlin Turbo #9. Glenn StirlingЧитать онлайн книгу.
stellt große Anforderungen an einen. Ich war fünf Jahre da. Dann bin ich zurückgekommen. Da ist noch eine alte Geschichte gewesen. Ich habe das mit dem Gericht in Ordnung gebracht, habe aber Bewährung. Deswegen muss ich in Deutschland kleine Brötchen backen, verstehst du? Aber jetzt bin ich in Frankreich. Und für die Franzosen ist das schon was, wenn man fünf Jahre in der Legion abgerissen hat, verstehst du? Überleg dir das! Freiwillig kriegst du mich jedenfalls nicht von diesem Bock. Ich muss die Arbeit behalten. Ich gebe zu, ich bin ein bisschen aus der Übung. Bei der Legion habe ich Dreiachser GMC gefahren, auch schon mal einen Berliet, Militärfahrzeuge. Ich wollte dir das nicht auf die Nase binden. Aber wo es jetzt um so was geht, kannst du das ruhig wissen. Die haben mich vor fünfeinhalb Jahren drankriegen wollen, weil ich angeblich ein paar Pakete mit Zigarren geklaut hätte. Das waren Davidoff-Zigarren, das Stück für sechs Mark. Die ganze Geschichte hatte einen Wert von etwas über zehntausend Mark. Das wollten sie mir anhängen. Ich hatte mit den Zigarren nichts zu tun. Es gab aber ein paar Stinker, die behaupteten, sie hätten mich dabei gesehen, wie ich das Zeug vom Hänger geholt hätte. Damals war ich Beifahrer. Der Erste Fahrer war ein Schweinepriester. Er konnte mich auch nicht leiden. Jedenfalls wollten die mich verknacken. Da habe ich die Mücke gemacht, bin nach Frankreich, bin zur Legion. Aber schließlich hat man im Ausland irgendwann einmal die Schnauze voll. Und ich dachte, fünf Jahre sind eine lange Zeit, da könnte schon Gras drüber gewachsen sein. War aber nicht. Da habe ich mich gestellt. Vor sechs Wochen habe ich das Urteil bekommen.“
„Und ich habe gedacht, du warst bei Schenker, das haben sie erzählt.“
„War ich auch, aber nur vierzehn Tage, nicht zum Fahren, zum Auf- und Abladen. Luftfracht, verstehst du? Berlin Tegel, manchmal auch Tempelhof, auf alle Fälle Knochenschinderei. Und da habe ich mich beworben, bei Schalupke, na ja, und den Job will ich behalten. Du machst mir das nicht kaputt. Du hast gar keine Ahnung, was bei mir in der letzten Zeit los war. Die haben mir die Prozesskosten angehängt. Wenn ich die nicht bezahle, muss ich in den Knast. Ich will nicht in den Knast. Wenn sie mich schon verdonnern für etwas, was ich gar nicht getan habe, dann will ich wenigstens in Freiheit bleiben. Um das für die Prozesskosten bezahlen zu können, habe ich in zwei Schichten gearbeitet. Auf dem Flughafen für Schenker und nachts Musik gemacht in einer Disco. Ich bin fix und fertig, verstehst du? Und deshalb wurde ich müde. Das wird sich legen, das ist jetzt am Anfang noch. Ich bin das einfach noch nicht wieder so gewöhnt, am Steuer zu sitzen.“
„In anderen Worten“, meinte Klaus, „du hast überhaupt keine Erfahrung auf dem Bock, jedenfalls nicht im Fernverkehr.“
„Doch, habe ich schon. Damals, als sie mich reinlegen wollten und ja auch reingelegt haben, mit diesen Scheißzigarren, da bin ich Fernverkehr gefahren. Aber weißt du, hier hat sich viel geändert in fünf Jahren. Es ist ja sogar noch länger als fünf Jahre. Das muss erst mal einer begreifen. Dir ist das alles Gewohnheit geworden, für mich ist vieles neu.“
„Warum, zum Teufel, hast du mir nicht die Wahrheit gesagt, du verdammter Arsch! Hättest du gesagt, das und das ist mit mir ...“
Paul lachte wild auf.
„Was wäre dann gewesen? Du hättest sofort mit deiner Chefin telefoniert und gesagt, diesen Knastologen willst du nicht.“
Klaus dachte: Na ja, verständlich, wenn er das annimmt. Der weiß ja nicht, wie Rolli und ich über so was denken. Und dann sagte er: „Schön und gut, überredet. Aber du hättest die Wahrheit sagen können. Es wäre besser gewesen und hätte uns manchen Ärger erspart. Und jetzt, wo ich weiß, was mit dir los ist, fährst du weiter. Du fährst, und ich setze mich daneben. Und wenn du merkst, dass du irgendwas nicht richtig kannst, dann fahr rechts ran und halte. Dann wechseln wir. Und wenn du was nicht weißt, dann frage mich das. Aber bau keinen Scheiß nach dem andern! Wir haben eine Terminfracht. Und wenn du wieder mal müde bist, wofür ich verdammt noch mal Verständnis habe, wenn ich weiß, was läuft, dann wecke mich. Wir müssen am Rollen bleiben, verstehst du das nicht?“
„Klar, verstehe ich das.“ Paul machte ein schuldbewusstes Gesicht. „Tut mir ja verdammt leid, aber was soll’s?“
„Los, wenn du dich fit fühlst, dann heiz die Kiste an, und weiter! Einfach auf der Standspur zu halten, du musst verrückt sein!“
Paul ließ an, schaltete die Warnanlage ab. Und als er sich vergewissert hatte, dass die Bahn frei war, ging er auf Strecke.
Klaus dachte über das nach, was er gehört hatte. Noch immer hatte Paul den Ärmel hochgeschoben, so dass die Tätowierung auf dem rechten Unterarm zu sehen war. Es war ein behaarter Arm, aber die Tätowierung war deutlich. Es war das Wappen der Fremdenlegion.
Sie kamen dann auf die Pariser Autobahn, und es ging südwärts Richtung Lyon.
Vor Lyon löste Klaus Paul ab. Dann fuhren sie an der Rhone entlang, als sie aus dem Tunnel heraus waren. Es ging noch immer nach Süden. Sie kamen gut voran. Auch an den Mautstellen klappte es, sie hatten kaum Aufenthalt. Zehn Minuten hatte es gedauert, unmittelbar hinter Lyon an einer Großtankstelle die Tanks zu füllen. Aber dann ging es weiter.
Die drei Fässer mit Diesel, die sie auf dem Maschinenwagen hatten, wurden nicht angerührt. Die brauchten sie noch auf den Pisten Marokkos. Es war die eiserne Reserve. Sechshundert Liter Heizöl. Sie konnten es erst tanken, wenn sie abgeladen hatten und die Plomben entfernt waren. Und sie mussten es verbraucht haben, bevor sie zurück nach Deutschland kamen. Aber darin hatte Klaus seine Erfahrungen. Die Fässer würden leer sein, wenn sie Deutschland wieder erreichten.
Klaus fuhr bis Nimes. Paul hatte bis dahin geschlafen. Klaus weckte ihn. Sie fuhren noch bis zu einer Raststätte, aßen ein paar Happen, tranken Kaffee, dann übernahm Paul.
Wenn es so weitergeht, dachte Klaus noch, als sie der Sonne entgegenrollten, haben wir den Zeitverlust bald wieder aufgeholt. Es schnurrt wie der Teufel. Ein Glück ...
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