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Weltklasse. Oliver GritzЧитать онлайн книгу.

Weltklasse - Oliver Gritz


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entstand.

      Die Notwendigkeit, diese drei komplexen Baustellen anzugehen, führte zu einer immensen Überforderung meines damaligen Vorgesetzten, der darauf hoffte, die Entwicklung doch noch irgendwie anhalten und die Zeit zurückdrehen zu können. Als naiver Idealist, der ich damals war, hatte ich für die Situation, in der sich mein Vorgesetzter befand, überhaupt kein Verständnis. Ich erwartete Veränderung und zwar sofort. Dass ich das Feld mit derselben Radikalität umwälzen konnte, wie wir in Basel den Finanzbereich umgewälzt hatten, war eine Illusion.

      Ich erkannte nicht, dass ich gar nicht in der Position war, das Unternehmen zu verändern. Mein Idealismus war an sich ja gut, wie ich damit umging war jedoch schlecht. Anstatt meine Mission langfristig anzulegen, geduldig auf Verbesserungen hinzuarbeiten, mir Zeit zu nehmen, die neue Kultur und das Umfeld, in dem ich arbeitete, gründlich zu durchdringen, setzte ich voll auf Konfrontation. Ich legte mich mit etlichen Kollegen an und gebärdete mich wie ein Elefant im Porzellanladen. Der Luftfrachtchef in Hongkong war ein stolzer chinesischer Kollege, der sein Geschäft ebenfalls seit mehr als zehn Jahren erfolgreich betrieben hatte. Er war es gewohnt, Serviceprobleme mit Kunden zu regeln, indem er ihnen Abschläge vom Rechnungsbetrag erlaubte. Dabei ging er eigenmächtig und nicht in allen Fällen im Sinne des Unternehmens vor. Sein Gebaren war undurchsichtig und verursachte in der Verwaltung unserer Außenstände überdies ein erhebliches Maß an Unordnung. Ich reagierte darauf, indem ich den Mann bei einer der ersten Managementsitzungen, an denen ich teilnahm, rüde zusammenfaltete. Auch wenn ich in der Sache Recht gehabt haben mag, war mein Vorgehen vollkommen daneben. Wer sich auch nur ein bisschen mit den sozialen Gepflogenheiten in China auskennt, der weiß, dass ein derart direktes und somit ehrverletzendes Vorgehen ungehörig und kontraproduktiv ist. Eine derart tölpelhafte „Härte“, wie ich sie an den Tag legte, entsprang meiner Angst, in meiner neuen Funktion nicht schnell genug sichtbare Resultate vorzuweisen. Es baute sich in mir ein Druck auf, den ich am Ende nicht mehr aushalten konnte.

      Als Hilfeschrei wandte ich mich mit einem ungeschickten Schreiben an unseren Basler Hauptsitz, in dem ich meinen Vorgesetzten quasi als unbrauchbar denunzierte. Meine Diagnose war zutreffend. Meine Art damit umzugehen jedoch dumm und naiv. Entsprechend ging der Schuss nach hinten los. Denn unsere armen Vorstände in Basel, die Empfänger meines Schreibens waren, hatten zu diesem Zeitpunkt Wichtigeres zu tun, als sich mit den Problemen eines jungen Managers in Hongkong zu beschäftigen. Sie erwarteten, dass ich dort meine Arbeit verrichtete. Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb waren die ersten Rückmeldungen, die ich auf mein Schreiben erhielt, verheerend negativ. Ich fürchtete um meine berufliche Existenz und der Druck erhöhte sich. Noch dazu machte mich die Stadt Hongkong mit ihrer dreckigen Luft, in der es überhaupt keinen Auslauf und keinen Rückzugsort von den Menschenmassen zu geben schien, fast wahnsinnig. Auf einem meiner Besuche in Deutschland berichtete ich meinem Vater über den Vorfall mit meinem Vorgesetzten und den Stress, den die Situation bei mir auslöste. Ich sprach von meiner Angst, meine Stelle zu verlieren oder noch schlimmer, meinen Ruf zu ruinieren. Ich sah ihn über den Tisch hinweg an und erwartete ein paar aufmunternde Worte. Stattdessen machte mein Vater mir Vorwürfe. Ich wäre selber schuld, sagte er scharf. Ich sei zu schwach, um mit dieser von mir verbockten Situation richtig umzugehen. Mir wurde schwarz vor Augen. Es war, als ginge in meinem Kopf das Licht aus. Ich verlor kurz das Bewusstsein und fiel beim Abendessen vom Stuhl. Meine Eltern riefen den Notarzt. Der diagnostizierte eine Panikattacke, und nach ein paar Minuten hatte ich mich wieder erholt.

      Am nächsten Morgen flog ich ziemlich zerstreut nach Hongkong zurück. Die nächsten beiden Wochen wurden zu einer nervenzerreißenden Hängepartie. Die Stadt kam mir plötzlich noch enger, verbauter und übervölkerter vor als zuvor. Die schlechte Luft verstärkte meine Platzangst und der Druck im Job erzeugte ein Gefühl, als würde ich auf schwankendem Grund laufen.

      Die Spannung, ob ich nun meinen Job verlieren würde oder nicht, löste sich erst auf, als unangekündigt eine Delegation aus der Nachbarregion Singapur bei uns auftauchte. Sie wurde angeführt vom „neuen starken Mann“ in Asien. Den hatte man offenbar am Vortag, ohne dass es bisher offiziell verkündet worden war, zum Chef von Gesamtasien ernannt. Seine erste Amtshandlung war es, nach Hongkong zu reisen und meinen Chef, den älteren Herrn und bisherigen Leiter von Greater China zu entlassen. Ich fing mir an diesem Tag eine Rüge für mein Verhalten ein, die jedoch mit einem Augenzwinkern ausgesprochen wurde. Meine Lagebeurteilung war offenbar doch auf offene Ohren gestoßen. Das war auch der Grund, warum mich das Unternehmen nach meinen Fauxpas nicht fallen ließ. In der Folge bot man mir eine Beförderung und die Rückkehr in die komplett reorganisierte Basler Zentrale an, die ich dankbar annahm. Sehr zum Bedauern meiner Frau, die sich in Hongkong pudelwohl gefühlt hatte, packten wir nach siebzehn Monaten im Juni 1996 wieder unsere Siebensachen und kehrten nach Europa zurück.

      Im Rückblick war dieses Hongkonger Abenteuer für mich eine der wichtigsten Lernerfahrungen meines Lebens. Ich gewann dadurch an Reife und Statur, was mich trotzdem nicht davor bewahrte, noch in etliche Fettnäpfchen zu treten. Im nächsten Karriereschritt konnte ich das in Hongkong gelernte jedoch voll ausspielen und es lagen sechs tolle und hochproduktive Jahre vor mir.

       Basel, die Zweite

      Bevor ich meine Stelle in Basel als Leiter des Controllings des neugeschaffenen Geschäftsbereichs für die internationalen Luft- und Seefrachtverkehre antrat, hatte ich erst einmal das Bedürfnis, mich von dem in Hongkong erlittenen Stress zu erholen. Die überbevölkerte Stadt und der Druck hatten meine Batterien verbraucht. Deshalb schnappte ich mir mein Rennrad und fuhr alleine in einer Woche ca. 1.000 km von Lörrach nach Béziers in Südwestfrankreich ans Mittelmeer.

      Das Gute an meinem zweiten Anlauf in Basel war, dass ich mit einem Chef zusammenarbeiten konnte, der genauso oder vielleicht noch fanatischer und ehrgeiziger war als ich. Er war Mitte Fünfzig und hatte zuletzt 38 Jahre bei einem Konkurrenten gearbeitet, 16 Jahre davon in Nigeria. Kurz vor seinem Eintritt ins Unternehmen war er beim Polospielen in Argentinien vom Pferd gefallen und hatte sich dabei das Genick gebrochen, das nun von einer Stahlplatte zusammengehalten wurde.

      Er war ein Meister seines Fachs und verstand sich wie kein Zweiter darauf, in welcher Situation auch immer mit seinen Organisationen Geld zu verdienen. Ich schätzte sein professionelles Knowhow, seine Authentizität und mochte ihn als Mensch. Unsere Zusammenarbeit war erstklassig. Es gelang ihm, obwohl er eine „Kampfmaschine“ war, gut mit Menschen zurechtzukommen und so ließ er mich gewähren und bezog mich mit ein. Wir konnten in den nächsten drei Jahren unseren Bereich hochprofitabel gestalten und etliche Dinge in Bewegung setzen, die sich positiv auf die Qualität unserer Arbeit auswirkten. Erschwert wurde diese Arbeit ab Mitte der neunziger Jahre allerdings von der Unternehmensberatung McKinsey und unserem Vorstandsvorsitzenden, die beide die strategische Werthaltigkeit unseres Geschäftsbereichs anzweifelten. Zwar waren wir in den Jahren ab 1997 der große Money-Maker des Unternehmens. Jedoch vertrat die Mehrheit der Mitglieder der Unternehmensleitung die Auffassung, dass die internationale Luft- und Seefrachtspedition sich mittelfristig nicht mehr profitabel durchführen ließe. Dafür schätzte man das Geschäft als zu einfach ein. Deshalb würden die Margen in Folge zunehmender Konkurrenz schwinden und schließlich würde das Geschäft vollständig von Internetplattformen abgelöst werden. Deshalb plante man, das Geschäft zu melken und die Gewinne in das Lagerei- und Verteilungsgeschäft (Kontraktlogistik) zu investieren, wo man die Zukunft der Spedition wähnte.

      Dies war eine dramatische Fehleinschätzung. Denn statt unterzugehen, begann die Luft- und Seefrachtspedition in Folge der sich beschleunigenden Globalisierung ab Mitte der 90er Jahre rapide zu wachsen. Der Börsenwert des Marktführers in diesem Segment hat sich seit 1997 mehr als verzwanzigfacht. Es ist keinesfalls ein einfaches Geschäft, das sich ohne weiteres wegautomatisieren lässt. Deshalb lässt sich mit diesem Geschäft auch im Jahr 2019 noch sehr gutes Geld verdienen.

      Die Marktführer erwirtschaften Kapitalrenditen, die die der meisten anderen Unternehmen übertreffen.8 Dieser Rückblick schmerzt mich heute zutiefst. Denn unsere Ausgangslage als Unternehmen 1997 hätte uns ohne weiteres erlaubt, noch stärker als unsere Konkurrenz zu wachsen und von dem einsetzenden Boom dieses Geschäfts in ganz starkem Maße zu profitieren. Es sollte leider anders kommen.

      8 Oliver Gritz, Jeff Ward and Arsenio Martinez: How to succeed in the


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