Royal Horses (2). Kronentraum. Jana HochЧитать онлайн книгу.
schaffte es nicht über seine Lippen hinaus. Mit kühlen eisgrauen Augen blickte er nach vorne, so als sehe er geradewegs durch die Menge hindurch.
Livy nahm mir das Handy aus der Hand und legte ihre Finger um meine. »Sollen wir gehen?«
Ja, bitte.
In diesem Moment winkte Edward in unsere Richtung. Dann erstarrte er und seine Lippen formten meinen Namen. Greta. Wir sahen uns an. Ungläubig, voller Überraschung. Es konnte nur der Bruchteil einer Sekunde sein, aber für mich fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Mir wurde heiß. Meine Hände schwitzten. Erneut taumelte ich zurück und stieß gegen die Wand aus Menschen.
Da sprang Edward auf einmal von dem Podest und kam auf mich zu. Die Leute tobten vor Begeisterung und streckten ihre Hände in seine Richtung, um ihn zu berühren. Überall klickten Kameras. Die Securitymänner warfen sich verunsicherte Blicke zu. Nein, diese Einlage gehörte ganz und gar nicht zum geplanten Programm!
Wieder drängte ich rückwärts und dieses Mal teilte sich die Menge, dankbar darüber, dass mein Platz in der ersten Reihe frei wurde. Gleich drei Mädchen schossen an mir vorbei und quetschten sich auf die Fläche.
»Greta, bitte warte!«
Ich floh durch die kleinsten Lücken und achtete nicht mehr darauf, wo Livy war. Sie würde mich schon finden.
»Greta!«, rief Edward wieder und als ich einen Blick über die Schulter warf, sah ich, wie er auf den Zaun kletterte und nach mir Ausschau hielt. Dann sprang er auf die andere Seite und wurde von aufgeregt glucksenden Hühnern zerdrückt. Sofort waren die Sicherheitsleute zur Stelle, hielten die Menschen auf Abstand und machten ihm den Weg frei. Er lief geradewegs auf mich zu. Verschwinde!, schrie ich in Gedanken, aber meine Füße gehorchten mir nicht mehr.
Edward kam vor mir zum Stehen, sah mich an und streckte eine Hand nach mir aus. Doch dann überlegte er es sich anders, hielt inne und lächelte bloß. Niemand sagte etwas, aber die unausgesprochenen Worte schwirrten um uns herum wie aufgeregte Glühwürmchen.
Ich schluckte. »Du …« Hast mich gelogen. Mir das Herz gebrochen. Du bist ein verdammter Idiot und ich will dich nie wiedersehen. »… siehst vollkommen bescheuert aus. Wie ein stinkreicher Graf von Ach-so-vernobt.«
Oh Gott, hatte ich das gerade wirklich gesagt? Vor all diesen Menschen? Edwards Mundwinkel zuckten. »Falls du es vergessen hast, ich bin ein stinkreicher Graf. Allerdings Graf von Guilford und Herzog von Suttington. Das gesamte Gebiet um Caverley Green, nicht nur die Stadt.« Ein Grinsen zierte seine Lippen und er schnipste gegen seine lächerliche Ansteckblume. »Versnobt, ja? Nun, die meisten hier finden das, glaube ich, ziemlich sexy.« Er lächelte erneut, dieses Mal erreichte es auch seine Augen. »Ich hätte nicht gedacht, dich ausgerechnet hier …«
Er konnte seinen Satz nicht zu Ende bringen. Eine Gruppe Mädchen schrie Edwards Namen und versuchte, unter der Mauer aus Sicherheitsleuten hinwegzutauchen und ihn zu berühren. Da stellte sich einer der Securitymänner direkt neben mich.
»Falscher Zeitpunkt für ein intimes Gespräch«, hörte ich Sixtons tiefe Stimme. Er sah mich kurz an, dann bedachte er Edward mit einem tadelnden Blick. »Falls es dir nicht aufgefallen ist, du bist gerade live auf sämtlichen Social-Media-Kanälen. Details zur Royal Romance? Ganz schlechte Idee.«
Er legte Edward eine Hand auf die Schulter und wollte ihn zurück zur Bühne schieben. Doch Edward drehte sich noch einmal um.
»Mach jetzt keinen Scheiß«, knurrte Sixton und damit scharten sich auch die restlichen Securitymänner um ihn. Ich konnte nichts weiter tun als dastehen und ihm nachsehen. War das eben wirklich passiert? Mir blieb keine Zeit, die Frage zu beantworten. Kameras blitzten auf und eine Frau mit knallpinkem Lippenstift hielt mir ihr Handy direkt ins Gesicht.
»Hey du, kennst du Prinz Tristan persönlich? Bist du seine Freundin?«
Was? Ich starrte sie an, vollkommen perplex. Die Kamera war so nah, dass sie unmöglich etwas anderes als meinen Nasenflügel aufnehmen konnte. »Ich«, setzte ich an und musste mich beherrschen, die Kamera nicht wegzuschlagen. Panik erfasste mich. Alle sahen mich an! Ich bekam kaum noch Luft. »Nein. Nein, bin ich nicht«, krächzte ich. Und damit drehte ich mich um, bahnte mir einen Weg nach draußen und rannte vom Gelände.
Mit gesenktem Kopf huschte ich durch die Flure und hoffte inständig, dass ich nicht gleich wieder erkannt wurde. Im Laufen kramte ich in meinem Rucksack und suchte nach Jordans Mütze, die ich heute Morgen vorsorglich eingepackt hatte. Kaum dass ich sie in den Händen hielt, stopfte ich meine auffälligen roten Haare hinein und zerrte sie mir über den Kopf. Trotzdem bemerkte ich das leise Kichern einer Gruppe Mädchen, die an mir vorbeilief. Eines der Mädchen zückte sogar ein Handy und hob es in meine Richtung. Schnell drehte ich mich weg und lief weiter, bis zu dem Gang, in dem sich mein Spind befand.
Zwei Lehrer kamen mir entgegen und als sie mir die Glastür zum angrenzenden Korridor aufhielten, bedankte ich mich kurz und lächelte. Mr Franklin, bei dem ich im letzten Halbjahr die Astronomie-AG besucht hatte, sah mich an, als wäre ich eine seltene Kuriosität. Augenblicklich sackte mein Lächeln in sich zusammen. Oh Gott, selbst die Lehrer hatten schon davon gehört! Eilig schob ich mich an ihnen vorbei, den Blick fest auf den grauen Vinylboden geheftet. Im Laufen tastete ich nach dem Handy in meiner Jackentasche. Ob ich meinen Bruder anrufen konnte? Jordan würde mich bestimmt abholen, wenn ich ihn darum bat. Ich konnte mich ein paar Tage krankschreiben lassen und warten, bis die Medien aufhörten, über mich zu berichten und sich das Interesse an mir abschwächte. Auf der anderen Seite – wie würde ich dann dastehen?
Ich erreichte meinen Spind, einen schmalen dunkelgrünen Metallschrank. Noch während ich den Schlüssel suchte, fiel mir ein Stück Papier auf, das jemand an die Tür geklebt hatte. Noch heißer als Prinzen? Basketballer!, stand darauf. Darunter hatte jemand eine Telefonnummer gekritzelt. Ruf mich an, Camden.
Ich fluchte leise, riss den Zettel ab und knüllte ihn in meiner Hand zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein!
Schnell öffnete ich den Spind, tauschte meine Bücher und schlug die Tür wieder zu. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung. Keine zwei Meter von mir entfernt standen zwei Jungs, jünger als sich. Genau wie ich trugen sie ihre Schuluniformen, jedoch kombiniert mit bunten Caps und passenden Turnschuhen. Sie hielten den Rücken zu mir gedreht, verlagerten ihr Gewicht merkwürdig zur Seite und lehnten sich dabei weit nach hinten. Ich beobachtete sie einen Moment verständnislos, bis ich das Smartphone in der ausgestreckten Hand des einen entdeckte und realisierte, was sie da taten.
»Sagt mal, spinnt ihr?«, schrie ich sie an und wollte auf sie zugehen. Doch die Jungs hatten ihr Selfie längst geschossen und rannten vor mir weg.
Ich hörte, wie der eine rief: »Geil, das gibt megaviele Klicks auf Insta!«
Vollkommen fassungslos starrte ich den beiden nach und fragte mich zum hundertsten Mal, wie es bloß zu alldem hatte kommen können. Gestern war noch alles in Ordnung gewesen. Und jetzt? Jeder kannte mein Gesicht! Die ganze Schule, unsere Nachbarn in Clapham … Vielleicht schon ganz London. Ganz England. Die ganze Welt. Wie lange würde es dauern, bis auch mein Name an die Medien geriet? Meine Adresse? Der Weg, den ich zur Schule nahm, oder was ich in meiner Freizeit machte? Ohne weiter darüber nachzudenken, schlug ich mir die Hände vors Gesicht und bahnte mir einen Weg zu den Mädchentoiletten.
Ich durfte nicht heulen! Nicht mitten auf dem Flur!
Möchtegernprinzessin erleidet Nervenzusammenbruch im Chemietrakt. Es würde Schüler geben, die nur auf die Gelegenheit warteten, ein solches Video von mir online zu stellen.
Das konnten sie vergessen! Die letzten Meter rannte ich, stieß die Tür auf und stolperte beinahe in zwei Mädchen, die gerade nach draußen treten wollten. Das eine, mit Ohrringen, die wie kleine Kronen aussahen, stemmte die Hände in die Hüften und verzog verärgert das Gesicht. Sie setzte gerade an – garantiert, um mich zu beschimpfen –, als sich die Erkenntnis auf ihrem Gesicht ausbreitete.