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Usus Belli. Thorsten KleinЧитать онлайн книгу.

Usus Belli - Thorsten Klein


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Dem Reichsmarschall fehlte einfach die nötige Fantasie, um eine Geheime Staatspolizei erfolgreich zu leiten. Also verdeutlichte seine Geste, was seine Worte dem Reichsmarschall nicht vermitteln konnten. „Natürlich arbeiteten unsere handfesten Argumente so, dass es keine Veilchen, blaue Flecken oder andere sichtbare Folgen unseres Gespräches gab. Aber sie waren schmerzhaft genug, eine Weile in Erinnerung zu bleiben. Damit ist nun endgültig Schluss. Keine Gewerkschaften mehr, keine Parteien mehr und nur eine Polizei. Meine.“

      Der Reichsmarschall wollte angesichts dieser Arroganz, zu der er sich allein berechtigt fühlte, gerade wieder eine ungesunde Gesichtsfarbe aufbauen, als ein niederer Dienstgrad der SS, Hacken knallend und den Parteigruß entbietend, Ether ein Schriftstück reichte.

      Der las und wurde rot dabei, während der Reichsmarschall sich an Ethers immer wütender werdendem Gesichtsausdruck so sehr amüsierte, dass er meinte, es genüge, wenn einer rot werde.

      „Weiß es schon die Presse?“, blaffte Ether.

      „Die war bei der Urteilsverkündung zahlreich vertreten. Deutsche Journalisten, aber auch welche aus dem Ausland.“

      „Gottverdammte Scheiße“, wollte Ether gerade losbrüllen, als ihn der Reichsmarschall unterbrach: „Darf ich erfahren, welche Nachrichten Sie haben, Herr Reichsführer?“

      „Der Reichstagsbrandprozess ist zu Ende. Sie haben alle freigesprochen. Diesen verrückten Holländer natürlich nicht. Der wurde schuldig gesprochen. Aber die anderen Kommunisten sind frei.“

      Mit einem so falschen Bedauern, wie es ihm nur möglich war, antwortete der Reichsmarschall: „Das wird dem Führer aber gar nicht gefallen. War Ihre Polizei nicht für die eindeutige Beweislage zuständig? Scheint so, als wäre die nicht eindeutig genug gewesen. Sie wissen gar nicht, mein lieber Ether, wie froh ich bin, dass es allein Ihre Polizei ist.“

      Damit drehte er sich um und ging, ein recht anzügliches Kriegslied vor sich her pfeifend, hinaus.

      Ether sah ihm wütend hinterher.

      Allerdings war es jene kalte Wut, die er immer dann hatte, wenn ihm eine Niederlage drohte.

      Als der Reichsmarschall die große Tür hinter sich zuknallen ließ, wusste Ether, wie es weitergehen musste.

      „Wir nehmen die freigesprochenen Kommunisten in Schutzhaft“, befahl er seinem immer noch warteten Untergebenen und fügte hinzu: „Außerdem hat sich mein Fahrer sofort bereit zu halten. Ich muss schneller in der Reichskanzlei sein, als dieser fette Ex-Flieger. Ich werde dem Führer erklären, wie gut es war, dass der Prozess so ausgegangen ist.“

      Ort: Psyche, Moskau, Kreml

      „Es ist nicht allein mein Verdienst, dass die Schlacht so ausgegangen ist, Genosse Vorsitzender, sondern auch das Verdienst meines Beraters.“

      Der Genosse Vorsitzende hatte bei diesen dankbaren Worten des General Schukow nur mit halbem Ohr zugehört. Nun sah er sich aber den Berater genauer an. Der trug eine deutsche Uniform.

      „Sie sind kein Offizier der Roten Armee?“, fragte Wissarew.

      „Oberst von Ehrlichthausen, Genosse Vorsitzender.“

      „Sie sind ein Sohn des berühmten Generals? Ich wusste nicht, dass unsere Zusammenarbeit mit dem deutschen Reichsheer immer noch Bestand hat. Seitdem bedauerlichen Tot meines lieben Freundes, des Genossen Arx, habe ich keinen direkten Kontakt mehr zur militärischen Führung dieses Landes“, antwortete Wissarew, ohne bei dieser Lüge zu zögern oder auch nur rot zu werden.

      „Es ist eine fruchtbare Zusammenarbeit, Genosse Vorsitzender, die man keines Falls ignorieren sollte.“

      „Meinen Sie? Die Britannier und die Großfränkische Republik drängen mich zu einer Erneuerung der alten Entente. Sie meinen, Deutschland wolle uns angreifen. Weiß das Reichsheer von solchen Plänen ihres neuen Kanzlers?“

      „Glauben Sie, ein Ehrlichthausen würde militärische Geheimnisse weitergeben?“, erwiderte Wihtania diesen plumpen Versuch mit einer Gegenfrage.

      Wissarew lächelte: „Wenn es seinen Zielen dienlich wäre, ganz gewiss. Ich habe mit Freude beobachtet, wie Ihr Vater, der alte Fuchs, mit seiner Kapitulation im Kaiserkrieg alle an der Nase herumgeführt hat. Könnte fast von mir sein. Lebt er noch?“

      „Er hat sich vollständig aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen“, antwortete Wihtania.

      „Der Glückspilz. Generale können das. Wenn sie verloren haben, ziehen sie sich ins Privatleben zurück, damit jedermann ihre Niederlage vergisst, nicht wahr, General Schukow“, bezog er diesen mit der versteckten Drohung wieder ins Gespräch ein, damit der nicht vergesse, der Genosse Vorsitzende gestatte seinen Generalen keine Niederlagen.

      „Wenn ich verliere“, fuhr er fort, während er sich umdrehte, um aus dem Fenster zu sehen, „muss ich mit dem Schlimmsten rechnen. Meine Gegner in diesem Land sind ohne Zahl. Sibirien ist nicht groß genug, sie alle aufzunehmen. Das Ausland hingegen scheint die Feindschaft uns gegenüber vergessen zu haben. Nicht nur Britannier und Franken buhlen um unsere Gunst, auch der deutsche Kanzler wünscht einen Pakt mit der bolschewistischen Gefahr … Was meinen Sie, Oberst von Ehrlichthausen? Ist es eine Falle oder ein ehrliches Angebot?“

      „Die Deutschen haben Ihnen ein Angebot gemacht?“, fragte Wihtania überrascht.

      „Kennen Sie den Grafen von der Schulenburg nicht? Er ist hier Botschafter. Ich dachte immer, die Adligen kennen sich. Meist sind sie doch untereinander verwandt.“

      „Natürlich kenne ich den Grafen und er hat im Gespräch gelegentlich bestimmte Andeutungen gemacht. Aber ich habe immer geglaubt, es sei ein Ablenkungsmanöver. Die Nazis haben sich die Vernichtung des Bolschewismus als Hauptziel gesetzt. Mit seinem Todfeind verhandelt man nicht.“

      „Sind Sie sich sicher? Sie haben mir ganz im Gegenteil eine fette Beute versprochen. Die östliche Hälfte dieses fränkischen Marionettenstaates, der sich jetzt Polen nennt. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.“

      „Sie müssen es ablehnen, Genosse Vorsitzender. Stellen Sie sich vor, wie das international wirkt, wenn Sie mit den Nazis Verträge abschließen. In den westlichen Staaten macht man keine großen Unterschiede zwischen Ihrem Regime und den neuen Machthabern in Deutschland.“

      „Trotzdem verhandeln sie ebenfalls mit uns. Sie bieten mir mit ihrer Entente an, dieselben Fehler zu machen, an denen bereits der Zar gescheitert ist. Ich weiß, wie der seine Fehler bezahlen musste. Ich habe nicht vor, es ihm gleich zu tun.“

      „Das werden Sie aber, wenn Sie mit den Nazis paktieren. Wir haben im Osten der Sowjetunion für militärische Klarheit gesorgt, um im Westen die Hand frei zu haben. Denn dort ist ein Krieg unvermeidlich. Der Krieg gegen die Nazis.“

      „Das sagen Sie mir? Als deutscher Oberst? Haben Sie nun doch vor, militärische Geheimnisse zu verraten? Oder sind sie nur Teil eines politischen Komplotts? Ich habe gehört, nicht alle Deutschen seine mit der Politik ihres neuen Reichskanzlers einverstanden. Gehören Sie dazu?“, fragte Wissarew, wobei er sein aus-dem-Fenster-sehen geschickt dazu benutzte, um zu verbergen, wo er wirklich hinsah.

      Wihtania nickte nur und sah ebenfalls in jene Ecke, die Wissarew so interessierte.

      Sie benötigte danach nur den Bruchteil einer Sekunde, ihren Entschluss zu fassen. „Genosse Vorsitzender, ich bitte Sie höflichst darum, als Adjutant des Genossen Schukow in die Rote Armee eintreten zu dürfen. Um meine Demission in Deutschland kümmere ich mich selbst, falls Sie meine Bitte positiv bescheiden.“

      Natürlich war Wissarew nicht überrascht von dieser Bitte. Aber er schien ernstlich zu überlegen. Dass er dabei leise vor sich hinmurmelte, wen verwunderte das. Schließlich war eine wichtige Entscheidung zu treffen.

      „Als Offizier der Roten Armee müssen Sie aber auch sowjetische Staatsbürgerin werden … Hm … ich wollte sagen, sowjetischer Staatsbürger. Das ist Ihnen doch sicher bewusst.“

      „Selbstverständlich, Genosse Vorsitzender.“

      Wieder


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