Profit First. Mike MichalowiczЧитать онлайн книгу.
kennst Du die Statistiken, die besagen, dass grob 50 % der Unternehmen innerhalb der ersten fünf Jahre pleitegehen. Was sie Dir nicht erzählen, ist, dass diese gescheiterten Unternehmer eigentlich diejenigen sind, die Glück hatten! Der Großteil der Unternehmen, die überleben, häufen Schulden an, und ihre Chefs sind im Dauerstress. Die meisten Unternehmer leben in einem finanziellen Albtraum, einem, der von Freddy Krueger oder Frankensteins Monster bevölkert ist, in seiner groben, unverfälschten, beängstigenden Art. Es ist so, dass ich glaube, dass ich Dr. Frankenstein bin.
Wenn Du „Frankenstein“, den Klassiker von Mary Shelley, gelesen hast, dann weißt Du genau, wovon ich spreche. Der gute Doktor erschuf Leben. Aus unterschiedlichen Körperteilen bastelte er ein Lebewesen zusammen, das eher ein Monster war als ein Mensch. Seine Kreatur war zunächst natürlich kein Monster. Zuerst war es ein Wunder. Dr. Frankenstein hauchte etwas Leben ein, das ohne seine außergewöhnliche Idee und seine unermüdliche harte Arbeit niemals existiert hätte.
Genau wie ich. Genau wie Du. Wir haben etwas aufgebaut, das es nicht gegeben hatte, bevor wir es uns erträumt hatten. Wir haben Unternehmen aus dem Nichts erschaffen. Beeindruckend! Ein Wunder! Großartig! Das war es zumindest, bis das Monster hervortrat.
Es ist ein Wunder, ein Unternehmen nur mit einer großartigen Idee, Deinen einzigartigen Fähigkeiten und ein paar Ressourcen zu erschaffen. Und es fühlt sich auch so an. Bis zu dem Tag, an dem Du zugeben musst, dass Dein Unternehmen ein gigantisches, furchterregendes, [24] seelenaussaugendes, geldvernichtendes Monster geworden ist. An diesem Tag entdeckst Du, dass auch Du ein ehrenwertes Mitglied der Familie Frankenstein bist.
Und die psychischen und physischen Qualen dauern an, genau wie in Shelleys Buch. Du versuchst, das Monster zu kontrollieren – aber Du schaffst es nicht. Das Monster bringt mit jeder Bewegung mehr und mehr Zerstörung: leere Konten, überzogene Kreditkarten, Darlehen und eine wachsende Liste „unbedingt notwendiger“ Kosten. Es frisst zudem Deine Zeit. Du wachst vor Morgengrauen auf, um zu arbeiten, und lange nach Sonnenuntergang bist Du immer noch dran. Du arbeitest und arbeitest – doch das Monster bleibt bedrohlich. Dein unablässiges Arbeiten befreit Dich nicht; es schwächt Dich noch weiter. Das Monster in Schach zu halten, um es daran zu hindern, Deine ganze Welt zu zerstören, ist enorm anstrengend. Du leidest an Schlaflosigkeit, hast Angst vor den Anrufen Deiner Gläubiger – manchmal vor Deinen eigenen Angestellten – und lebst in einer nahezu ununterbrochenen Panik bei dem Gedanken daran, wie Du nächste Woche die Rechnungen bezahlen sollst – mit ein paar Euro und den Krümeln in Deiner Tasche. Hast Du Dein Unternehmen nicht gegründet, um Dein eigener Boss zu sein? Jetzt sieht es so aus, als sei das Monster Dein Boss.
Wenn Du den Eindruck hast, Dein Unternehmen zu führen sei näher an einer Horrorstory als an einem Märchen dran, dann bist Du nicht allein. Seit ich mein erstes Buch geschrieben habe, „Not macht erfinderisch – der Klopapier-Unternehmer“, habe ich zehntausende Unternehmer getroffen, und lass mich sagen: Die meisten kämpfen damit, das Biest zu bezwingen, zu dem ihr Unternehmen geworden ist. Viele Firmen – selbst jene, die so aussehen, als hätten sie’s, selbst die Großen, die so aussehen, als würden sie ihre Branchen dominieren – sind einen schlechten Monat vom totalen Zusammenbruch entfernt.
Mein eigener Weckruf kam in Gestalt des Sparschweins meiner Tochter.
Das Sparschwein, das mein Leben veränderte
Ich verlor meine Orientierung an dem Tag, an dem ich einen Scheck in Höhe von 388.000 Dollar erhielt. Es war der erste einer Reihe von [25] Schecks, die ich für den Verkauf meiner zweiten Firma an ein Fortune-500-Unternehmen bekam. Ich war Mitbegründer dieses Computer-Unternehmens für Forensik gewesen, und der Wert lag bei mehreren Millionen. Ich hatte mittlerweile zwei Unternehmen aufgebaut und verkauft. Und dieser Scheck war nun der letzte Beweis, den ich noch brauchte, um mich von dem überzeugen zu lassen, was meine Freunde und Familie über mich erzählten: In puncto Unternehmensaufbau hatte ich die goldene Hand des Midas.
An dem Tag, an dem der Scheck kam, kaufte ich drei neue Autos: einen Dodge Viper (das Auto meiner College-Träume; von dem ich später erfuhr, dass viele Leute es für ein „Der-Typ-muss-einen-echt-kleinen-Schniedel-haben-Auto“ bezeichnen), ein Auto, von dem ich immer gesagt hatte, ich würde es mir „eines Tages“ kaufen, wenn ich „es geschafft hatte“. Ich kaufte außerdem einen Land Rover für meine Frau und ein Ersatzauto, einen aufgemotzten BMW.
Ich war eigentlich immer sehr sparsam gewesen, doch jetzt war ich reich (mit einem entsprechenden Ego). Ich trat einem Privatclub bei. Die Art von Club, wo Dein Name umso weiter oben auf der Mitgliederliste steht, je mehr Du spendest. Und ich mietete ein Haus auf einer entlegenen Hawaiianischen Insel, sodass meine Frau, meine Kinder und ich die folgenden drei Wochen dort verbringen konnten: So konnten wir schon einmal austesten, wie unser neues Leben so laufen würde. Du weißt schon, „wie die da oben so leben“.
Ich war der Ansicht, es sei nun an der Zeit, in dem Geld zu schwelgen, das ich selbst erwirtschaftet hatte. Noch wusste ich nicht, was ich in Kürze lernen würde: dass es einen Unterschied gibt, zwischen Geld einnehmen (Einkommen) und Geld behalten (Gewinn). Dies sind zwei sehr, sehr unterschiedliche Dinge.
Mein erstes Unternehmen erschuf ich aus Ehrgeiz und Luft. Ich schlief in meinem Auto oder unter Konferenztischen, wenn ich Kunden besuchte. So konnte ich Hotelkosten sparen. Du kannst Dir also in etwa das Erstaunen im Gesicht meiner Frau Krista vorstellen, als ich den Autoverkäufer nach dem „teuersten Land Rover, den Ihr habt“ fragte. Ich fragte nicht nach dem besten Land Rover, nicht nach dem sichersten Land Rover. Ich wollte den teuersten Land Rover. Der Verkäufer hüpfte fröhlich zu seinem Chef und klatschte begeistert in die Hände.
Krista schaute mich an und fragte: „Hast Du den Verstand verloren? Können wir uns das wirklich leisten?“
[26] Aufgeblasen wie ich war, sagte ich: „Können wir uns das leisten? Wir haben mehr Geld als der liebe Gott!“ Ich werde niemals den Blödsinn vergessen, den ich an diesem Tag von mir gab. Widerwärtige Worte und so ein widerliches Ego. Krista hatte Recht. Ich hatte den Verstand verloren – und zumindest für diesen Augenblick auch meine Seele.
Dieser Tag war der Anfang vom Ende. Ich war dabei zu entdecken, dass ich zwar wusste, wie man Millionen macht, dass ich aber so richtig, richtig gut darin war, Millionen zu versieben.
Es war nicht allein dieser Lebensstil, der für meinen finanziellen Untergang sorgte. Diese Statussymbole waren Ausdruck meiner Arroganz: Ich glaubte an meinen eigenen Mythos. Ich war die Neuauflage von König Midas. Ich konnte gar nichts falsch machen. Und weil ich ein goldenes Händchen hatte und wusste, wie man erfolgreiche Unternehmen aufbaut, beschloss ich, dass ich meinen neuen Reichtum am besten in ein Dutzend nagelneuer Start-ups investieren solle. Letztlich war es ja bloß eine Frage der Zeit, bis der Funke meines unternehmerischen Genies auf diese verheißungsvollen Unternehmen überspringen würde.
Kümmerte es mich, ob die Gründer dieser Unternehmen eine Ahnung von dem hatten, was sie taten? Nein – schließlich kannte ich alle Antworten (lies dies bitte mit einer entsprechend arroganten A*-Betonung). Ich ging davon aus, dass mein goldenes Händchen den Mangel an unternehmerischer Expertise jederzeit ausgleichen würde. Ich rekrutierte ein Team, das die Infrastruktur all dieser Start-ups managen sollte – Buchhaltung, Marketing, Social Media, Webdesign. Ich war davon überzeugt, dass ich die Erfolgsformel besaß: ein vielversprechendes Start-up, die Infrastruktur und mein unglaubliches, überlegenes, magisches goldenes Händchen (noch mehr arrogante A*-Betonung).
Dann begann ich, Schecks auszustellen – fünftausend Dollar an diesen, zehntausend an jenen, jeden Monat mehr Schecks und noch mehr Schecks. Einmal stellte ich einen Scheck über fünfzigtausend Dollar aus, um für die Kosten eines dieser Unternehmen aufzukommen. Ich war auf eine einzige Sache aus: Wachstum. Ich überschüttete die Start-ups mit Geld ohne nachzudenken. Unternehmen, die nicht einmal mit meinen eigenen Werten zum Thema Geld in Einklang standen. Ich sorgte dafür, dass die Unternehmen auf mein Geld angewiesen waren und war stolz darauf. Und ich sah meine eigenen [27] Fehler nicht. Ich war aufgeblasen und borniert. Mach die Unternehmen groß und verkaufe sie. Im Rückblick ist mir klar, dass ich niemals in der Lage gewesen wäre, all diese Unternehmen so aufzubauen, dass sie tatsächlich in ihren Nischen