Hanseschwestern - Historical Romance Sammelband 6020: 3 Romane. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
nicht. Das verlange ich auch gar nicht von dir. Ich will nur, dass du mich verstehst. Das ist schon alles.“
„Aha? Und was, bitte, soll ich verstehen? Ja, ich kann mir vorstellen, wie du fühlst. Deshalb prügele ich dich ja auch nicht, obwohl ich es andererseits gern tun würde. Aber was gibt es dann da noch mehr zu verstehen? Na?“
Diesmal hielt er ihrem fragenden Blick stand.
„Ich habe Vater gegenüber behauptet, mich nicht mit Adele, sondern mit dir getroffen zu haben!“
„Mit mir?“ Ihr fehlten mal wieder die Worte. Das zweite Mal nun schon innerhalb so kurzer Zeit. Das war wahrlich ein neuer Rekord bei ihr.
Ihre Lippen malten zwar, um Worte zu bilden, doch vergeblich: Kein Laut kam mehr darüber.
Johann beeilte sich zu versichern:
„Vater wusste doch sowieso, dass ich auf deinem kleinen Fest war. Ihm ist doch klar, dass mich irgendwer dorthin eingeladen haben muss.“
„Und da hast du ihm ja nur noch zu sagen brauchen, dass ich das war?“
„Was hätte ich denn sonst sagen sollen?“
„Gut, einverstanden. Das hat die Lage für mich sicherlich nicht verschlimmert, aber für dich wohl verbessert, weil du dir dabei gedacht hast: Ach, wenn mich Gordula schon zu ihrem Fest eingeladen hat und das sowieso schon herausgekommen ist, kommt es auf den Rest auch nicht mehr an. Schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden für sie. Ist es nicht so?“
„Äh, ja, so ungefähr...“, meinte Johann reichlich kleinlaut.
„Und was noch?“, fragte sie gerade heraus.
„Wie gesagt: Ich habe behauptet, wir hätten uns anschließend mehrmals getroffen, anstelle von Adele und mir. Weil wir richtig gute Freunde sind.“
„Und das hat dir dein Vater tatsächlich abgenommen? Einfach so?“
Es war deutlich, dass Gordula dies nun ganz und gar nicht glauben mochte.
„Auch wenn es in seinen Ohren vielleicht ungewöhnlich geklungen hat, weil er sowieso niemals an eine Freundschaft zwischen Mann und Frau glauben könnte: Ja, er hat es wohl geglaubt, sonst wäre ich jetzt nicht hier.“
„Um mich erneut zu treffen mit mir? Zu welchem Zweck wohl?“
„Äh, ja, zu welchem Zweck...?“
„Nun, das frage ich natürlich dich!“
Sie sah ihn ziemlich böse an bei diesen Worten.
Es blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als nun auch noch den möglicherweise ganz besonders peinlichen Rest der Geschichte zu gestehen:
„Ich habe behauptet, dass zwischen uns das durchaus auch mehr werden könnte“, platzte es regelrecht aus ihm heraus.
Überrascht sah sie ihn an.
Und dann reagierte sie in einer Art und Weise, wie Johann dies wahrhaftig niemals mehr erwartet hätte, nicht angesichts ihrer bisherigen Reaktion auf dies alles:
Sie begann nämlich zu lachen. Es schien sie köstlich zu amüsieren sogar.
Oder war das jetzt so eine Art Galgenhumor?
„Ja, na, dann...“, meinte sie schließlich, immer noch glucksend vor Heiterkeit. „Da schalten wir doch einfach mal die naive Gordula ein, um uns ein prima Alibi zu verschaffen, und dann nehmen wir sie auch gleich noch zur Braut. Bei einer dermaßen guten Partie kann sie ja wohl kaum etwas dagegen haben, nicht wahr?“
Bei den folgenden Worten war jegliche Fröhlichkeit wieder aus ihrer Stimme verschwunden. Ihre Stimme klang auf einmal dermaßen unterkühlt sogar, wie Johann sie von Gordula noch niemals zuvor gehört hatte:
„Dann halten wir nun einmal fest: Du hast mich vorgeschoben, um nicht zugeben zu müssen, dass du mit Adele Brinkmann angebandelt hast. Was für beide Häuser einem verabscheuungswürdigen Verbrechen gleich kommt. Zumindest werten diese das so.
Doch weiter: Und nun willst du mich darum bitten, dass wir gemeinsam so tun, als würden wir uns näher kommen?
Wie weit soll das dann eigentlich noch gehen? Bis zur Traumhochzeit, gefolgt von vielen kleinen gemeinsamen Kinderlein oder was?
Mein Liebster, du magst vielleicht für die meisten Frauen, außerhalb der Brinkmann-Gilde natürlich, eine gute Partie sein, wenn nicht sogar die beste, aber leider nicht für mich. Denn ich bin eine waschechte Schopenbrink. Unser Hansehaus pflegt traditionell eine gewisse Neutralität. Wir wollen Geschäfte machen mit allen, nicht nur mit der Wetken-Gilde. Wir wollen offen bleiben für alle. Und mit einer Eheschließung würden wir beide diese Erfolgsstrategie leider komplett untergraben.
Schon mal daran gedacht?“
„Ja, habe ich!“, gestand Johann jetzt zu ihrem eigenen Erstaunen. „Und noch weiß ja niemand etwas davon. Nur mein Vater und wir beide. Also muss es ja nicht zwangsläufig so weit kommen.“
„Und wie hast du dir das stattdessen gedacht?“
„Waren wir nicht tatsächlich beste Freunde? Genau das können wir bleiben.“
„Und wenn ich mich stattdessen auf einen anderen Mann einlasse? Was dann? Wie würde dann dein werter Herr Vater reagieren? Du hättest in seinen Augen total versagt.“
„Ja, gewiss, aber erstens wäre das etwas, das jetzt noch keine Rolle spielt, sondern eben erst dann, wenn es so weit kommen sollte...“
„Und zweitens?“
„Zweitens wissen wir beide ja, dass ich in Wahrheit Adele will - und Adele will mich!“
„Obwohl ihr beide nicht die geringste Chance habt, jemals zusammen zu kommen? Du bist ein Wetken und sie eine Brinkmann. Schon vergessen?“
„Wie sollte ich das jemals vergessen?“
„Wenn du jemals der Nachfolger deines Vaters werden willst, bleibt dies völlig unmöglich!“
„Auch das weiß ich doch. Aber kannst du denn gar nicht verstehen, dass ich es zumindest meinem Vater gegenüber erst einmal so erklären musste, das mit dir und mir?“
Jetzt lachte sie abermals.
„Oh, klar, natürlich habe ich das verstanden. Ganz ehrlich: Ich hätte an deiner Stelle wohl nicht anders gehandelt. Es blieb dir ja eigentlich gar nichts anderes übrig.“
Johann sah sie an und fragte sich, ob sie das jetzt wirklich ernst meinte oder ob es lediglich ihrem für gewöhnlich gern gepflegten Sarkasmus entsprang.
Und sie meinte es diesmal trotzdem ernst. Ja, Gordula klopfte ihm sogar auch noch beruhigend auf die Schulter wie einem alten, vertrauten Kumpan.
„Noch habe ich keinen künftigen Ehemann. Allein schon deshalb, weil ich den richtigen noch nicht gefunden habe. Auch du bist es nicht, wie ich dir versichern darf. Und das nicht erst, seit du dich auf diese Adele eingelassen hast. Und du weißt ja, wie sehr ich Spielchen liebe. Sonst würde ich ja auch keine kleinen Festlichkeiten organisieren, obwohl sie verboten sind - oder gerade weil sie verboten sind.“
„Was – was willst du denn damit jetzt sagen?“, erkundigte sich Johann bang.
Sie lachte ihn an. Oder aus?
„Na, beruhige dich wieder, Bursche. Ich weiß natürlich, was Liebe ist, obwohl ich sie noch nicht selbst erfahren habe. Ich finde das Ganze einerseits ehrlich gesagt total romantisch, obwohl es andererseits ziemlich wahnsinnig erscheint. Aber gegen seine Gefühle kommt man halt nicht an. Vor allem nicht, wenn sie so stark sind wie offensichtlich bei euch beiden Turteltäubchen.
Ich wäre ja ein wahrer Unmensch, wenn ich da nicht mitspielen würde.
Allerdings unter meinen eigenen Bedingungen, nicht unter deinen oder gar denen deines Vaters!“
Der