Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
Lorants Ausführungen interessiert anhörte.
"Sie glauben an einen Zusammenhang zwischen dem Mordfall Gretus Sluiter und der Männer-Leiche in Huntetal", murmelte Vanderbehn gedehnt.
"Die Boßel-Kugel spricht doch dafür."
"Ja, da könnten Sie durchaus recht haben. Allerdings wird es schwierig sein, einen derartigen Zusammenhang zu beweisen, ehe wir nicht die Identität des Opfers kennen."
"Ich schlage vor, Sie gehen einfach alle Vermisstenfälle durch, die der wahrscheinlichen Todeszeit der Huntetal-Leiche nach in Frage kommen könnten. In einem zweiten Schritt müsste man die Vermisstenfälle dann daraufhin abklopfen, ob irgendein Zusammenhang zur Familie Sluiter in Forlitz-Blaukirchen besteht."
Vanderbehn lächelte mild. "Waren Sie mal bei der Kripo?"
"Ist schon lange her."
"Sie scheinen nichts verlernt zu haben."
"Für mein Nahkampftraining gilt das leider weniger."
"Wieso?"
"Bin vor kurzem übel verhauen worden." Lorant betastete die schmerzende Bauchprellung. Husten und Lachen musste er tunlichst vermeiden. Aber das war leichter gesagt als getan.
Vanderbehn erhob sich, steckte die Hände in die weiten Taschen seiner etwas schlabberig wirkenden Hose, die aber sicher sehr bequem beim Sitzen war.
"Eigentlich wäre es die Aufgabe unserer Kollegen in Emden..."
"Kriminalhauptkommissar Meinert Steen ist leider bislang noch nicht einmal überzeugt davon, dass es sich bei Sluiters Tod überhaupt um einen Mord handelt. Er denkt, dass es ein Unfall war und die Kugel halt einfach so im Boot herumlag." Lorant zuckte die Achseln. "Silche Kugeln liegen hier in Norddeutschland ja sicherlich überall herum, auch an Orten, wo man sie gar nicht vermutet. Auf der Straße, auf Booten. Ich schaue immer schon auf meinen Sitz, bevor ich mich in den Wagen setze. Könnte ja sein, dass da auch eine liegt!"
"Ich werde mal mit dem Kollegen Steen telefonieren."
"Tun Sie das."
Lorant bezweifelte allerdings, dass das einen durchschlagenden Erfolg haben würde. So, wie er Meinert Steen bisher kennen gelernt hatte, bestand die Gefahr, dass sich die Haltung des Kriminalkommissars nur noch verfestigte, wenn er von außen darauf hingewiesen wurde, dass er möglicherweise mit seiner Meinung auf dem falschen Dampfer war.
"Dann kommen Sie mal um den Tisch herum, Herr Lorant. Ich werde Ihnen jetzt auf dem Computerschirm Fotos und Personalien von Vermissten zeigen. Sie haben in dem Fall ja bereits ermittelt und möglicherweise fällt Ihnen ein Zusammenhang auf..."
"Ich bin gespannt."
––––––––
17.
"Ich geh dann jetzt."
Dr. Frank Purwin blickte von seinem Schreibtisch auf und sah in das lächelnde Gesicht seiner Sprechstundenhilfe.
"Ist gut, Heike. Ich sehe mir hier nur noch ein paar Abrechnungen an, dann mache ich auch Schluss."
"Bis morgen."
"Ja, ja..."
Purwin wirkte abwesend. Er beachtete Heike nicht weiter, wandte sich wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu.
Ganz am Rande nahm der Arzt wenig später wahr, wie die Praxistür ins Schloss fiel. Offenbar hatte Heike gerade das Haus verlassen.
Rechts auf dem Schreibtisch lag die Karte des Detektivs.
Lorant.
Purwin nahm die Karte, betrachtete sie. Man konnte sehen, dass Lorant sie einfach mit einem PC-Drucker hergestellt und nicht richtig hatte drucken lassen. War wahrscheinlich eine finanzielle Frage.
Purwin spürte, wie sein Puls schneller ging. Gretus Sluiter ermordet? Er mochte Lorant nicht besonders, aber so, wie der Detektiv die Sachlage dargestellt hatte, klang das recht plausibel. Du musst es ihm sagen!, durchfuhr es ihm. Es gab jemanden, der einen Grund gehabt hatte, Gretus Sluiter umzubringen, jemanden, der ihm sehr nahegestanden hatte... Und wenn Dr. Purwin dieses Motiv nicht offenbarte, würde nie jemand darauf kommen. Schweigepflicht hin oder her, er wollte keinen Mord decken.
Aber bist du nicht auch deinen Patienten verpflichtet? Gleichgültig, ob sie Tod oder lebendig sind? Die Schweigepflicht eines Arztes ist ein hohes Gut, du kannst nicht einfach so darüber hinweggehen... Purwin war in einem Zwiespalt und er begann zu ahnen, dass es daraus keinen einfachen Ausweg gab.
Willst du, dass die Ärztekammer dich achtkantig rausschmeißt?, meldete sich eine andere Stimme in ihm. Ist es das wert? Zumal du dir so sicher auch nicht sein kannst...
Purwin schluckte.
Nein, es passt alles zu gut zusammen, wies er sich zurecht. Du darfst nicht schweigen.
Nervös drehte er die Karte des Detektivs zwischen den Fingern.
Warum nicht zur Polizei gehen?, fragte er sich. Aber gleich darauf entschied er, dass das eine schlechte Alternative war. Es würde ein offizielles Protokoll, eine regelrechte Aussage geben, die Purwin später vor Gericht wiederholen und möglicherweise beeiden musste.
Und wenn du dich geirrt hast, dann Gnade dir Gott!, durchzuckte es ihn. Dann kannst du dir wahrscheinlich einen neuen Job suchen und selbst wenn du die Zulassung behältst, bist du in dieser Gegend unmöglich!
Ein gutes Gewissen konnte man sich als Arzt leichter leisten, wenn die Praxis schon abbezahlt war. Und wenn seine Patienten auch teilweise von sehr weit her kamen - ohne die lokale Kundschaft war der Betrieb nicht zu halten.
Purwin legte die Karte zur Seite, nahm einen kleineren Zettel und kritzelte mit nervöser Handschrift ein paar Zahlen darauf. Mehr nicht. Wenn er Lorant diesen Zettel gab, mit dem diskreten Hinweis, genau jene Zahlenkombination mal in die Tastatur eines Telefons einzugeben... Purwin lächelte fast erleichtert. Du hast dann deine Schweigepflicht nicht gebrochen, aber wenn dieser Lorant nur einen Funken Verstand hat, wird er von selbst auf alles kommen!
Purwin biss sich auf die Lippe.
Dann wählte er Lorants Handynummer.
Augenblicke später war er verbunden.
"Hier Purwin. Ich muss Sie dringend sprechen."
"Ich kann etwa in einer Stunde bei Ihnen sein", antwortete Lorant.
"Gut. Bitte versuchen Sie pünktlich zu sein."
"Vielleicht könnte ich bei der Gelegenheit noch mal an Ihren Reizstromapparat. Das hat nämlich gut getan."
"Werden Sie nicht unverschämt."
"War ja nur 'ne Frage."
"Bis nachher."
Purwin unterbrach die Verbindung, lehnte sich dann in seinem Sessel zurück.
Den Zettel mit der Telefonnummer, den er Lorant geben wollte, hielte er in der Linken. War es richtig, was er getan hatte? Er war sich schon nicht mehr sicher.
Purwin war übel.
Ich sollte etwas essen, dachte er.
An der Praxistür hörte er ein Geräusch.
Wahrscheinlich hatte Heike wieder irgendetwas vergessen. Kam leider öfter vor, und nicht nur, was ihre Handtaschen, ihr Handy und den Rest ihres Privatkrams anging. Immer ein Fehler, eine Mitarbeiterin nach dem angenehmen optischen Eindruck auszuwählen, ging es ihm durch den Kopf. Ich sollte sie entlassen, bevor sie irgendwann schwanger wird, überlegte er dann. Sonst wird es problematisch, so eine Mitarbeiterin loszuwerden.
Schritte waren vom Flur aus zu hören.
Schritte, die zu Heikes schnellem, trippelndem Gang, bedingt durch ihre für ihren