Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand. Glenn StirlingЧитать онлайн книгу.
„Ich warte hier auf Nachricht“, sagte er endlich. „Hier bei Dr. Wolf im St.-Anna-Hospital.“
Er legte auf und sah Dr. Wolf an.
„Das warten wir gleich ab. Solche kleinen Fische fangen wir sozusagen en passant. Ich freue mich übrigens, dass Fräulein Peschke vernünftig geworden ist. Die Vorgeschichte macht auch einiges verständlicher.“
Nach zwanzig Minuten kam der Anruf. Als der Kommissar damit fertig war, sagte er zu Dr. Wolf:
„Wir haben sie schon, auch die Briefe. Gestehen werden sie den Erpressungsversuch sicher auch noch.“
Dr. Wolf wollte wissen, wie es weitergehen sollte, aber da winkte der ergraute Herr ab und sagte lächelnd:
„Überlassen Sie das uns. Dieser Bursche beißt niemanden mehr.“
*
GEGEN ZWEIUNDZWANZIG Uhr trat Dr. Wolf den Nachtdienst an. Eben noch hatte er mit Inge telefoniert, die seit der Festnahme dieses Hans wie ausgewechselt war. Als sie hörte, Dr. Wolf habe morgen Vormittag dienstfrei, versprach sie, ihn zu besuchen.
Die erste Stunde brachte wenig Aufregung. Zwei Verkehrsunfälle mit leichten Verletzungen, einen Notarzteinsatz an der Autobahn, der hinfällig wurde, weil der Unglücksfahrer tot war, bevor der Arztwagen dort anlangte. Dann nichts bis kurz vor Mitternacht.
Dann aber kam es.
Die Lautsprecheranlage summte. Der Sprecher der Zentrale meldete sich.
„Einsatz Notarztwagen. Drei Verletzte Floraallee. Blutkonserven, zwei Ärzte angefordert. Einer der Verletzten mit Arterienblutung! Floraallee – Ecke Binser Platz. Ich wiederhole ...“
Dr. Wolf rief bei Dr. Brecht an, dem Anästhesisten. Dr. Brecht war in Bereitschaft und hatte geschlafen. Das war sein gutes Recht, weil er nur bei Operationen kommen musste. Er war sofort fertig.
Unten an der Einlieferung brummte schon der Motor des Notarztwagens. Die Blaulichter zuckten. Fahrer und Beifahrer saßen auf ihren Plätzen. Zufällig dieselben Männer, die neulich beim Unfall von Frau Hartwig dabei gewesen waren.
Kaum war der Wagen aus der Einfahrt heraus, heulte schon die Sirene.
„Wie die Irren fahren sie alle, und unsereiner muss nachts ’raus“, meinte Dr. Brecht, gähnte herzhaft und knurrte mürrisch: „Und nicht mal ’ne Morgenzigarette ist drin. Weißt du, was passiert ist, Gert?“
„Nicht viel. Drei Verletzte, einer mit Arterienblutung.“
Dr. Brecht war so alt wie Dr. Wolf. Sie verstanden sich recht gut, hatten auch bei schon sehr vielen Operationen gemeinsam gearbeitet. Brecht hatte eine breite Narbe quer über die Stirn, die von einem Sportunfall herrührte. Viele hielten das aber für einen Schmiss aus einer Mensur. Dabei war Brecht so ungefähr der unkriegerischste Arzt, den Dr. Wolf sich denken konnte.
Der Notarztwagen stoppte.
„Da wären wir also“, meinte Dr. Wolf. „Nimm die zweite Tasche mit, Günter!“
Sie stiegen aus. Diesmal standen nur wenige Menschen da, aber dafür zwei Polizeiwagen, deren Blaulichter blitzten. Unweit davon stand ein im Scheinwerferlicht der Polizeiwagen glänzender Mercedes. Er befand sich zur Hälfte in den Auslagen eines Lebensmittelgeschäftes, zur anderen Hälfte auf dem Fußweg. Sein Dach war eingedrückt, die Windschutzscheibe zerschlagen. Aus der Öffnung ragte noch ein Stück der Ladenscheibe heraus, die wie das Messer einer Guillotine nach unten gesaust sein musste.
Neben dem Wagen lagen die Verletzten. Neben dem einen knieten zwei Polizisten. Sie hatten ihm den blutbesudelten Arm abgebunden. Die Hand des Mannes sah furchtbar aus.
Auch der danebenliegende Verletzte blutete, aber am Kopf. Der dritte lag reglos. Das war Peschke. Dr. Wolf erkannte ihn sofort.
*
ZUERST MUSSTEN SIE sich um den Mann mit der zerschmetterten Hand und der damit zusammenhängenden Arterienblutung kümmern. Während sie das taten, rief der Polizeiobermeister, der die Streife führte und den Unfall aufnahm:
„Blutprobe von allen dreien, bitte, Herr Doktor!“
Zuerst hatten Dr. Wolf und Dr. Brecht andere Sorgen. Der Fall des Handverletzten war nicht lebensgefährlich. Doch der zweite Verletzte hatte eine bedrohliche Schnittverletzung am Nacken. Das Rückgrat war stark geprellt, vermutlich sogar verletzt, Nervenstränge konnten unter Umständen zerstört sein. Der Verletzte war wie paralysiert und schien furchtbare Kopfschmerzen zu haben.
„Den müssen wir gleich hier absolvieren“, meinte Dr. Wolf. „Lebend bringen wir ihn sonst nicht in die Klinik. Hast du schon die Blutuntersuchung gemacht von der Sectio der Arteria?“
„Ja, AB plus. Wie viel bekommt er?“
„Zweihundert Kubik sofort.“
Einer der Fahrer begann die Blutinfusion an dem Handverletzten vorzubereiten und die AB-plus-Konserven herauszusuchen. Dr. Brecht prüfte, ob alles stimmte, dann begann die Infusion. Gleichzeitig war Dr. Wolf mit der Untersuchung des bäuchlings auf dem OP-Tisch im Notarztwagen liegenden Nackenverletzten fertig.
„Noch ’ne Blutgruppe zu untersuchen, Günter. Mein Gott, ist der besoffen. Die sind ja direkt explosiv vor Alkohol ...“
„Der hier auch.“
Dr. Brecht sah den auf der zweiten Trage liegenden Handverletzten an.
„Vielleicht hat ihn die Blutinfusion wieder auf ein erträgliches Maß an Alkohol im Blut gebracht.“
„Schmitz, fordern Sie den zweiten Wagen an. Der mit der Infusion soll sofort zur Klinik!“, bat Dr. Wolf den Fahrer.
Der schaltete sofort den Sprechfunk ein.
Nun begann Dr. Wolf mit der Vorbereitung zur Operation. Dr. Brecht hatte bereits die Narkose eingeleitet. Als alles so weit war, sagte er:
„Kreislauf mies, Herz offenbar sehr überlastet. Tu nicht zu viel daran, Gert. Ich habe ein bisschen Sorge.“
„Was sein muss, muss sein. Fangen wir an.“
„Herr Doktor, soll ich die OP-Nachtschwester anfordern?“, fragte der Fahrer.
„Nein, kümmern Sie sich um den anderen Verletzten, der noch draußen ist. Er hat eine Gehirnerschütterung. Achten Sie darauf, dass er auf der Seite liegt, damit er uns nicht noch erstickt.“
Für die nächsten zwanzig Minuten hatte Dr. Wolf alle Hände voll zu tun. Als er fertig war, stand für ihn fest, dass der Verletzte ewig ein Krüppel sein würde, dessen Kopf nur noch von einer Stütze gehalten werden konnte. Doch näher lag, dass der Mann vorher sterben würde.
„Wie heißt der Mann?“, fragte Dr. Wolf den Polizeiobermeister.
„Egon Peine.“
„Verständigen Sie die Angehörigen. Wir bringen ihn jetzt zum St.-Anna. Er ist in schwerster Lebensgefahr.“
Nachher wurde Egon Peine in den zweiten Krankenwagen umgeladen. Es war die letzte Fahrt seines Lebens. Er starb auf dem Wege zum St.-Anna-Hospital. Im Alter von sechzig Jahren hielt der Mensch nicht mehr solche Verletzungen durch, oder jedenfalls nur selten.
Dann bemühte sich Dr. Wolf um den Mann, der ihm in den letzten zwei Tagen so hart zugesetzt hatte: Alwin Peschke.
Peschke hatte eine Prellung mit Platzwunde über der Stirn und befand sich noch in tiefer Bewusstlosigkeit. Andere Wunden konnte Dr. Wolf nicht feststellen. Ein Schädelbruch lag nicht vor, hingegen eine schwere Gehirnerschütterung. Commotio cerebri nannte man das.
„Das