Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
geküsst«, stellte Jenny klar. »Das ist wohl ein feiner Unterschied.«
»Das schon«, räumte er ein. »Aber du hast meinen Kuss erwidert. Willst du das etwa leugnen?«
»Können wir nicht über etwas anderes sprechen?«. fragte sie unwillig. »Warum müssen Männer immer auf einem Thema wie diesem herumreiten?«
»Weil es ein interessantes Thema ist«, befand Alexander. »Immerhin geht es um deine und meine Zukunft.«
»Jetzt spinnst du aber«, begehrte Jenny auf. »Du kannst doch nicht von einem einzigen Kuss ...«
»... von einem überaus süßen, reizvollen Kuss!«, warf er ein.
»... von einem einzigem Kuss unser beider Zukunft abhängig machen«, fuhr sie fort. »Zumal dieser Kuss ein Fehler war.«
»Ich empfinde ihn nicht als Fehler.«
»Aber ich«, fauchte Jenny. »Und ich kann es auch damit entschuldigen, dass ich von meinem Sturz wohl noch etwas benommen war.«
»Dafür hast du aber recht leidenschaftlich geküsst«, feixte Alexander.
»Du bist gemein«, schimpfte Jenny. »Ich sollte mich gar nicht mehr mit dir unterhalten.«
»Ich möchte aber noch so viel wissen.« Alexander ließ nicht locker. »Was ist nun mit Ted?«
»Ach, lass mich doch in Ruhe«, knurrte Jenny, drehte den Kopf zur Seite und schaute demonstrativ aus dem Fenster, an dem die sanften, dicht bewaldeten Hügel des Odenwaldes vorüberflogen.
Bis Heidelberg sprach sie kein Wort mehr mit Alexander, auch wenn er mehrfach den Versuch startete, wieder eine Unterhaltung mit ihr zu beginnen. Schließlich gab er auf, drehte das Radio lauter und pfiff fröhlich die Melodien mit, die aus den Boxen tönten.
In Heidelberg musste sie zwangsläufig wieder mit ihm reden, weil er nämlich die Frage an sie richtete, ob sie zuerst das Auto kaufen oder sich die Stadt ansehen wollte.
»Das Auto ist wichtiger«, meinte Jenny. »Die Stadt läuft uns nicht davon.«
Alexander hatte zu Hause die Adressen verschiedener Auto und Gebrauchtwagenhändler herausgesucht. Diese klapperten sie nun der Reihe nach ab, fanden schließlich, was sie suchten, und Jenny unterschrieb den Vertrag. Der Verkäufer versprach ihnen, dass der Wagen am kommenden Tag gegen fünfzehn Uhr zugelassen und TÜV-geprüft für sie bereitstehen würde.
Dann war Heidelberg an der Reihe.
Wie kaum eine andere deutsche Stadt wurde Heidelberg von den Dichtern geliebt. Namen wie Goethe, Hölderlin, Eichendorff, Mark Twain und viele andere sind mit dieser Stadt verbunden, und immer noch kann man sein Herz nicht nur in, sondern auch an Heidelberg verlieren.
Jenny interessierte natürlich zuerst, wie sie später am günstigsten zu ihrer Universität gelangen konnte. Anhand einer Stadtkarte suchten sie ein in der Nähe der Altstadt gelegenes Parkhaus heraus, stellten Schorschi dort ab und machten sich zu Fuß auf den Weg. Bis zum Universitätsviertel war es nicht weit. Wenn Jenny sich einen Dauerplatz in diesem Parkhaus reservieren ließ, musste sie zum Studieren keine längeren Strecken zurücklegen.
Nachdem dies geklärt war, konnten sie mit der Besichtigung der restlichen Stadt beginnen. Sie bestaunten die zahlreichen historischen Gebäude und Kirchen, genossen von der Alten Brücke mit den beiden barocken Tortürmen den klassischen Blick auf die Altstadt und das Schloss und fuhren schließlich mit der Bergbahn hinauf, um dieses alte Gemäuer zu besichtigen. Bei der obligatorischen Schlossführung sahen sie dann auch das berühmte große Fass, das neun Meter lang und acht Meter hoch war, 221.726 Liter fasste und vom Zwerg Perkeo in einem Zug ausgetrunken worden sein sollte.
»Das glaube ich nicht«, meinte Jenny und lachte. »Der wäre doch nach zwanzig oder dreißig Litern geplatzt.«
»Sag das nicht«, erwiderte Alexander mit todernster Miene. »Wir Deutsche haben einen gesegneten Durst.«
Er fragte sich, ob es Jenny nicht aufgefallen war, dass sie seit geraumer Zeit Hand in Hand gingen. Wer sie sah, musste sie unweigerlich für ein Liebespaar halten. Zumal sie auch ständig miteinander lachten, turtelten und sich mit Blicken anschauten, die man kaum noch als freundschaftlich bezeichnen konnte.
Natürlich hatte Jenny bemerkt, dass sie Händchen hielten. Sie selbst war es schließlich gewesen, die nach seiner Hand gegriffen hatte, als es hinunter in den düsteren Keller mit dem riesigen Fass ging. Und als Alexander nicht wieder losgelassen hatte, ließ sie es dabei bewenden. Was war schon dabei, ein wenig Händchen zu halten?
Später spazierten sie Hand in Hand durch den wunderschönen Schlosspark und sahen sich Alt Heidelberg noch einmal von oben an. Auf einer Parkbank gestand Alexander ihr, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebt hatte, und dass es ihm wirklich ernst sei.
»Das fing eigentlich schon auf dem Frankfurter Flughafen an«, erzählte er. »Ein Blick genügte, und mein Herz stand in Flammen. Lach mich aus, aber so war es.«
»Ich lach’ doch gar nicht«, versetzte sie leise. »Ich weiß nur nicht, was ich dazu sagen soll. Natürlich bist du mir sehr sympathisch. Vielleicht ist es mehr. Ich befürchte sogar, dass es mehr ist. Aber ich habe Ted nun mal Treue versprochen. Ich käme mir schäbig vor, sie nach so kurzer Zeit zu brechen.«
»Aber Liebe ist doch keine Frage der Zeit«, erwiderte Alexander. »Wenn es einen erwischt, ist es doch egal, was vorher war. Das Herz ist entscheidend. Wenn es dir zu verstehen gibt, dass es für einen anderen schlägt, sollte man das nicht überhören. Versteh mich bitte nicht falsch. Ich möchte dich zu nichts drängen, wäre allerdings der glücklichste Mensch dieser Erde, wenn du dich für mich entscheiden würdest.«
»Das alles geht mir einfach zu schnell«, seufzte Jenny und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Vor drei Tagen habe ich dich noch nicht gekannt, und heute möchte ich deinetwegen am liebsten den Mann verraten, der mir bis dato sehr viel bedeutet hat.«
»Sehr viel, aber nicht alles - oder?«
»Wahrscheinlich.« Sie seufzte wieder. »Sonst käme ich jetzt nicht auf diese dummen Gedanken.«
Alexander wandte ihr sein Gesicht zu, küsste sie zärtlich aufs Haar. »Ich habe das nicht gewollt«, beteuerte er. »Ich wollte deine Gefühle nicht in einen Zwiespalt stürzen. Ehrlich nicht. Aber ich habe mich nun mal in dich verliebt. Hätte ich das in meinem Herzen vergraben sollen, zumal ich doch so etwas wie Gegenliebe verspüre?«
»Ich hätte gar nicht nach Deutschland kommen sollen«, meinte Jenny seufzend. »Dann wäre alles viel einfacher für mich. So aber wohne ich bei einem Onkel, dem meine Anwesenheit offensichtlich zur Last fällt, verliebe, ja, verliebe mich in einen Mann, von dem ich nichts, aber auch gar nichts weiß. Und überhaupt ...« Ein dritter Seufzer entrang sich ihrer gequälten Brust. »Lieber Gott, warum machst du es einem nur so schwer?«
»Das mit dem Mann, von dem du nichts weißt, können wir ändern«, erwiderte Alexander. »Du musst mir allerdings versprechen, keinem ein Wort zu verraten; selbst deinen Eltern nicht, wenn du mit ihnen telefonierst.«
Jenny setzte sich gerade und runzelte die Stirn. »Sag nur, hinter deiner Person verbirgt sich ein Geheimnis? Bist du am Ende gar nicht der, für den du dich ausgibst, sondern ein verwunschener Prinz?«
Alexander lachte. »So könnte man es nennen. Ja, ich bin so etwas wie ein verwunschener Prinz.«
»Das mit dem Prinzen sollte ein Spaß sein«, stellte Jenny klar.
»Ich weiß. Aber es entspricht so ziemlich den Tatsachen. In Wahrheit heiße ich Alexander von Hambach und bin der leibliche und - wie ich vermute - auch der einzige Sohn des Fürsten.«
»Jetzt treibst du aber deinen Scherz mit mir«. Jenny schaute ihren Begleiter an, als habe dieser ihr soeben erklärt, er wäre der Liebe Gott persönlich. Oder zumindest der Erzengel Gabriel.
»Du willst mich auf den Arm nehmen, nicht wahr?«
»Das